Ensel und Krete: Ein Märchen aus Zamonien
Story:
Ensel und Krete, zwei Kinder die auf dem Kontinent Zamonien leben, verirren sich im Großen Wald. Immer tiefer stoßen sie in das Gehölz vor, und geraten so in eine immer aussichtslosere Situation. Gibt es denn niemanden, der sie retten kann?
Meinung:
Als Kind las man gerne Märchen. Die Erzählungen der Gebrüder Grimm waren ganz besonders beliebt. Und als Erwachsener? Liest man sie vielleicht seinen Kindern vor, doch man selbst kennt die Geschichten schon. Es existiert also eine gewisse Sehnsucht nach neuen Fabeln. Und eine solche liefert Walter Moers mit "Ensel und Krete" ab.
Der Autor und Zeichner ist vor allem für "Das Kleine Arschloch" und "Die 13½ Leben des Käpt'n Blaubär" bekannt und beliebt. Letzteres ist der erste Roman, der in dem sagenumwobenen Kontinent Zamonien spielt. Es folgten weitere Bücher, alle geschrieben und illustriert von dem 1957 geborenen Künstler. "Ensel und Krete" ist der zweite Band in der "Zamonien"-Reihe und erschien ursprünglich 2001.
Ensel und Krete sind zwei Fhernhachenkinder, also Halbzwerge. Während ihre Familie den Großen Wald besucht, schleichen sie sich von ihren Eltern fort. Sie verirren sich sofort im verbotenen Teil des Forstes und stoßen auf immer gefährlichere Kreaturen. Was wird sie am Ende ihres Weges erwarten?
Mit "Die 13½ Leben des Käpt'n Blaubär" schrieb Walter Moers einen unterhaltsamen Roman, den man so schnell nicht aus der Hand legte. Die Messlatte für den Nachfolger war also entsprechend hochgelegt. Und es stellte sich die Frage, ob der Nachfolger vergleichbar mit dem Vorgänger werden würde.
Doch schon die ersten Seiten machen klar, dass der Autor mit "Ensel und Krete" einen komplett anderen Weg einschlägt, als man es vorher erwartet hat. Denn das Märchen um die zwei verlorenen Kinder wird schon bald unterbrochen, sehr frei nach "Hänsel und Gretel". Und zwar von Hildegunst vom Mythenmetz, dem angeblichen wahren Schriftsteller der Geschichte.
Ab diesem Moment beginnt Walter Moers mit dem Leser zu spielen. Denn angeblich handelt es sich bei "Ensel und Krete" um eine Übersetzung, die jener Autor anfertigte. Grundlage war ein Roman des erfolgreichen zamonischen Schriftstellers Hildegunst von Mythenmetz, ein Lindwurm, der lange lebt und über ein dementsprechendes langes literarisches Werk zurückblicken kann.
Mit einer von ihm angeblich selbst erfundenen Stilfigur, den mythenmetzschen Abschweifungen, konterkariert er das Geschehen der Handlung. Er referiert in diesen Abschnitten über alles Mögliche, nur nicht über die Geschichte an sich. Im Gegenteil: Es gibt Stellen, in denen er sich über den Leser jener Erzählung sogar lustig macht. Was wiederrum ironisch wirkt, denn die Abschweifungen selbst sind auch nicht minder komisch.
Doch insgesamt wirkt das Buch unausgegoren. So interessant und lustig die ursprüngliche Idee auch sein mag, nach einer Weile schon beginnen die ständigen Unterbrechungen des angeblichen wahren Autors zu nerven. Sie sorgen für einen plötzlichen Stopp im Lesefluss, wodurch ein Gutteil an Stimmung und Atmosphäre verloren geht.
Nicht, dass das Märchen sich überhaupt interessant las. Das Gegenteil ist der Fall. Die Geschichte ist platt und kann nicht überzeugen. Die beiden Kinder schaffen es nicht, beim Leser Sympathie für ihr Schicksal zu erwecken. Man ist ihnen gleichgültig gegenüber.
Und so kämpft man sich von Seite zu Seite, liest die Fußnoten von Professor Nachtigall, den man aus "13 ½ Leben" her kennt, erfreut sich an den Zeichnungen und ist am Überlegen, ob man den Roman nicht einfach zuklappen soll. Doch dann stößt man am Ende des Buches auf eine Kurzbiographie, die Walter Moers über die erste Hälfte des Lebens von Hildegunst von Mythenmetz schrieb. Und dieser Teil des Bandes liest sich sehr spannend und interessant. Auf wenigen Seiten gelingt es dem Autoren so, das Interesse des Lesers an weiteren Werken aus Zamonien zu wecken. Und diese sind in der Zwischenzeit schon erschienen, darunter zwei Romane die Hildegunst von Mythenmetz als Hauptfigur haben.
Mit diesem letzten Teil schafft Walter Moers noch die Wendung zum Guten hin. Dank ihm kann man den Endeindruck nach oben korrigieren. Nun ist der Roman "Für Zwischendurch" geeignet.
Fazit:
"Ensel und Krete: Ein Märchen aus Zamonien" ist das zweite Buch Walter Moers, welches auf dem Kontinent Zamonien spielt. Die Geschichte, frei nach "Hänsel und Gretel" unterscheidet sich grundlegend von der des Vorgängerromans. Das liegt nicht zuletzt an den mythenmetzschen Abschweifungen, die der angeblich wahre Autor, Hildegunst von Mythenmetz, ständig einbaut. Zuerst lesen sich jene noch amüsant, doch schon recht bald nerven sie, weil sie den Lesefluss stören. Wobei man allerdings auch betonen muss, dass das Märchen an sich eher uninteressant ist. Richtig Gut wird das Buch erst nach dem Ende der Geschichte, als Walter Moers eine Kurzbiografie über den Lindwurmschriftsteller schreibt. Das reißt den Gesamteindruck nochmal herum.
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