Welcome to your Brain
Story:
Es wiegt gerade mal etwa drei Pfund und kommt mit circa 12 Watt Energieverbrauch aus, aber es vollbringt erstaunliche Leistungen: Das menschliche Gehirn. Aber oft nimmt unser Hirn auch "Abkürzungen" und lässt sich in die Irre führen.
Können wir unserem Gehirn vertrauen? Weshalb kann einem das eigene Gehirn am Abnehmen hindern? Ist Sprache angeboren? Lohnt es sich, für eine Prüfung zu pauken? Entwickelt sich das Gehirn heute immer noch weiter? Und was passiert eigentlich, wenn das Gehirn in "andere Zustände" wie Schlaf, Meditation, Schlaganfälle oder Rausch gerät? Sandra Aamodt und Samuel Wang beantworten diese und viele anderen Fragen in ihrem "respektlosen Führer durch die Welt des Gehirns".
Meinung:
Man sagt, gut gemeint sei das Gegenteil von gut gemacht. Dieses Buch ist ein Beispiel dafür. Hinter "Welcome to your Brain" stehen Fachleute: Sandra Aamodt arbeitet als Chefredakteurin für Nature Neuroscience, eine der wichtigsten und renommiertesten Fachzeitschriften auf dem Gebiet. Samuel Wang ist Professor für Neurowissenschaften an der Princeton University.
Entsprechend ist der Inhalt des Buches eigentlich hoch interessant. Der Leser erfährt beispielsweise, dass unser Gehirn uns beinahe ständig belügt. Die Informationsflut, die ständig aus der Umgebung auf unsere Sinne einprasselt, könnten wir sowieso nicht bewältigen. Also muss das Gehirn einen Teil der Daten auswählen und daraus irgendwie Sinn machen, ein kohärentes Abbild der Realität zusammenbauen. Dabei kann es passieren, dass unser Hirn Zusammenhänge konstruiert, die es eigentlich überhaupt nicht gibt, von denen wir aber völlig überzeugt sind.
In sechs Abschnitten erklären die Autoren das Gehirn und seine Funktionsweise selbst, befassen sich mit den fünf Sinnen, verfolgen das Gehirn im Lebenslauf, sprechen über Emotionen, erläutern unsere Ratio und betrachten das Gehirn in verschiedenen Zuständen von Bewußtsein über Schlaf bis Rausch. Aber leider kann der Leser den Autoren auf dieser Reise nur begrenzt folgen. Der Schreibstil sorgt dafür, dass man kaum vorankommt. Es ist schwer, den Finger auf das genaue Problem zu legen, aber das Lesen dieses Buches ist regelrechte Arbeit. Ob die Ursache in der "Schreibe" der Originalausgabe oder in der deutschen Übersetzung liegt, sei dahingestellt.
Nicht besser machen die Sache die grau hinterlegten Kästen, die immer wieder, zum Teil alle paar Seiten eingefügt sind. In ihren befassen sich Aamodt und Wang mit verbreiteten Mythen über unser Gehirn, geben praktische Tipps etwa gegen Jetlag oder wie man das eigene Glücksgefühl steigern kann oder fragen "Hätten Sie's gewusst?" Dadurch wird der Lesefluß Mal um Mal unterbrochen.
Die Autoren empfehlen, das Buch abschnittsweise zu lesen, bespielsweise beim Frühstück oder vor dem Einschlafen. Das ist auch dringend anzuraten, denn am Stück wird auch der akademisch gebildete und im Umgang mit Texten geübte Leser kaum mit "Welcome to your brain" fertig werden. Das "Benutzerhandbuch" für das Gehirn, wie Aamodt und Wang ihr Werk selbst beschreiben, hätte zu einem Standardwerk über das Organ, das unser Leben wesentlich prägt, werden können. Diese Chance wurde leider versäumt.
Fazit:
Ein inhaltlich hoch interessantes Buch leidet sehr unter seinem unzugänglichen Sprachstil. Die vielen spannenden Fakten und Zusammenhänge über das Gehirn muss sich der Leser regelrecht erarbeiten.
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Sandra Aamodt, Samuel Wang
Welcome to your Brain
Welcome to Your Brain. Why You lose Your Car Keys but Never Forget How to Drive and Other Puzzles of Everyday Life
Übersetzer: Norbert Juraschitz
Erscheinungsjahr: 2010
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
dtv
Preis: € 11,90
ISBN: 978-3-423-34615-3
297 Seiten
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