Odo und Lupus 5: Pilger und Mörder
Story:
Odo und Lupus sind nach Neustrien, in das alte römisch-gallische Gebiet zwischen Loire und Schelde, zurückgekehrt. Besonders gilt ihre Aufmerksamkeit dem Territorium des Comes Magnulf, der sich schon bei der Verfolgung von Pater Diabolus als nicht gerade hilfsbereit gezeigt hat. Auch sonst scheint in seiner Grafschaft einiges im Argen zu liegen, und sein geistlicher Kollege, Bischof Pappolus, hat ebenfalls keinen guten Ruf. Die Königsboten sollen die Amtsführung der beiden genau unter die Lupe nehmen.
Pappolus werden sie jedoch nicht mehr persönlich befragen können, denn wenige Tage vor ihrer Ankunft wurde der Bischof erstochen. Schnell scheint der Täter gefunden: Ein jüdischer Händler, dem das Opfer noch eine Menge Geld schuldete. Aber Odo und Lupus haben Zweifel an seiner Schuld und tun das auch lautstark kund. Jetzt müssen sie den wahren Täter entlarven, um ihre Autorität zu bewahren.
Das erweist sich jedoch als schwieriges Unterfangen: Der Mörder ist sehr geschickt vorgegangen, und in Magnulfs und Pappolus' Amtsbereich machen sich nicht nur die Sünder die Werkzeuge des Teufels zu eigen. Auch die, oft selbsternannten, Heiligen schrecken vor kaum etwas zurück, um ihre Ziele zu erreichen. Die Königsboten drohen, zwischen den Fronten aufgerieben zu werden.
Meinung:
Mit diesem fünften Band der Abenteuer von Odo und Lupus hat Robert Gordian den sprichwörtlichen Dreh raus. Die Stärken der Serie finden sich auch bei diesem Roman, während er die Schwächen weitgehend vermeiden kann. Um so mehr ist es schade, dass nach "Pilger und Mörder" keine weiteren Bände der Reihe mehr folgten.
Erstmals kehrt der kleine Trupp in ein Gebiet zurück, das er schon früher einmal besucht hat, oder zumindest sehr in deren Nähe. Damit kann der Autor ein gewohntes Mittel zur Steigerung der Spannung nicht mehr verwenden, nämlich seine Helden in ein abgelegenes Eck des Reiches zu schicken, wo Hilfe fern und es mit dem Respekt vor Königsboten nicht weit her ist. Stattdessen nutzt er zwei andere Kunstgriffe. Zum einen gibt es in Magnulfs Herrschaftsbereich so viel aufzuräumen, dass Odo und Lupus der "eigentliche" Kriminalfall des Buches, nämlich der Bischofsmord, fast aus den Augen verlieren. Und zum anderen ziehen die beiden über ein Gutteil des Buches nicht am gleichen Strang. Dadurch muss der Mönch die Ermittlungen und auch die "Actionszenen" nahezu alleine absolvieren. Da er wie stets die Geschichte erzählt, erlebt der Leser die Handlung um so intensiver als wenn er "nur" von Odos Aktionen berichten würde. Und für kurze Zeit scheint es sogar, als hätte einer der Helden die Seiten gewechselt.
Was den Kriminalfall betrifft, ist dem Autor eine gute Balance zwischen einem klassischen Whodunit und einer spannenden Abenteuergeschichte gelungen. Lange ist nicht nur unklar, ob man der Schuldigen etwas wird nachweisen können, sondern auch, wie es ihr überhaupt gelingen konnte, die Tat zu begehen. Die Konstruktion, die sich am Ende herausstellt, dürfte der ausgeklügelste Plan der gesamten Serie sein.
Die Atmosphäre ist nach wie vor sehr stimmig, der Leser kann sich während der Lektüre ohne weiteres der Illusion hingeben, er lese einen echten Bericht zweier Königsboten aus der Zeit Karls des Großen. Sehr amüsant sind die Schilderungen der verschiedenen nicht ganz so vorbildlichen lokalen Größen wie beispielsweise eine Äbtissin, die vor allem den Wein anbetet. Interessanterweise ist Helko, der Anführer des Wachtrupps, immer noch mit von der Partie, obwohl er im letzten Roman seine große Liebe gefunden hatte. Das macht einige seiner, nennen wir sie Erlebnisse in diesem Band um so bemerkenswerter.
Etwas unbeholfen wirken die Versuche des Autors, über sprachliche Eigenheiten einige der Nebenfiguren besser zu charakterisieren. Der friesische Türsteher im bischöflichen Palais etwa beendet viele seiner Sätze mit einem angehängten "ja", und der Koch stottert, wenn er nervös wird. Das gerät zu plakativ als das es wirklich funktionieren würde, und es wäre auch gar nicht notwendig. Die betreffenden Charaktere werden auch ohne diese Angewohnheiten, soweit es ihre Funktion in der Geschichte erfordert, ausreichend individuell dargestellt.
Das ist aber nur ein kleiner Kritikpunkt. Insgesamt ist Robert Gordian mit "Pilger und Mörder" ein guter historischer Kriminalroman gelungen, und auf diesem Niveau hätte die Reihe es allemal verdient gehabt weiter fortgesetzt zu werden. Leider hat uns der Autor in den letzten dreizehn Jahren, die seit dem Erscheinen dieses Bandes vergangen sind, nicht an weiteren Abenteuern von Odo und Lupus teilhaben lassen.
Fazit:
Zum Abschluss der Reihe legt Robert Gordian einen historischen Kriminalroman vor, auf dessen Niveau man gerne weitere Folgen gelesen hätte.
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Robert Gordian
Odo und Lupus 5: Pilger und Mörder
Erscheinungsjahr: 1997
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Bleicher Verlag
ISBN: 978-3883508597
215 Seiten
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