Glühende Dunkelheit
Story:
Alexia Tarabotti ist 26 Jahre jung und
väterlicherseits Halbitalienerin. Im London zur Zeit Königin
Viktorias gilt sie somit als alte Jungfer, deren leicht exotisches
Aussehen sie auf dem Heiratsmarkt schwer vermittelbar macht. Zudem
besitzt sie keine Seele und zählt als Seelenlose (ein
weiteres Geschenk ihres verstorbenen Vaters) zu den wenigen
Außernatürlichen, die es noch gibt. Nur Menschen wie sie
sind dazu in der Lage, die übernatürliche Macht eines Vampirs,
Werwolfs oder Geistes zu neutralisieren und sie für die Zeitspanne
einer Berührung wieder in ihren menschlichen Zustand zu versetzen.
Als Alexia in Notwehr einen Vampir
tötet und immer mehr Vampire und Werwölfe aus London und dem Umland
verschwinden, gerät schnell sie in Verdacht, etwas damit zu tun zu
haben. Um ihre Unschuld zu beweisen, schaltet sich die junge und
äußerst intelligente Frau in die Ermittlungen des BUR (Bureau of
Unnatural Registry) ein. Dessen Leiter, Lord Maccon, ist nicht
nur der oberste Chefermittler der Königin, sondern auch noch der
attraktive Alpha-Werwolf des örtlichen Rudels und hat nun –
sprichwörtlich! – alle Hände voll zu tun, um diesen Fall zu lösen
und Alexia von Dummheiten zu bewahren.
Meinung:
Urban Fantasy, ChicLit,
Romantasy, Steampunk, Alternate History – es gibt viele Genres, in
die sich der Auftakt der Lady-Alexia-Romane der leidenschaftlichen
Teetrinkerin Gail Carriger einordnen ließ. Mancher Leser mag beim
Anblick von Cover und Titel sofort Vergleiche mit den recht
erfolgreichen Büchern ziehen, die sich hauptsächlich mit der Liebe
und Zuneigung zu übernatürlichen und oftmals Untoten Wesen
befassen. Zwar weist auch „Glühende Dunkelheit“ ein
beträchtliches Maß an Techtelmechtel zwischen den Protagonisten
auf, hebt sich dennoch stark von der Konkurrenz ab.
Gail Carriger ist das Pseudonym von
Tofa Borregaard, einer studierten Archäologin mit dem Hang zu
kleinen Hüten, exotischen Früchten und aus Großbritannien
importiertem Tee. Der 2009 erschienene Band „Soulless“ wurde
mehrfach als „Bestes Debüt“ nominiert und schaffte es
schließlich auf die Empfehlungsliste des bekannten Science-Fiction-
und Fantasy-Magazins Locus.
Seit Mai dieses Jahres liegt nun die deutsche Übersetzung als
Klappenbroschur im Blanvalet-Verlag vor.
Vor dem Hintergrund des Viktorianischen
Londons – in dem schon einmal Luftschiffe im Hydepark landen,
Vampire und Werwölfe Teil des Schattenkabinetts der Königin bilden
und die Wissenschaft floriert – erzählt die Amerikanerin Alexias
Geschichte. Die Örtlichkeiten sind hierbei reine Nebensache. Nur
selten fallen Straßennamen oder werden Stadtviertel beschrieben, die
man auch heute noch aus dem Geschichtsunterricht oder von
Straßenkarten her kennt. London ist lediglich die Kulisse für das
Schauspiel, das mit dem Tod des Vampirs beginnt, dem Alexia in
Notwehr einen Pflock durchs Herz rammt. Er hatte das Pech sich
während eines Balls auf die gelangweilte Alexia zu stürzen, die
sich fernab des Trubels in der Bibliothek des Hauses auf eine
köstliche Tasse Tee gefreut hatte.
Schon der Beginn zeigt, dass Carrigers
Hauptaugenmerk auf den gesellschaftlichen Regeln und Konventionen der
damaligen Zeit liegt, die sie mit viel Liebe zum Detail und
Augenzwinkern für ihre Erzählung nutzt. Für die unterschiedlichen
Formen des Zusammenlebens der übernatürlichen Wesen erfindet sie
zusätzliche Verhaltensregeln, die zusätzlich zu den viktorianischen
Gepflogenheiten zu befolgen sind. Naturgemäß gehen sich hierbei
Werwölfe und Vampire aus dem Weg, ziehen jedoch oftmals denselben
Schlag Normalsterblicher an: die Künstler der Insel, von denen sich
einige ein unsterbliches Leben erhoffen. Hierbei ist jede im Buch
auftauchende Person darauf bedacht, die entsprechende Etikette zu
wahren, was für einige amüsante Szenen sorgt, wenn zum Beispiel die
sexuell naive Alexia, die sich an das Leben als alte Jungfer bereits
gewöhnt hat, mit dem aggressiv wölfischen Werben von Lord Maccon
konfrontiert wird.
Neben der seelenlosen Alexia, die zwar
aus gutem Hause stammt, der aber nicht nur der Makel des
italienischen Äußeren anhaftet, sondern auch aufgrund ihrer
Schlagfertigkeit der Ruf eines Blaustrumpf voraus eilt, versammelt
Carriger ein Potpourri der damaligen Gesellschaft. Hier treffen
menschliche und übernatürliche Adlige aufeinander, gibt es
aufstrebende Familien, denen der Zugang zu den wichtigsten
Ereignissen der Londoner Gesellschaft noch verwehrt werden, und junge
ambitionierte Wissenschaftler werben für ihre Ideen. Auch die
Gecks dürfen nicht fehlen, die von einer Party zur nächsten tingeln
und dabei nichts als Champagner im Kopf zu haben scheinen.
Eine absolute
Ausnahmeerscheinung ist der Vampir Lord Akeldama, der bei Lord Maccon
für regelrechte Eifersuchtsausbrüche sorgt, sobald sich Alexia mit
dem extravaganten Blutsauger trifft. Akeldama ist ein Fop erster
Güte, der in seiner Art sich zu kleiden und zu gebären direkt den
Restoration Comedies des 17. und 18. Jahrhunderts entsprungen sein
könnte. Und er macht keinen Hehl daraus, dass er sich gerne mit jungen
männlichen Künstlern umgibt, die ihm jeden Wunsch von den Lippen
ablesen.
Das Techtelmechtel zwischen Alexia und
Lord Maccon, das schon nach knapp 100 Seiten den ersten glimmenden
Höhepunkt erreicht, mündet in ein zu erwartendes Happy End. Bis es
soweit ist müssen nicht nur gesellschaftliche Konventionen und
Anstand gewahrt bleiben. Immerhin gibt es da noch eine weitere
Partei, die an Alexia und den Londoner Übernatürlichen ein ganz
eigenes Interesse hat und geheime Pläne verfolgt. Hierbei kommt die
Spannung nicht zu kurz, denn die junge Frau gerät zusammen mit den
beiden ungleichen Lords in Lebensgefahr. Somit kann der Auftaktband
am Ende auch als alleinstehender Roman überzeugen, der durch Witz,
Charme, einer Überdosis Tee und viel Gefühl geprägt ist.
Fazit:
„Glühende Dunkelheit“ ist ein
witziger Streifzug durch ein fantastisches London zur Zeit Königin
Viktorias. Wer sich von Cover und Titel nicht blenden lässt wird mit
einem sehr unterhaltsamen Romandebüt belohnt, das mit viel Humor,
tollen Figuren und einem ironischen Blick auf die viktorianischen
Sitten punkten kann. Ein Pageturner, der zum Reinschauen einlädt!
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Gail Carriger
Glühende Dunkelheit
Soulless (The Parasol Protectorate #1)
Übersetzer: Anita Nirschl
Erscheinungsjahr: 2011
Autor der Besprechung:
Sonja Stöhr
Verlag:
Blanvalet
Preis: € 9,99
ISBN: 978-3-442-37649-0
416 Seiten
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