Eine Jungfrau zu viel
Story:
Früher hätte Marcus Didius Falco eine junge, hübsche, weibliche Klientin nicht einfach abgewiesen. Inzwischen ist der frühere Privatermittler jedoch nicht nur glücklich verheiratet, sondern auch offiziell zum Hüter der Heiligen Gänse auf dem Kapitol ernannt worden. Außerdem ist diese spezielle Klientin gerade mal sechs Jahre alt.
Die kleine Gaia fürchtet, dass jemand aus ihrer Familie sie umbringen will. Falco hält das für Ausgeburten kindlicher Phantasie und schickt das Mädchen nach Hause. Bald aber zeigt sich, dass er damit vielleicht zu voreilig gehandelt hat: Gaia stammt aus einer alten Priesterfamilie, und ist selbst aussichtsreiche Anwärterin auf einen Platz unter den Priesterinnen der Göttin Vesta. Kurz vor der Zeremonie, bei der die nächste Vestalische Jungfrau ausgewählt werden soll, verschwindet das kleine Mädchen. Falco wird offiziell mit der Suche beauftragt und stößt hinter der Fassade der ehrwürdigen Familie auf einige sorgsam gehütete schmutzige Geheimnisse. Hat eines dieser Geheimnisse die kleine Gaia das Leben gekostet? Und was hat es mit der Leiche auf sich, die Falcos Schwager Aelianus bei einer anderen religiösen Zeremonie entdeckt hat – und die kurz darauf spurlos verschwunden ist?
Meinung:
„Eine Jungfrau zu viel“ ist ein typischer Falco-Roman. Wie schon in den zehn vorhergehenden Romanen schnoddert sich der Privatermittler – nach außen rau, aber mit goldenem Kern – in bester Bogart-Manier durch das Rom der Kaiserzeit. Dabei stößt er auf Geheimnisse und Machenschaften der doch nicht so feinen Oberschicht, bis hinauf zu Kaiser Vespasian und seinen Söhnen Titus und Domitian.
Die Autorin zeichnet dabei ein lebendiges und farbenprächtiges Bild des antiken Rom, das nur wenig mit dem ehrwürdigen Marmor-Duktus, das wir aus Museum und Geschichtsunterricht kennen, zu tun hat. Manchmal schießen die Vorurteile etwas ins Kraut, wenn beispielsweise ein Oberpriester auch nach seiner Pensionierung nicht von Amt und Würden lassen kann, aber vor der Unverschämtheit von Bauarbeitern kuscht. Aber insgesamt sind die Hauptfiguren und auch die überwiegende Mehrzahl der Nebencharaktere dreidimensional und nicht nur Abziehbilder von Klischees.
Die Geschichte ist spannend erzählt, speziell die Suche nach der verschwundenen Gaia. Die Aufklärung des Mordes tritt dabei eher in den Hintergrund, Falco stößt während der Suche fast schon beiläufig auf die Lösung. Aber auch die Geschehnisse in Falcos Privatleben und Familie nehmen einen ordentlichen Teil der Handlung ein. Nicht zuletzt deshalb sei Falco-Novizen geraten, nicht mittendrin in die Serie einzusteigen, sondern lieber mit dem ersten Roman zu beginnen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass man die über zehn Romane hinweg etablierten und weiterentwickelten Beziehungen zwischen Falco, Helena, beider Familien und Freunde nicht ganz nachvollziehen kann.
Fazit:
Ein weiterer Fall für den Privatermittler Marcus Didius Falco im Rom Kaiser Vespasians. Wer die vorherigen Romane mochte, wird auch an „Eine Jungfrau zuviel“ seine Freude haben. Wer mit Falcos ersten Abenteuern dagegen schon nichts anfangen konnte, wird wohl auch durch diesen Roman nicht überzeugt werden.
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Lindsey Davis
Eine Jungfrau zu viel
One Virgin Too Many
Übersetzer: Susanne Aeckerle
Erscheinungsjahr: 2004
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Knaur
Preis: € 8,90
ISBN: 3-426-62674-8
395 Seiten
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