Endzeit
Story:
Die 16-jährige Bethany hat ihre Mutter umgebracht und behauptet, sie könne Naturkatastrophen vorhersehen. Ihrer Psychotherapeutin Gabrielle Fox fällt es schwer, ihr dies zu glauben. Doch dann, als einige Vorhersagen eintreffen, beginnt sie ihre Meinung zu ändern. Geschieht dies rechtzeitig?
Meinung:
Ein recht gängiger Witz lautet, dass wenn Jesus heute auf Erden wandeln würde, man ihn sofort ins Irrenhaus stecken würde. Im heutigen, so säkularen Europa, sieht man einfach übermäßige religiöse Äußerungen und Prophezeiungen mit einer gehörigen Portion Skepsis. Doch was wäre, wenn nun jemand Vorhersagen machen würde, die zutreffen? Was, wenn diese Person anfängt, den Weltuntergang vorauszusehen? Würde man ihr glauben?
Mit diesem Dilemma beschäftigt sich die Autorin Liz Jensen in ihrem Roman "Endzeit". Die Britin ist die Tochter eines Dänen und einer Marokkanerin. Sie wurde in Oxfordshire geboren, arbeitete eine Zeitlang als Journalistin bei Funk und Fernsehen, ehe sie 1987 nach Frankreich zog. Dort übte sie zusätzlich eine Tätigkeit als Bildhauerin aus, ehe sie damit anfing, zu schreiben. Heute lebt sie verheiratet in London. Von ihren Werken sind bereits einige hierzulande erschienen, unter anderem ihr Debüt-Roman "Eiertanz".
Gabrielle Fox ist Psychotherapeutin, spezialisiert auf kreative Arbeit. Nachdem sie bei einem Autounfall ihr ungeborenes Kind, ihren Liebhaber und die Fähigkeit zu laufen verloren hat, drängt sie mit aller Macht zurück in ihren Job. Sie wird der Oxsmith Adolescent Secure Psychatric Hospital zugeteilt, einem Institut, in dem die hundert gefährlichsten Kinder der Welt leben. Zu diesen gehört auch Bethany, die ihre Mutter auf besonders grausame Art und Weise umgebracht hat.
Gabrielles Patientin ist grausam und manipulativ. Sie behauptet, sie könne Katastrophen vorhersagen. Zuerst tut die Psychotherapeutin dies als Symptom der Krankheit ihrer Patientin ab. Doch dann bemerkt sie, wie die Vorhersagen des Mädchens zutreffen, und zwar mit beängstigender Genauigkeit. Sie beginnt über die Vergangenheit ihrer Patientin nachzuforschen und als sie von Bethany erfährt, dass bald eine gigantische Katastrophe die Welt bedroht, will sie alle warnen. Doch kaum einer will ihr Glauben schenken, bis sie einen Verbündeten in dem Physiker Frazer Melville findet, der sich gleichzeitig in sie verliebt. Gemeinsam wollen sie die Welt über Bethanys Prophezeiung informieren, auch wenn keiner ihnen Glauben schenken mag.
Als Protagonistin ist Gabrielle Fox eine ungewöhnliche Wahl. Es gibt nur wenig Helden, die auf ewig an den Rollstuhl gefesselt sind. Die meisten Autoren bevorzugen Figuren, die physisch aktiv sein können und ohne Probleme von einem Ort an den anderen gelangen können. In Kombination mit ihrem Beruf macht dies Gabrielle Fox zu einem höchst interessanten Charakter.
Dies trifft auch auf die Umgebung zu, die Liz Jensen als Handlungsschauplatz gewählt hat. Es ist ein England in der nahen Zukunft. Die Olympischen Spiele von 2012 sind vorbei, aber noch längst nicht so vergangen, dass sie eine bloße Erinnerung sind. Die Insel leidet unter dem Klimawandel und der Glaube an Gott, der alles wieder richten wird, ist sehr stark. Dies ist eine unheimliche Vision, die die Autorin vor dem inneren Auge des Lesers erweckt. Und im Laufe des Romans steigert sich das Unbehagen sogar noch, als alles darauf hindeutet, dass die große Katastrophe, die Bethany vorhersagt, wohl durch Menschenhand ausgelöst wird.
Doch ausgerechnet die Rolle des allwissenden Mädchens ist der Autorin sehr misslungen. Bethany wird die ganze Zeit als abstoßend und rebellisch dargestellt. Sie ist süchtig nach Elektroschocks und unberechenbar. Doch darüber hinaus erfährt man fast nichts über ihren Charakter. Es ist unbekannt, woher sie ihre Prophezeiungen hat, und was der Grund für ihren Mord an ihrer Mutter ist, lässt sich erahnen, als man erfährt, dass ihr Vater der Anführer der Glaubenswelle ist.
Aber auch Gabrielle Fox kann nicht überzeugen. Es ist klar, dass so ein Unfall, wie sie ihn hatte, einen dramatisch verändert. Doch die Autorin stellt sie als wehleidig und mental absolut nicht gefestigt dar. Es ist verwunderlich, wieso diese Frau es geschafft hat, wieder in ihren Beruf zu gelangen, obwohl ihre persönlichen, seelischen Probleme so offensichtlich sind.
Überhaupt ist die Stimmung des gesamten Romans sehr negativ geworden. Da lernt Gabrielle mit Frazer jemanden kennen, der sie anscheinend trotz ihres Handycaps liebt, nur um dann festzustellen, dass er sie anscheinend betrügt. Die vorherige Therapeutin von Bethany hat Krebs und wird für verrückt erklärt. Und die gesamte Gesellschaft wirkt sehr ich-bezogen, so dass die finale Katastrophe, so denn sie passiert, wie eine Strafe wirkt.
Man hätte sicherlich mehr aus dem Roman machen können. So ist er "Nur für Fans" geeignet.
Fazit:
In "Endzeit" wählt die Autorin Liz Jensen eine ungewöhnliche Protagonistin und einen Handlungsort, der zwar in der Zukunft liegt, aber immer noch nahe genug an der Gegenwart. Doch ansonsten kann der Roman nicht überzeugen, da Bethany, das allwissende Mädchen, kaum charakterisiert wird und Gabrielle Fox zu wehleidig wirkt. So ist das Buch nicht überzeugend.
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