The Pornstars Project
Story:
Jens Brüggemann wirft einen Blick hinter die Kulissen der europäischen Pornoindustrie: Um Fotos für Vermarktungs- und Werbematerialen zu schießen, begleitet der Spezialist für Beauty-, Mode-, Erotik- und Aktfotografie zwei Pornodrehs mit der Kamera. Während dieser Auftragsarbeiten, bei der er die Models am Set vor ihren Szenen in "voller Montur" knipsen sollte, kam die Idee für das "Pornstars Project": Der Bildband zeigt rund 30 internationale Darstellerinnen aus dem Bereich der Erwachsenenunterhaltung, allesamt an den Locations abgelichtet, wo später die Filmaufnahmen entstanden.
So gelingt Brüggemann nicht nur ein schön fotografierter Bildband für Erwachsene, der erotische Szenerien mit der Kulisse eines 5-Sterne-Luxushotels und einem alten Schloss verbindet, sondern auch der Blick hinter den Glamour der Branche. Wer genau hinsieht, erkennt an den Gesichtern und Körpern die Anforderungen dieser fordernden Industrie.
Meinung:
Der Name Jens Brüggemann ging 2001 mehrfach durch die Presse, als Rennfahrer Ralf Schuhmacher rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichung erotischer Fotos seiner damaligen Lebensgefährtin Caroline Brinkmann einleitete. Die in einer früheren Zusammenarbeit mit dem Fotografen entstandenen Aufnahmen sollten möglichst ohne Aufsehen von der Bildfläche verschwinden. Erfolglos: Die Boulevardpresse stürzte sich - wie so oft - auf den Fall. Am Ende bekam Brüggemann recht und konnte alle Vorwürfe von sich weisen. Unbeeindruckt von diesem Vorfall arbeitete der 43-jährige weiter im Aktbereich, andere Fotografie-Bereiche gehören jedoch weiter zum festen Bestandteil seiner Arbeiten.
Wie er im persönlich verfassten Vorwort berichtet, hatte der in Düsseldorf lebende Fotograf zwar Erfahrungen mit Aktfotografie sammeln können, die Pornoindustrie war ihm bis dato jedoch fremd. Dies sollte sich ändern, als er das Angebot erhielt, einen entsprechenden Filmdreh zu begleiten, in dessen Verlauf die Idee zum "Pornstars Project" reifte. Brüggemann fertigte neben den in Auftrag gegebenen Fotos für Promotion- und Vermarktungszwecke seinerseits Portraits der Modells an, die nun zum Gegenstand dieses Bildbandes wurden.
Das Konzept, die Frauen an den "Handlungsorten" der Filme abzulichten, verfolgt das Ziel, die Körper in Kontext zum Werk zu stellen. Die Locations - ein luxuriöses Hotel und ein edles Schloss - bieten ihre optischen Reize, die Brüggemann gekonnt mit den Körpern seiner Models vereint. Bei seinen Fotografien handelt es sich um erotische Arbeiten, die zweifachen Sinn ergeben: Der primäre Betrachtungszweck dient dem Erfassen des Gezeigten als erotische Abbildung. Wer jedoch hinter das Offensichtliche blickt, kann in den Bildern ansatzweise die versprochenen Einsichten in das Business der Pornoindustrie erkennen.
Allerdings geschieht dies vorwiegend auf sekundärer Ebene: Wie der Einband verspricht, handelt es sich bei "The Pornstars Project" um eine "photographic insight into the pornbusiness". Da das Buch die Ebene des Visuellen nicht verlässt und weitestgehend ohne Text bleibt, muss der Leser seine Schlüsse auf Basis der Fotografien ziehen. Das zwar ausführliche Vorwort Brüggemanns schafft zwar die Erläuterung des Rahmens, indem die vorliegenden Aufnahmen entstanden, aber ein erklärender Ansatz findet sich nicht. Nun handelt es sich beim vorliegenden Produkt um einen Bildband und weniger um ein dokumentarisches Produkt, von dem Erklärendes erwartet werden könnte. Dennoch wäre ein analysierender Textteil eine Bereicherung für den vorliegenden Band gewesen, der in seiner jetzigen Form zwar durchaus als gelungen bezeichnet werden kann und dem planmäßigen Konzept entspricht, aber hinter seinen Möglichkeiten bleibt. In diesem Kontext sei Timothy Greenfield-Sanders "XXX - 30 Pornostars im Portrait" erwähnt, der ähnliche Abbildungen sowohl mit Fachtexten als auch Berichten einzelner aktiver wie passiver Akteure mischt. Ein Band, der sich als hochgradig informatives Gesamtwerk beweist.
Wer jedoch genau hinsieht und sich mit dem Gezeigten auseinandersetzt, wird auch ohne begleitenden Text feststellen, welche Standards dieser Geschäftsbereich von den weiblichen Akteuren fordert. Vielen Körpern sieht man an, dass der Natur mal mehr, mal weniger unter die Arme gegriffen wurde. Die Sichtweise des Fotografen beschränkt sich erfreulicherweise nicht bloß auf das Zeigen der Körper, sondern versucht vehement die Persönlichkeit hinter der Fassade hervorzuholen, wobei es sich nicht immer um künstlich erzeugte Schauseiten handeln muss. Die abgelichteten Models sind erfahren und blicken stets professionell in Brüggemanns Kamera. Und genau in diesen Ansichten liegt der Subtext verborgen: Der Fotokünstler kitzelt häufig mehr als ein Standardgesicht mit den bekannten Ausdrücken aus den Frauen. Dann verraten die Bilder mehr als die weiblichen Körper und wandern ab vom bloßen Ansehen.
Viele der Abbildungen zeugen jedoch auch von der ursprünglichen Intention des Fotoshootings, der Entstehung von Promotionmaterial für eine Porno-Produktionsfirma. Daher können nicht alle Illustrationen unter künstlerischem Aspekt gesehen werden, einige Aufnahmen zeigen porno-typische Ansichten von Frauen als Blickobjekt und reduzieren das Model auf die bekannten Attribute. Dies spiegelt sich zudem in der teilweise expliziten Freizügigkeit. Brüggemanns Arbeiten zeigen im Übrigen ausschließlich die weiblichen Protagonistinnen einzeln, in vom Fotografen bestimmten Posen. Es werden weder Szenen aus den Filmen abgebildet, an deren Set der Band entstanden ist, noch sind die Darsteller oder pornographische Inhalte zu sehen. Das Buch hält daher der Einordnung ins Fotokunst-Genre stand und entfernt sich weitestgehend vom Pornografischen.
Im Rahmen des Bandes werden überwiegend europäische Akteurinnen gezeigt und vorgestellt. Andere Dokumentarfilme oder Bände beschäftigen sich weitestgehend mit dem US-Markt, der bereits Züge eines Star-Systems aufweist und enorme finanzielle Möglichkeiten für alle Beteiligten bietet. Brüggemann und das "Pornstars Project" verbleiben sowohl was die Models als auch die Locations betrifft, in hiesigen Gefilden. Das die Damen weniger bekannte Namen tragen und die finanziellen Möglichkeiten sicher unter dem Niveau des amerikanischen Industriezweigs liegen, ist dem Band und seinen Models nicht anzusehen. Vielmehr beweist dies Europa als ernstzunehmende Produktionsstätte, die durch anspruchsvolle Akteure wie Brüggemann, der versucht die negativen Seiten des Porno in künstlerischen Akt zu transformieren, beachtenswerten Output beisteuert, wie das vorliegende "Pornstars Project" aus der Edition Skylight.
Der Züricher Verlag hat sich in der Vergangenheit bereits als Könner im Bereich der erotischen Fotobücher beweisen. Auch "The Pornstars Project" setzt als qualitativ hervorragendes Produkt die Philosophie des Verlages um. Der Hardcovereinband erweist sich als stabil und grifffest, die gute Papierstärke hält mehrmaligem Durchblättern zweifelsfrei stand, so dass der Band in qualitativen Aspekten erneut überzeugt.
Fazit:
"The Pornstars Project" wird zunächst alle Leser interessierten, die sich mit Aktfotografie auseinandersetzen. Sekundär können Rückschlüsse auf Gegebenheiten der Branche gezogen werden, wenn eine konzentrierte Auseinandersetzung mit den Fotografien erfolgt. Jens Brüggemann gelingen sowohl schön anzusehende Bilder, die auf mehreren Ebenen interessante Merkmale aufweisen. Qualitativ ist der Band aus der Edition Skylight hervorragend verarbeitet und überzeugt.
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Jens Brüggemann
The Pornstars Project
Erscheinungsjahr: 24. Mai 2011
Autor der Besprechung:
Marcus Offermanns
Verlag:
Edition Skylight
Preis: € 29,95
ISBN: 3037666196
160 Seiten
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