Es ist was faul
Story:
Nach mehr als zwei Jahren hat Thursday Next die Nase gestrichen voll vom Leben in der BuchWelt. Als Leiterin der Jurisfiktion muss sie sich nicht nur mit allen möglichen Problemen in Romanen, Novellen und Gedichten herumschlagen, sondern vor allem auch mit der daraus entstehenden Bürokratie. Außerdem soll ihr kleiner Sohn Friday, den sie mittlerweile zur Welt gebracht hat, nicht zwischen Buchdeckeln aufwachsen. Und ihren rüde aus der Zeitlinie gekickten Ehemann Landen hat sie auch noch nicht wieder.
Also schnappt sie sich den kleinen Friday, Haus-Dodo Pickwick samt deren Küken und den Dänenprinzen Hamlet und kehrt zurück in die wirkliche Welt. Dazu hätte sich aber insbesondere Hamlet, der einen Erkundungsurlaub zur Rezeption seines Stücks absolvieren möchte, kaum einen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können. Denn der neue Regierungschef – niemand anderes als der rechtsextreme Politiker Kaine, mit dem Thursday schon früher zu tun hatte – hat eine Hetzkampagne gegen alles Dänische losgetreten. Nur noch der greise Präsident hält Kaine davon ab, offiziell die unumschränkte Macht zu ergreifen. Kaines größter Förderer, die bisher schon de facto allmächtige Goliath Corporation, firmiert gerade um: Demnächst möchte der Konzern als Religion behandelt und von seinen Kunden angebetet werden. Das hat nicht nur steuerliche Vorteile, unfehlbar zu sein erleichtert auch die Beantwortung dieser lästigen kritischen Fragen der Journallie.
Im Haus von Thursdays Mutter, wo sich die kleine Gruppe erst einmal einquartiert, wohnt mittlerweile übrigens nicht nur Lady Hamilton, die Geliebte von Lord Nelson, sondern auch der "Eiserne Kanzler" Bismark. Colonel Next ist nämlich gerade mal wieder dabei, die Zeitlinie zurecht zu biegen. Thursdays Bruder Joffy ist derweil mit den Prophezeihungen eines mittelalterlichen Heiligen beschäftigt. Die sind nicht nur außergewöhnlich präzise, sondern bisher auch immer zutreffend. Die neueste Vorhersage könnte einerseits Ungemach für Kaine und Goliath bringen, andererseits aber Freude für das chronisch erfolglose Swindoner Krocket-Team. Oder hängen diese beiden Dinge etwa zusammen? Man könnte den Heiligen selbst fragen, denn seine live im TV übertragene Wiedergeburt steht an.
Meinung:
Wohin Thursday auch geht, Ärger, Abenteuer und Arbeit folgen ihr offenbar auf dem Fuße. Und so braucht sie vom Urlaub in der Buchwelt dringend Urlaub. Der ist ihr allerdings nicht vergönnt, denn sie muss mal wieder die Welt retten, ihre alten Feinde Goliath und Kaine in Schach halten und gleichzeitig ihren kleinen Sohn rechtzeitig ins Bett bringen.
Thursdays Bemühungen in dieser Richtung sind gewohnt skurril, witzig und intelligent. Beispielsweise spricht Friday, der bisher nur die BuchWelt kennt, nur Blindtext: Lorem ipsum dolor sit amet... Goliath hat, zwecks Reinigung des Karmas auf dem Weg zur Religionsgemeinschaft, eine offizielle Stelle zur Wiedergutmachung ihrer vergangenen Schandtaten eingerichtet. Wer aus dem "Apologarium" jedoch wieder herauskommt, ist meist davon überzeugt, dass er an seinem Ungemach eigentlich vor allem selbst schuld ist. Wer hinreichend prominent ist, bekommt einen offiziellen Stalker zugeteilt. Manche dieser Stalker haben sogar selbst wieder Stalker. Thursdays Stalker kennen die Leser der früheren Bände übrigens schon, wenigstens vom Namen her. Und auch die Profikillerin, die auf Thursday angesetzt ist, fand früher schon Erwähnung. Sie nennt sich übrigens "Windowmaker", weil sich damals der Setzer beim Briefpapier vertan hatte und neues zu teuer war.
In "Es ist was faul" wird ein interessantes Phänomen wieder einmal deutlich: Die Abenteuer unserer Heldin in der BuchWelt unterscheiden sich in Ton und Atmosphäre merklich von denen in ihrer reale Welt. Bei ersteren stehen vor allem weit hergeholte literarische Anspielungen (eine Igeldame aus einem Kinderbuch als Jurisfiktion-Agentin im Team mit einem Weltraum-Imperator) und Stilbrüche (hinter den Kulissen gieren die Figuren eines viktorianischen Romans vor allem nach Batterien und Minzdrops) im Vordergrund. Die "Realität" fühlt sich eher nach einem hard boiled-Krimi oder Thriller an. Die aberwitzigen Ideen, die man inzwischen von Jasper Fforde gewöhnt ist, sind jedoch ebenso ausgewogen wie großzügig über beide Varianten verteilt.
Ein weiteres Merkmal von Jasper Ffordes Geschichten zeigt sich in diesem Band ebenfalls verstärkt: Alles hat seinen Sinn, alles fügt sich am Ende zusammen. Vieles, von dem man beim Lesen zunächst dachte, es sei nur ein Gag, eine lustige Anspielung, entpuppt sich später als außerordentlich wichtig für den Ausgang der Handlung. In diesem vierten Teil der Abenteuer von Thursday Next greift der Autor teilweise Ansätze aus dem ersten Band, "Der Fall Jane Eyre", wieder auf. In der auf insgesamt acht Bände angelegten Serie ist nun zur "Halbzeit" der erste Zyklus abgeschlossen, und die meisten losen Fäden soweit verwoben. Gleichzeitig hat Fforde durch einen erneuten Kunstgriff dafür gesorgt, dass ihm in den folgenden Bänden der Stoff und die Abenteuer nicht ausgehen dürften. Bleibt zu hoffen, dass dtv die nächsten Bände schnell nach Deutschland holt – Nummer fünf liegt im Original bereits als Hardcover und Paperback vor, Nummer sechs ist für 2010 angekündigt.
Anmerkung: Die aktuelle deutsche Ausgabe basiert auf Wunsch des Autors auf der amerikanischen Fassung, die sich an einigen Stellen von der originalen, britischen Version unterscheidet.
Fazit:
Mit dem vierten Band schließt Jasper Fforde den ersten Zyklus der Abenteuer von Thursday Next in der gewohnten Qualität ab. Wer die ersten drei Bände geliebt hat, wird auch von diesem Roman begeistert sein. Und wer die ersten drei Bände noch nicht kennt, sollte das baldmöglichst nachholen und anschließend dieses Buch lesen.
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Jasper Fforde
Es ist was faul
Something Rotten
Übersetzer: Joachim Stern
Erscheinungsjahr: 2008
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
dtv
Preis: € 8,95
ISBN: 978-3423210508
430 Seiten
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