Die Insel der besonderen Kinder
Story:
Die Geschichten von Jacobs Großvater
klingen einfach unglaublich. In ihnen erzählt Abraham seinem Enkel
von wundersamen, fast schon monströsen Kindern, von denen Jacob nie
zuvor etwas gehört hat. Ein Junge sei unsichtbar, ein anderer
beherberge Bienen in seinem Körper, ein Mädchen könne das Feuer
beherrschen – und alles lasse sich durch Fotos beweisen! Einige
Jahre später muss sich Jacob wieder mit diesen „Märchen“
befassen, nachdem sein Großvater auf bestialische Art und Weise
ermordet wurde. Für den Jungen bricht eine Welt zusammen, hat er
doch mit eigenen Augen eines der Monster gesehen, das Abraham seit
Jahren verfolgte und schließlich tötete. Um sich und allen anderen
zu beweisen, dass das Wesen mit den Tentakeln nicht seiner Phantasie
entsprungen ist, macht er sich zusammen mit seinem Vater zu der
walisischen Insel auf, wo sein Großvater den Krieg in einem
Waisenhaus überlebte, während seine Familie im Holocaust starb.
Nach kurzer Suche findet er tatsächlich die Kinder, die er von
den Fotos her bereits kannte und ist erstaunt, dass die Mädchen und
Jungen seit 1940 um keinen Tag gealtert sind.
Meinung:
Flohmärkte sind ein Paradies für
Sammler. Die einen suchen nach dem perfekten Staubfänger, andere
haben es auf seltene Schallplatten und Bücher abgesehen, und
wiederum andere wollen günstig gut erhaltene Waren des täglichen
Gebrauchs erwerben. Doch es gibt noch eine besondere Spezies, die
sich hier tummelt und auf etwas ganz Besonderes aus ist: alte Fotos.
Genau zu dieser Sorte Flohmarktbesucher gehört der Amerikaner Ransom
Riggs.
Der studierte Literatur- und
Filmwissenschaftler sammelt alte Amateurfotos, mit denen niemand mehr
so recht etwas anfangen kann. Gerade Fotografien, die um 1900
entstanden, weisen oft die verblüffendsten Effekte auf. Hier kann es
schon mal vorkommen, dass ein Kind in der Luft zu schweben oder ein
Mann keine Pupillen zu haben scheint. Fasziniert von den vielfältigen
Interpretationsmöglichkeiten begann Riggs aus seinen Fotos und denen
von befreundeten Sammlern eine Geschichte zu entwickeln, deren
Handlung durch die Bilder getragen wird. Das Resultat erschien Mitte
2011 als „Miss Peregrine's Home for Peculiar Children“ in den
USA.
Im selben Jahr erschien die deutsche
Übersetzung unter dem Titel „Die Insel der besonderen Kinder“
beim PAN-Verlag. Es fällt wirklich schwer dieses Buch als etwas
anderes als „besonders“ zu bezeichnen, denn genau das ist es: ein
besonderes literarisches Kleinod, das Leser jeden Alters sofort in
seinen Bann zu ziehen vermag. Die Seiten dieser phantastischen
Erzählung scheinen beim Lesen geradezu davon zu fliegen, das
Romanende ist viel zu schnell erreicht und das Verlangen nach einer
sofortigen Fortsetzung von Jacobs Abenteuer ist da. Riggs ist es
gelungen, eine Geschichte zu schreiben, die das Zeug zum Klassiker
hat: sympathische und einzigartige Protagonisten, ein locker leichter
Erzählstil und eine dem Leser allzu sehr vertraute Welt, die noch
Abenteuer und Geheimnisse bereit hält, wartet darauf neu entdeckt zu
werden.
Mit seinem Romandebüt ist dem
Amerikaner das Kunststück gelungen, den Leser lange Zeit im Unklaren
darüber zu lassen, ob es die Monster und Kinder wirklich gibt oder
ob sie den traumatisierten Seelen zweier Menschen entsprungen sind.
Gekonnt verknüpft Riggs reale Ereignisse der Geschichte mit der
Handlung seines Romans. Neben den Kriegserlebnissen Abrahams kommt so
auch dem Ereignis von Tunguska eine zentrale Rolle zu. Die gewaltige
Explosion, die sich 1908 in Sibirien ereignete und für dessen
Ursprung bis heute allerlei Theorien existieren, passt sich genauso
nahtlos ins Geschehen ein, wie die unzähligen Fotos der besonderen
Kinder.
Riggs sympathischer und von Albträumen
getriebener jugendlicher Held, Jacob, wird anfänglich über die
Ursache für den „Wahnsinn“ seines Großvaters und den
Wahrheitsgehalt der als „Märchen“ abgestempelten Geschichten
genauso im Unklaren gelassen wie der Leser. Wie Jacob wird der Leser
dazu verleitet, Abrahams Geschichten als Hirngespinste abzutun, die
durch geschickt manipulierte Fotos als Wahrheit verkauft wurden.
Selbst die Begegnung mit einem Monster ändert vorerst nicht viel an
dieser Theorie, ist doch die gesamte Familie der Meinung, dass sich
Jacob unter Schock stehend dieses Wesen ausgedacht hat. Doch die
letzten Worte seines Großvaters lassen ihn nicht los und so sucht er
das walisische Eiland Cairnholm Island auf, um dort nach weiteren
Anhaltspunkten für die Existenz der Monster und Kinder zu finden.
Von diesem Moment an verweilt der Leser
mit Jacob auf der Insel und erforscht mit ihm die Vergangenheit des
Dorfes, das am 3. September 1940 durch einen Bombenabwurf erschüttert
wurde. Angeblich wurde dadurch das Waisenhaus vollkommen zerstört
und dessen Bewohner getötet. Doch der junge Held lässt sich nicht
entmutigen und findet sie tatsächlich: Miss Peregrine und ihre
wundersamen Schützlinge. Doch auch die Monster sind nicht mehr weit
und drohen die Idylle ein für alle mal zu zerstören.
Fazit:
„Die Insel der besonderen Kinder“
ist ein ganz besonderes Buch für alle. Die wundervolle Geschichte
mit ihren sympathischen Kindern ist ein phantastisches Abenteuer für
junge und junggebliebene Leser, das hoffentlich in absehbarer Zeit
eine Fortsetzung erfährt. Bis dahin heißt es warten und der
Verfilmung entgegenfiebern, die bei 20th Century Fox geplant ist.
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