Ein todsicherer Job
Story:
Charlie Asher aus San Francisco ist ein mehr oder weniger normaler Mann. Gut, er neigt stark zu Paranoia, Hypochondrie und allgemeiner Panik. Aber das ist zumindest teilweise der aktuellen Situation geschildert: Charlie ist soeben zum ersten Mal Vater geworden. Er sieht schon alle möglichen Horrorszenarien für die Zukunft der gerade ein paar Stunden alten Sophie voraus, aber die Realität ist schlimmer als jede Vorstellung. Charlies Frau Rachel stirbt kurz nach der Geburt.
Den großen schwarzen Mann im mintgrünen Anzug, den Charlie in Rachels Krankenzimmer überrascht hatte, und der auf keiner Überwachungskamera zu sehen war, schiebt er erst mal auf seinen überreizten Verstand. Allerdings gibt es den Mann sehr wohl, und er hat einen mehr als außergewöhnlichen Job. Er ist Totenbote, und Charlie ist jetzt offenbar ebenfalls einer.
Ein Totenbote holt die Seele eines Verstorbenen ab und bringt sie sicher auf den Weg zur nächsten Wiedergeburt. So in der Art jedenfalls, denn die Informationen, die Charlie zu seiner neuen Aufgabe bekommt, sind reichlich dürftig. Eines scheint jedoch klar: Wenn ein Totenbote seinen Job nicht ordentlich macht, stärkt das Wesen aus der Unterwelt, denen man lieber nicht begegnen möchte. Und die Stimmen (nicht nur) aus dem Gulli haben es offenbar speziell auf die kleine Sophie abgesehen...
Meinung:
Christopher Moore wird oft zusammen mit zwei absoluten Superstars der intelligent-komischen Phantastik genannt, mit Douglas Adams und Terry Pratchett. Und er hat bereits mit einigen Romanen gezeigt, dass dieser Vergleich absolut berechtigt ist. "Ein todsicherer Job" zeigt ein weiteres Mal warum.
Bereits in den ersten Absätzen zeichnet er Charlie und seine Beta-Männchen-Befürchtungen so plastisch, dass der Leser fast genauso genervt von ihm ist wie die junge Mutter, die er vor allem Übel schützen möchte. Gleichzeitig fühlt man(n) sich sofort mit Charlie seelenverwandt. Denn wer hat nicht wenigstens ein bißchen Beta-Männchen in sich?
Apropos, das Beta-Männchen-Konzept zieht sich durch das gesamte Buch. Moore kommt immer wieder darauf zurück, um einen weiteren "wissenschaftlich fundierten" Einblick in Charlies Psyche zu liefern. Kurz zusammengefasst: Schon annodazumal gab es die Alpha-Männchen, die sich dem wilden Mastodon nur mit einem spitzen Stock bewaffnet entgegenstellten und dafür – im Erfolgsfall – Fleisch, Ruhm und weibliche Zuneigung ernteten. Und es gab, und gibt, die Beta-Männchen, die mit genügend Phantasie ausgestattet waren. Die konnten sich nämlich vorstellen, was alles schiefgehen könnte, blieben sicherheitshalber zu Hause und trösteten die Witwen, falls die Alpha-Männchen nicht zurückkamen.
Aber auch das geradezu prototypische Beta-Männchen Charlie Asher muss sich in Abenteuern bewähren, und das nicht zu knapp. Allein schon die Tätigkeit als Totenbote sorgt für reichlich Aufregung. Unter welchem Vorwand kommt man einigermaßen unauffällig in das Haus eines frisch Verstorbenen, um die Seele abzuholen? Wie redet man sich raus, wenn misstrauische Polizeibeamte genau wissen wollen, warum man so oft in der Nähe von natürlichen wie unnatürlichen Todesfällen anzutreffen ist? Und da sind dann noch gewisse Wesenheiten, die große Hoffnungen mit Charlies Scheitern verbinden, und die alles dafür tun würden. Und dabei sind sie alles andere als zimperlich.
Verkompliziert wird das Ganze noch dadurch, dass Charlie sich als alleinerziehender Vater bewähren muss. Und die kleine Sophie hat ihre ganz eigenen, sagen wir, Besonderheiten. Merkwürdigerweise überlebt jedes der vielen Haustiere, die Charlie für sie kauft, nur sehr kurz...
Das alles wird dargeboten mit einer reichlichen Portion Humor Marke Christopher Moore. Und der ist vom feinsten, wenn auch nicht immer ganz stubenrein. Beispielsweise sind fast alle in Charlies Umgebung davon überzeugt, er müsste nach dem Tod seiner Frau dringend mal wieder "einen wegstecken". Anders sind die komischen Geschichten, die er erzählt, ja wirklich nicht zu erklären, oder? Was die Meinung der Asiatischen Großmächte zu diesem Thema ist, bleibt unbekannt. Jedenfalls werden unter diesem Namen die ebenso voluminösen wie resoluten Nachbarswitwen, eine aus China, eine aus Russland, zusammengefasst. Die Wesen im Gulli führen untereinander den schönsten Zickenkrieg, und eine Enkelin des alten Wäschereibesitzers Hu heißt mit Vornamen ausgerechnet Cindy Lou. Da fallen zwei riesige schwarze Hunde, die vom halben Hühnchen (gerne auch direkt aus der Tiefkühltruhe) bis zur Autobatterie am Stück so ziemlich alles fressen, gar nicht weiter auf. Die kleine Sophie findet es jedenfalls Klasse, wenn die beiden Shampoo aus ihrer Hand schlürfen und anschließend bunte Seifenblasen rülpsen.
Diese ganzen Witze gehen jedoch nie wirklich auf Kosten der Figuren. Sicher, gerade Charlie ist nie der strahlende, unerschütterliche Held (Stichwort Beta-Männchen), aber Moore gibt seine Figuren nicht der Lächerlichkeit preis. Sie haben Schrullen, sie sind exzentrisch, sie sind nachgerade merkwürdig, aber immer echt, dreidimensional und ernstzunehmen. Viele Gags entstehen auch dadurch, dass der Autor seine Geschichte mit unterwöhnlichen und ungewohnten Blickwinkeln und Beschreibungen erzählt.
Für Moore-Fans war es schon zu erwarten: In einer Geschichte, die in San Francisco spielt, muss Der Kaiser eine prominente Nebenrolle bekommen. Auch andere aus früheren Romanen bekannte Namen mischen wieder mit.
Insgesamt ein Buch, dass man vor seinem Tode noch gelesen haben sollte. Ein Wälzer zum Todlachen – und es wäre nicht verwunderlich, wenn das Buch danach in den Augen mancher merkwürdig rot glühen würde...
Fazit:
Ein weiteres Mal zeigt Christopher Moore, warum er zu den ganz großen seiner Zunft gehört. Dieses Buch sollte man gelesen haben, bevor man stirbt – sonst hat man eindeutig etwas verpasst.
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Christopher Moore
Ein todsicherer Job
A Dirty Job
Übersetzer: Jörn Ingwersen
Erscheinungsjahr: 2006
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Goldmann Verlag
Preis: € 9,95
ISBN: 978-3-442-54225-3
480 Seiten
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