Nicht nur in der Medienbranche kommt es vor: Man kann irgendwann einfach nicht mehr, die Arbeit türmt sich immer weiter auf, und irgendwann schlägt die psychische Belastung auch auf den Körper durch. Die Verlag Bertelsmann Stiftung veranstaltete auf der Frankfurter Buchmesse eine Gesprächsrunde zu dem Thema, bei dem auch ein Hörbuch über Burnout vorgestellt wurde. Teilnehmer waren Helen Heinemann (Psychotherapeutin vom Institut für
Burnoutprävention), Dr. Olaf Tscharnetzki (Betriebsarzt und medizinischer
Direktor von Unilever Deutschland), Detlef Hollmann (Bertelsmann Stiftung,
Ansprechpartner für psychische Belastungen) und Carola Kleinschmidt
(Diplombiologin und Journalistin).
Wie erwartet,
begann diese Gesprächsrunde erstmal mit ein paar Zahlen, um den Zuhörern ins
Bewusstsein zu rufen, wie aktuell und verbreitet Burnout eigentlich ist.
Beispielsweise hat sich die Zahl der Krankschreibungen wegen Erschöpfung seit
2004 verneunfacht. Ein Drittel der Frührenten werden wegen seelischer Belastung
beantragt.
Es handelt
sich natürlich um ein komplexes Thema und konnte demzufolge nicht wirklich
umfassend in einer einstündigen Gesprächsrunde zu dem neu veröffentlichten
Hörbuch abgehandelt werden. Demzufolge fürchte ich, dass auch dieser Bericht das
Thema nicht in angemessenem Umfang
wieder geben kann. Aber ich versuche es gerne:
Gründe für
Burnout sind natürlich vielfältig und individuell, aber sicher spielen auch
wirtschaftliche Trends der Management Philosophie eine Rolle, sowie das
Problem, was viele empfinden, dass man im Job nicht genug Gemeinschaftsgefühl
erfährt und sich nicht fair behandelt fühlt.
Einen Burnout
zu erkennen ist gar nicht so einfach. Immer noch haben viele Ärzte Probleme,
einen Burnout richtig zu attestieren. Das liegt vor allem daran, dass die
Krankheit im Regelfall so abläuft, dass der Patient von einer „ganz normalen“
körperlichen Krankheit ans Bett gefesselt wird und einfach nicht mehr richtig
gesund wird beziehungsweise plötzlich Panikzustände erlebt. Erst wenn der
Patient länger drüber nachdenkt fällt auf, dass er/sie bereits seit langer Zeit
in einem Erschöpfungszustand war oder chronische Schmerzen leidet. Insgesamt
handelt es sich also um eher diffuse körperliche Symptome gefolgt von völliger
Erschöpfung und Orientierungslosigkeit.
Frau
Heinemann erzählt von ihren Erlebnissen: „Es sind immer die Netten, die es
erwischt“. Damit meint sie diejenigen Mitarbeiter, die immer volle Leistung
liefern und immer wieder zurückstecken, um immer neue Projekte zu übernehmen,
ihre Perfektionismusansprüche zu befriedigen, ihren Vorgesetzten den Rücken freizuhalten
oder niemanden belasten zu wollen. Diejenigen mit einem „gesunden Egoismus“
stellen ihre Ansprüche meist irgendwann vor die Ansprüche der Arbeit und sind
darum eher nicht gefährdet.
Begonnen hat
das verstärkte Auftreten von Burnouts mit der Computerisierung, wurde gesagt,
mit der kontinuierlichen Steigerung von Ansprüchen an Arbeitnehmer. Nun ist man
ständig erreichbar, hat immer mehr zu tun, muss immer mehr Entscheidungen
treffen und kann sich nicht mehr verstecken. Der gesellschaftliche Wandel
verstärkt das zusätzlich. Herr Tscharnetzki nennt dies die moderne Fünfteilung:
Mehr Aufgaben, leistungsbezogene Bezahlung, Jobunsicherheit, veränderte
Familienstrukturen sowie Rentenunsicherheit. Natürlich muss man auch
berücksichtigen, dass nicht unbedingt ein einziger Faktor einen Burnout
auslösen muss. Häufig ist es so, dass der Betreffende in mehreren Gebieten
unter Druck gerät, die sich dann gegenseitig aufschaukeln und beeinflussen
(also etwas Stress mit der Arbeit beeinträchtigt das Familienklima beeinträchtigt
den Freundeskreis etc.).
Wie geht man
jetzt als Unternehmen mit aufgetretenem Burnout-Fällen um? Die Experten
sprechen sich dafür aus, einen externen Burnout-Berater in das Unternehmen zu
holen, und die Teilnahme an Schulungen anzubieten – freiwillig und auf
Belohnungsbasis, damit sich niemand stigmatisiert fühlen muss, der dort
hingeht. Wichtig ist emotionaler Rückhalt und Verständnis am Arbeitsplatz. Die
Erfahrung der Experten ist, dass die meisten Unternehmen sehr unterstützend
reagieren – wenn erstmal ein Burnout aufgetreten ist. Man muss vermitteln, dass
psychische Erkrankungen genau so normal wie Rückenschmerzen sind, und natürlich
am besten Vorsorge anbieten, damit es gar nicht erst zu einer
Überlastungsspirale kommen kann.
Prävention ist
eine schwierige Sache. Vor allem, wenn nicht nur der betroffene Mitarbeiter,
sondern vielleicht gleich die ganze Abteilung überlastet ist und jeder mit
zusätzlichem Druck zu kämpfen hat. Vorsicht ist auf jeden Fall geboten, wenn
jemand „komisch“ wird. Wenn Kollegen dauerhaft zynischer werden und
unangemessen gereizt reagieren und sich das auch nach einer längeren
Erholungsphase nicht ändert. Das gleiche gilt natürlich für Familienmitglieder.
Wichtig für z.B. Angehörige ist, sich bewusst zu werden, dass der Erkrankte
selbst nicht nur unter dem Arbeitsstress, sondern auch sehr unter seinen meist
auch selbst so empfundenen unangemessenen Stimmungsschwankungen leidet.
Stress
auslösende Situationen sind vor allem diejenigen, wo man das Gefühl hat, sie
nicht verstehen zu können, nicht handhaben zu können und dass sie keinen Sinn
machen. Um also mit einer stressigen Lebenssituation umgehen zu können, ist es
wichtig, dass man sie versteht, man muss also im Zweifel wirklich mehrfach
nachfragen. Wenn man das Gefühl hat, eine Situation nicht handhaben zu können,
muss man sich fragen, wo sind Spielräume vorhanden, wo kann ich für mich, auch
in der Freizeit, Raum zum Handeln schaffen? Und: Macht mein Leben Sinn – nicht
nur für mich, sondern auch für andere? Also, wo/wie kann ich sinnvoll leben, wo
mich einbringen?
Und was kann
man tun, wenn man nicht selbst, sondern ein Freund betroffen ist? Bloß nicht
den Therapeuten spielen, raten die Experten. Dazu ist man in der Regel nicht
ausgebildet, und das hilft den Betroffenen auch nicht wirklich. Was man aber
machen sollte ist, die Leute anzusprechen. Zum Beispiel, in dem man die Leute,
notfalls auch immer mal wieder, fragt, wie es Ihnen geht. So nach dem Motto,
Mir ist aufgefallen… / Sie sehen so blaß aus…, und dann freundlich fragen ob
man Hilfe anbieten kann. Und da es ja häufig so ist, dass Betroffene häufig
ihre Belastung nicht anerkennen wollen oder andere damit nicht belästigen
möchten, muss man also viel Zeit, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit mitbringen.
Abschließend
gaben uns die Experten noch ein bisschen mit auf den Weg:
Zum
Abschalten und Entspannen soll man auch mal drauf achten, dass man in der
Freizeit auch wirklich den Leistungsdrang abschaltet, etwa wenn man Zeit mit
seinen Kindern verbringt.
Man soll sich
in Achtsamkeit sich selbst gegenüber üben.
Und: Machen
Sie nicht weniger, sondern mehr: Sachen, die Freude machen und einen emotional
erfüllen.
Das nehme ich
dann mal zum Anlass, schnell meinen letzten noch ausstehenden Bericht online zu
bringen, damit ich heute das Büro auch noch mal Richtung Messehallen verlassen
kann!
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