Bruder Cadfael 10: Pilger des Hasses
Story:
Im Bürgerkrieg um die Krone Englands neigt sich das Pendel immer mehr zu Gunsten von Kaiserin Maude. Ihr Rivale, König Stephen, sitzt seit der Schlacht von Lincoln in ihrem Kerker, und sie herrscht über weite Teile des Landes. Weltliche wie geistliche Herren müssen sich entscheiden, wem ihre Loyalität gelten soll. Selbst der Bruder des Königs, der Bischof und päpstliche Legat Henry von Winchester, schlägt sich vorsichtig auf die Seite der absehbareren Siegerin.
Er lädt die hohen geistlichen Würdenträger Englands zu einem Konzil ein, um die Position der Kirche zu erörtern. Auch Abt Randulfus aus dem Benediktinerkloster zu Shrewsbury reist nach Winchester. Als er zurückkehrt, berichtet er von einem grausamen Verbrechen: Ein Ritter der Kaiserin wurde in einer dunklen Gasse erstochen, als er einen Schreiber, der für König Stephen unterwegs war, vor einem Überfall rettete.
Die Mönche beten für die Seele des Ermordeten. Aber als Bruder Cadfael erfährt, wer der Lehnsherr des Toten war, will er mehr tun. Denn ein anderer Vasall des gleichen Herren steht in ganz besonderer Verbindung zu dem umtriebigen Mönch. Und bald bekommt er die Gelegenheit, in der Angelegenheit Nachforschungen anzustellen – und gleich noch einige Gründe mehr dazu...
Meinung:
Dass aus dem Bürgerkrieg Ursache und Anlass für die Geschichten, die der Detektiv in der Mönchskutte erlebt, erwachsen, ist in dieser Serie nichts ungewöhnliches. So dicht wie in "Pilger des Hasses" kam man allerdings der "großen Politik" bisher noch nie. Dieser Band kommt einem Politthriller so nahe wie kein früherer. Trotzdem schafft die Autorin es, den Roman nicht "ausufern" zu lassen. Auch wenn der Rest der Welt eine größere Rolle spielt als gewöhnlich, bleibt die Handlung weitgehend auf die vergleichsweise kleine Bühne von Shrewsbury und insbesondere des Klosters beschränkt.
Noch in anderer Hinsicht ist dieser Teil der Reihe ungewöhnlich. Die meisten anderen Bände kann man mehr oder weniger in beliebiger Reihenfolge lesen. Von den Hauptcharakteren und einigen wenigen wiederkehrenden Nebenfiguren abgesehen läuft nur gelegentlich einmal jemand, den der Leser von früher kennt, gewissermaßen kurz durchs Bild oder wird erwähnt. Diesmal aber bezieht sich die Geschichte alleine in den ersten vierzig Seiten ausführlich gleich auf drei frühere Abenteuer, von denen eines sogar regelrecht nacherzählt wird. Und ein edler Recke kehrt zurück, der für Cadfael eine ganz besondere Bedeutung hatte und hat.
Auch die Sprache unterscheidet sich von dem, was der Leser von der Serie gewohnt ist. Die Sprachbilder sind plastischer, direkter, was den Zugang zur Geschichte noch leichter macht als sonst. Auch die Hauptfigur wird deutlich weiterentwickelt. Bisher stellte Cadfael seinen moralischen Kompass und die daraus resultierenden Entscheidungen, die durchaus schon mal mit dem kodifizierten Recht und Gesetz kollidierten, praktisch nicht in Frage. Hier aber spielen die Zweifel des Mönches, ob die Heilige Winifred sein Handeln in "Im Namen der Heiligen" nicht vielleicht doch missbilligen könnte, eine markante Rolle.
Trotz den genannten Punkten bleibt "Pilger des Hasses" aber eindeutig ein Cadfael-Roman. Der Mönch hat ein Verbrechen aufzuklären und jungen, verliebten Menschen zu ihren Glück zu verhelfen. Und die Autorin setzt nach wie vor stark auf ihre stärkste Trumpfkarte, nachvollziehbar und glaubwürdig geschilderte Charaktere, von denen der Leser schlicht wissen möchte, was denn nun aus ihnen wird. Auch der Kriminalfall und seine Auflösung überzeugt.
Die Einbettung in die reale Historie ist aus den genannten Gründen logischerweise diesmal besonders detailreich ausgefallen. Das Konzil, auf dem Bischof Henry sich mehr oder weniger geschickt auf die Seite Kaiserin Maudes schlägt, hat tatsächlich stattgefunden. Und der Mord, um dessen Aufklärung es in der Geschichte geht, mag vielleicht seinen Weg nicht in die Geschichtsbücher gefunden haben, aber in der damaligen Situation hätte er durchaus so oder ähnlich geschehen können.
Es ist schwer, eine Empfehlung abzugeben, ob dieses Buch außerhalb der Reihe gelesen werden kann und sollte. Einerseits bieten die vergleichsweise weitverzweigten Verbindungen und Erklärungen zu anderen Geschichten einen guten Einstieg für neue Leser. Auf der anderen Seite tragen eben diese Verknüpfungen dazu bei, dass die Kenntnis der ersten neun Bände das Verständnis dieses zehnten doch sehr erleichtert.
In jedem Fall aber ist "Pilger des Hasses" ein guter historischer Krimi, der sich hervorragend für einen gemütlichen Schmökerabend unter der warmen Decke eignet. Die etwas größere Mühe, sich den Band auf dem Gebrauchtmarkt im Vergleich zur Buchhandlung um die Ecke zu besorgen – wie die gesamte Reihe ist auch dieser Roman leider verlagsvergriffen –, lohnt sich mit Sicherheit.
Fazit:
Ein Cadfael-Roman, der sich in einigen interessanten Aspekten von seinern Vorgängern unterscheidet. Gleichzeitig bleiben die Qualitäten der Reihe jedoch erhalten.
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Ellis Peters
Bruder Cadfael 10: Pilger des Hasses
The Pilgrim of Hate
Übersetzer: Jürgen Langowski
Erscheinungsjahr: 1989
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
ISBN: 3-453-05311-7
267 Seiten
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