Jorian-Zyklus 02: Die Uhren von Iraz
Story:
Nach den Abenteuern, von denen Der Schmetterlingsthron berichtet, trägt Ex-König Jorian seinen Kopf zwar noch auf den Schultern. Die Häscher seiner ehemaligen Garde trachten jedoch immer noch danach, das zu ändern – ist sein abgeschlagenes Haupt doch ein wichtiger Bestandteil im Ritual zur Wahl seines Nachfolgers.
Da kommt Jorian eine Bitte seines alten Freundes Karadur ganz gelegen. Den hat es in die weit entfernte Stadt Iraz zu verschlagen, wo die Parteien der Liberalen und der Konservativen einander bekämpfen. Ein Bürgerkrieg liegt in der Luft. König Ishbahar interessiert sich derweil mehr für die nächste üppige Mahlzeit als für die Regierungsgeschäfte. Zu allem Überfluss sind auch die Uhren im Turm des Kumashar stehen geblieben. Das bedeutet, wenn man einer alten Prophezeiung glaubt, großes Übel für die Stadt.
Diese Uhren hat seinerzeit Jorians Vater gebaut, und der Sohn soll sie nun wieder in Gang bringen. Davon erhofft sich Karadur einen hohen Staatsposten als Belohnung, mit dem er seine Ideen durchsetzen und viel Gutes für das Volk tun will. Und dem ehemalige König könnte sich eine Möglichkeit auftun, seine geliebte Estrildis wiederzusehen. Aber schnell muss der Abenteurer feststellen, dass es mit einer kurzen Reparatur nicht getan ist. Bald steckt er wieder Hals über Kopf in neuen Abenteuern.
Meinung:
"Der Schmetterlingsthron" konnte den Ursprung seines Autors in den Pulp-Magazinen der 1930er bis 1950er nicht verleugnen: Ein Held, dessen Fehler und Makel eher theoretischer Natur sind, gerät von einer Aventurie in die nächste und hat stets noch den rettenden Trick im Ärmel. An Charakterzeichnung und -entwicklung, intensives Erzählen oder tiefe Einsichten sollte man nicht zu große Ansprüche stellen. Im Wesentlichen gilt diese Beschreibung auch für die Fortsetzung. Auch ihr merkt man jedoch an, dass diese Merkmale wohl bewußt gewählt sind, und der Roman als Hommage an oder auch als Parodie auf Pulps gemeint ist.
Einige Unterschiede zum Vorgänger gibt es jedoch. Jorians Erlebnisse werden merklich stärker erzählt als im ersten Band, wo man oft noch eher von Schilderungen sprechen konnte. Dadurch liest sich "Die Uhren von Iraz" erheblich flüssiger. Auf der anderen Seite ist der Roman gefühlt noch kürzer als die rund fünfzig Seiten, die er weniger als sein Vorgänger auf die Waage bringt. Eine auffällig große Rolle für die damalige Zeit – das US-Original erschien immerhin bereits 1971 – spielt auch die sexuelle Leistungsfähigkeit des Helden. Um es einmal so zu formulieren, er ficht seine Kämpfe längst nicht nur mit dem Schwert aus Metall aus.
Zu Beginn steht dem Leser eine kurze Schrecksekunde bevor, wenn es den Anschein hat, als bekäme der Protagonist einen neuen Reisegefährten. Der junge Zerlik ist ein wandelndes Klischee eines von sich überaus überzeugten, aber gleichzeitig von allem Wissen und Fähigkeiten unbeleckten jungen Mannes. Der königliche Bote aus Iraz hält es für unter seiner Würde, sein Gepäck selbst zusammenzupacken und weist bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit auf seinen Status als Edelmann hin. Um ihn auch so richtig unsympathisch zu machen, lässt der Autor Zerlik dann noch seine Verwunderung über einige Ansichten Jorians äußern. Liegen dem Leben und Wohlergehen der unteren Schichten doch tatsächlich am Herzen! Hätte dieser junge Mann Jorian den gesamten Roman über begleitet, hätte das die Geduld vieler Leser auf eine ernste Probe gestellt. Aber de Camp scheint das selbst gemerkt zu haben, und so verschwindet der Nervbolzen wieder, kaum dass man in Iraz angekommen ist.
Ebenfalls wieder eine wichtige Rolle spielen Jorians Geschichten. Häufig erzählt der Held eine kleine Episode, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, sein Gegenüber zu unterhalten oder auch abzulenken. Diese "Abenteuer im Abenteuer" hätten mindestens als Basis für ein eigenes Buch dienen können. Die übersprudelnde Fantasie des Autors, die sich auch in diesen Einschüben äußert, hat jedoch einen Nachteil: Gelegentlich kommt der Leser anhand der Vielzahl von Personen, Ländern, Städten, Regierungsformen, Traditionen und so fort einfach durcheinander.
Insgesamt ist der zweite Band des Zyklus, wie schon sein Vorgänger, ein sehr kurzweiliger, wenngleich wenig gehaltvoller Lesestoff. Im letzten Viertel kommt sogar unerwartet viel Spannung auf. Von der Atmosphäre, in der de Camp die Belagerung der Stadt durch gleich vier feindliche Heere schildert, könnte sich manch anderer Fantasy-Roman eine Scheibe abschneiden. Schade, dass nicht die gesamte Trilogie in diesem Stil gehalten ist. Aber auch so ist "Die Uhren von Iraz" eine gute Wahl, wenn es um die Lektüre für eine längere Zugfahrt oder Flugreise geht. Pulp-Fans dürften ohnehin auf ihre Kosten kommen.
Fazit:
"Die Uhren von Iraz" ist flüssiger geschrieben als sein Vorgänger, kann und will aber die Abkunft von den Pulp-Magazinen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht verleugnen. Ein überaus nerviger Nebencharakter verschwindet glücklicherweise schnell wieder. Im letzten Viertel zeigt der Autor, dass er auch richtig gut erzählen kann. Schade, dass er sich damit so lange Zeit lässt.
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Lyon Sprague de Camp
Jorian-Zyklus 02: Die Uhren von Iraz
The Clocks of Iraz
Übersetzer: Thomas Schlück
Erscheinungsjahr: 1976
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
ISBN: 3-453-07938-8
208 Seiten
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