Brennende Finsternis
Story:
Drei Monate sind seit der Hochzeit von
Alexia Tarabotti und Lord Maccon vergangen. Seitdem hat sich Lady
Maccon an die Lebensumstände ihres Mannes angepasst und sich immer
wieder als fähige Alpha des Rudels von Woolsey Castle erwiesen.
Leider herrscht zwischen den Eheleuten ein immenses
Kommunikationsproblem, weswegen Alexia erst in ihrer neuen Rolle als
Muhjah (einem weiteren Beraterposten im übernatürlichen
Schattenkabinett ihrer Majestät) von dem Vorkommnis erfährt, das in
Teilen Londons die Übernatürlichen temporär zu Sterblichen machte
und die anwesenden Geister exorzierte.
Natürlich gilt auch dieses Mal die
seelenlose Alexia als Hauptverdächtige, kann doch sie als solche
Vampire, Werwölfe und Geister ihrer Kräfte berauben. Als ihr Mann
Hals über Kopf zu seinem ehemaligen Rudel nach Schottland aufbricht,
wo sich der Vorfall aus London zu wiederholen scheint, reist sie ihm
hinterher. Dabei muss sie sich mit einer bunten Entourage
arrangieren, die nicht nur aus ihren Bediensteten, ihrer
Halbschwester Felicity und ihrer besten Freundin Miss Hisselpenny
besteht. Auch die wie ein Mann gekleidete Hutmacherin und Erfinderin
Madame Lefoux befindet sich mit an Bord des Luftschiffs. Schon bald
gesellen sich zu amourösen Verwicklungen auch Gefahren, zumal Alexia
und ihr Mann nicht vollends in Schottland willkommen geheißen
werden.
Meinung:
Ein Jahr nach dem viel gelobten
Auftaktband „Soulless“ erschien mit „Changeless“ der zweite
Band der inzwischen auf fünf Teile angelegten The Parasol
Protectorate-Serie. Seit August dieses Jahres liegt der Roman in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Brennende Finsternis“
in gewohnt hübscher Aufmachung als Klappenbroschur im
Blanvalet-Verlag vor.
Die Geschichte beginnt drei Monate nach
dem Ende von „Glühende Dunkelheit“. Neben den bekannten Haupt-
und Nebenfiguren aus Carrigers Debütroman betreten einige neue
Personen die viktorianische Bühne und sorgen für frischen Wind. Den
Anfang macht der Rest des Londoner Rudels, dessen Mitglieder von
einem Militäreinsatz zurückgekehrt sind und ihre Zelte auf dem
Vorplatz von Woolsey Castle aufbauen. Mit dabei ist auch der
Rudel-Gamma, Major Channing Channing von den Chesterfield Channings.
Mit ihm liefert sich Alexia, die weder von der Existenz des
Rangdrittens noch von dem des restlichen Rudels etwas wusste, den
ersten wortreichen Schlagabtausch dieses Romans.
Später taucht mit Madame Lefoux eine
weitere äußerst wichtige Person dieser Geschichte auf. Zusammen mit
ihrem Sohn Quesnel und ihrer zum Geist gewordenen Tante unterhält
sie eine Erfinderwerkstatt in London, die sie gekonnt durch ein von
ihr betriebenes Hutgeschäft tarnt. Mit ihr präsentiert die
hutverrückte Carriger erneut eine Figur, die mit den
gesellschaftlichen Konventionen der damaligen Zeit bricht. Madame
Lefoux kleidet sich wie ein Mann, trägt ihre Haare kürzer als die
meisten Frauen und weiß, wie sie mit ihrem eigenen Geschlecht
flirten kann. Zu allem Überfluss ist sie auch noch Französin und
denen wird zu der Zeit ähnlich wenig vertraut wie Halbitalienerinnen
à la Lady Maccon. Abermals zeigt Gail Carriger augenzwinkernd wie
Viktorianer auf Menschen und Dinge reagierten, die vom Festland aus
die Insel erreichten.
Wurde „Glühende Dunkelheit“ durch
Lord Maccons Werben um Alexia und ihre Suche nach den Gründen für
das Verschwinden der übernatürlichen Wesen geprägt, dominieren in
„Brennende Finsternis“ komplett die Frauen das Geschehen. Nicht
nur, dass Alexia ihren Ehemann nun innerhalb des Rudels
gleichgestellt ist, auch sein ehemaliges schottisches Rudel wird von
einem menschlichen weiblichen Alpha geleitet. Diese Frauenpower mag
hier und da deutlich überzogen sein, bildet aber ein angenehmes
Gegengewicht zu der realen viktorianischen Welt, die vor allem durch
Felicity repräsentiert wird. Sie möchte repräsentativ heiraten
und sich dem vorherrschenden Frauenbild gerne beugen, um ihre Rolle
als Frau in allen Belangen zu erfüllen. Dagegen bekommt selbst
Alexias Freundin Ivy rebellische Züge, da sie sich seit einiger Zeit
zu einem Bediensteten des Londoner Rudels hingezogen fühlt. Diese
Verbindung zu einem Künstler käme einem Skandal gleich und ihre
zuvor geschlossene Verlobung mit einem Soldaten liefe Gefahr,
aufgelöst zu werden.
Nicht nur Ivy entwickelt sich in diesem
Buch merklich. Auch die anderen bereits aus „Glühende Dunkelheit“
bekannten Charaktere bekommen mehr Tiefe, offenbaren Teile ihrer
Vergangenheit und beziehen Stellung zu Alexia. Zudem erweist sich die
von Carriger konstruierte Welt als deutlich steampunkiger, bekommen
hier doch mehrere technische Erfindungen eine tragende Rolle
zugeschrieben. Auch dieses Mal kommt der bereits aus „Soulless“
gewohnte Humor nicht zu kurz und tröstet darüber hinweg, dass die
Geschichte um die kraftlosen Übernatürlichen sehr konstruiert
wirkt. Das offene – und für Alexia mehr als unerfreuliche – Ende
von „Brennende Finsternis“ entschädigt ebenfalls für so manche
holprig erzählte Stelle und weckt zudem eine hohe Erwartungshaltung
an den dritten Teil der Lady-Alexia-Romane.
Fazit:
„Brennende Finsternis“ bietet
deutlich mehr Steampunk-Elemente als sein Vorgänger. Der Humor
entschädigt für so manchen Mangel innerhalb des Plots und die neuen
Figuren sind eine immense Bereicherung. Wer „Glühende Dunkelheit“
mochte, wird auch an diesem Band seine Freude haben. Reinschauen!
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