Firmin. Ein Rattenleben
Story:
Firmin kommt als kleinstes von 13 Jungen einer Rättin im Keller einer Buchhandlung zur Welt. Da seine stärkeren Geschwister ihn von den Zitzen der Mutter verdrängen, hält er sich mehr schlecht als recht mit dem am Leben, woraus die Mutter ihr Nest gebaut hat: Den Seiten eines dicken Buches.
Und so verschlingt Firmin dieses und andere Bücher – erst wortwörtlich, dann mehr und mehr im übertragenen Sinne. Denn er beginnt die Buchstaben auf dem Papier zu verstehen, und so mausert sich die Ratte zu einem Literaturliebhaber. Er, der glaubt als Ratte keinen Stich zu taugen, träumt sich in die Welt der Menschen.
Meinung:
Sam Savage hat keinen lustigen Roman geschrieben. Die Geschichte von Firmin ist eine traurige Geschichte, und eine nicht leicht zugängliche obendrein. Zu Beginn des Buches wirkt der Ich-Erzähler wie ein selbsternannter Intellektueller, der im Selbstmitleid ertrinkt. Ihm geht es so schlecht, er hat so viele Mängel an Gestalt und Charakter, und alle rattennaslang wird ein großer Dichter oder Denker zitiert. Man könnte in Versuchung kommen, das Buch mit diesem Fazi beiseite zu legen.
Spätestens ab der Hälfte merkt man jedoch, dass man Firmin vielleicht nicht gerade liebgewonnen hat, aber es interessiert einen doch, was aus ihm wird. Außerdem schafft es Savage, immer wieder Sätze und Formulierungen zu verwenden, die der Leser am liebsten in den eigenen Zitatefundus aufnehmen würde. Allein "Auf Wiedersehen Reißverschluß" –
das einzige, was der zwar redselige, aber nicht mit geeigneten Stimmbändern ausgestattete Firmin in Gebärdensprache zu stande bringt – wohnt eine enorme Symbolkraft, eine enorme Sehnsucht inne.
"Firmin. Ein Rattenleben" ist sicher kein Buch für den Gelegenheitsleser. Wer aber Interesse oder wenigstens Geduld für eine weitgehend gescheiterte Existenz, einen vielleicht verkannten Außenseiter aufbringen kann, könnte an seinen Erlebnissen und Gedanken Gefallen finden.
Das angenagt erscheinende Frontcover ist übrigens bewußt so gestaltet.
Fazit:
Ein zunächst recht unzugängliches Buch, aber für das Schicksal des Ich-Erzählers interessiert man sich im Laufe der Seiten dann doch. Eine gescheiterte Ratte sucht Zuflucht in der Literatur und der Welt der Menschen.
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Sam Savage
Firmin. Ein Rattenleben
Firmin. Adventures of a Metropolitan Lowlife
Übersetzer: Susanne Aeckerle, Marion Balkenhof und Hermann Gieselbusch mit Katrin Fieber
Erscheinungsjahr: 2009
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
List
Preis: € 8,95
ISBN: 978-3548609218
216 Seiten
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