Der letzte Mad Man
Story:
Madison Avenue, New York. Hier arbeiten
sie, die Mad Men genannten Angestellten der großen und kleinen
Werbeagenturen, die am laufenden Band Kampagnen für die mehr oder
weniger bekannten amerikanischen Firmen produzieren. Wie genau es
hinter den Kulissen aussieht und was an den Gerüchten aus der
Branche dran ist, erzählt einer von ihnen: Jerry Della Femina.
Meinung:
„Mad Men“ zählt zu den
herausragendsten Serien unserer Zeit. Die seit 2007 erscheinenden
Episoden um eine fiktive Werbeagentur im New York der 1960er Jahre,
dem genial kreativen Don Draper und seinem Team, haben längst auch
außerhalb der USA Kultstatus erreicht. Die Macher hinter der
TV-Serie haben einen Berater an ihrer Seite, der nicht nur die Zeit
unmittelbar miterlebte, sondern bereits 1970 ein Buch
veröffentlichte, das detailliert die geheimnisumwobene Werbebranche
durchleuchtet.
Jerry Della Feminas Erinnerungen „From Those
Wonderful Folks Who Gave You Pearl Harbor. Front-Line Dispatches from
the Advertising War“ wurde in den USA zum Kultbuch und erschien
bereits 1971 unter dem Titel „Flauschig weich wird selbst die
Leiche. Frontberichte aus dem Werbekrieg“ in deutscher Übersetzung.
Im Zuge der allgemeinen Popularität der TV-Serie „Mad Men“ wird
dder Band nun in mehreren Ländern neu aufgelegt. Mit einem neuen
Vorwort des Werbefachmanns und Restaurators ausgestattet, ist „Der
Letzte Mad Man. Bekenntnisse eines Werbers“ seit April 2011 im
Berliner Taschenbuch Verlag erhältlich.
„Die echten Mad Men sind alle tot.“
Mit dieser Feststellung konfrontiert Della Femina seine Leser gleich
in dem aus dem Jahr 2010 stammenden Vorwort. Eine sehr unrühmliche,
wenn auch nachvollziehbare Aussage. Wer auch nur eine Folge der Serie
„Mad Men“ gesehen hat, weiß schon vorher, woran diese Männer
zugrunde gingen, die die Werbebranche prägten: Sex, Drugs and
Rock'n'Roll. Oftmals befinden sich unter den „Drugs“ auch jene
Produkte, für die sie selbst die Kampagnen erstellten: von den
geliebten aber schon damals als gesundheitsschädlich angesehenen
Zigaretten bis hin zum sündhaft teuren Whisky. Und dabei, so Della
Femina, komme die TV-Darstellung des regen Treibens in- und außerhalb
des Büros noch lange nicht an die Realität heran.
Auf den folgenden knapp 300 Seiten gibt
der in Brooklyn geborene Werber einen detaillierten Einblick in die
Arbeit der Branche und den Büroalltag. Dabei wird schnell klar, dass
das von den Menschen vorgestellte glamouröse Leben in Wahrheit nicht
immer ein Zuckerschlecken ist. Della Femina betrachtet alle Ebenen
der Agenturen, vom Einsteiger mit einem Jahresgehalt von unter 10.000
Dollar bis hin zum Senior, der schon einmal über 100.000 Dollar im
Jahr verdient. Ein Traumverdienst, der viele junge und kreative
Menschen magisch anzieht. Egal ob Kontakter, Texter oder Kreativer,
so schnell wie sie für ihre Erfolge gefeiert werden, so schnell
können sie auch wieder auf der Straße landen und mit ihren Mappen
von Agentur zu Agentur tingeln, um erneut eine Anstellung auf dem
hart umkämpften Markt zu finden.
Natürlich ist das Leben eines Werbers
nicht nur von Druck und Ängsten bestimmt, auch wenn die Angst, einen
Etat oder gar sein Talent zu verlieren, ein nicht zu unterschätzender
Motor für die Arbeit ist. Wie schnelllebig die Geschäfte auf der
Madison Avenue laufen wird immer wieder deutlich. Della Femina
erwähnt nicht nur die jungen Leute, die frischen Schwung mit sich
bringen und dadurch einige „alte Hasen“ mit gerade einmal 40
Jahren aus dem Job drängen. Auch Aufstieg und Fall von Agenturen und
Werbern findet hier ihren Platz, genauso wie der ewige Kampf zwischen
den Kreativen und nicht kreativen Mitgliedern der Agenturen. So
nüchtern dies auch klingen mag, der Humor kommt nicht zu kurz. Della
Femina weiß von Anekdoten zu berichten, die durchblicken lassen,
warum die Macher von „Mad Men“ sein Buch zur Grundlage ihrer
Erfolgsserie machten: Vom Strip-Poker im Büro, über Männer, die
ihre Schreibtische so vor die Fenster platzieren, dass sie die Damen
im Gebäude gegenüber beobachten konnten, verrückten Fotomodellen,
bis hin zu sogenannten Review-Meetings, die die Qualität sichern
sollen, sich aber als einmaliger Flop erweisen.
„Der letzte Mad Man“ bietet einen
interessanten Einblick in die Welt der Werber. Das sehr in seiner
Zeit verhaftete Buch zeigt eine Momentaufnahme einer Branche, die
sich im Umbruch befand und den amerikanischen Traum den Menschen
näher brachte – und auch heute noch näher bringt. Dennoch stellt sich die Frage, ob Della
Feminas Buch erneut aufgelegt worden wäre, hätte „Mad Men“
nicht diesen weltweiten Erfolg vorzuweisen. So informativ dieser
Insiderbericht auch ist, so sehr ist er doch auf eine enge Zielgruppe
zugeschnitten. Damals zählten dazu u. a. die Bewohner New Yorks, die
von den Mad Men fasziniert waren. Heute dürften es vor allem die
Fans der TV-Serie und Menschen sein, die sich für die Branche
interessieren.
Wer sich für
die Serie „Mad Men“ interessiert oder selbst Mitarbeiter einer
Agentur ist, wird das Buch nur selten aus der Hand legen. Sofern man
sich daran gewöhnt hat, dass Della Femina einem mit den Namen von
Agenturen und Werbefachleuten fast erschlägt und die damaligen
Werbekampagnen nicht vielen geläufig sind, hat man auch als
Gelegenheitsleser ein nettes Buch für zwischendurch gefunden.
Fazit:
Jerry Della Feminas „Der letzte Mad
Man“ ist eine unterhaltsame Tour durch die amerikanische
Werbebranche der 1960er Jahre und bildet eine prima Ergänzung zu der
preisgekrönten Fernsehserie „Mad Men“
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