Iman
Story:
Was bringt einen Menschen dazu, seine Heimat zu verlassen, um in ein anderes Land zu flüchten? Was steckt hinter diesen Personen? Wie war ihr Leben?
Meinung:
Man redet immer von "den Flüchtlingen". Dadurch verkommen die Einzelschicksale zu einer anonymen Masse. Was hinter solchen Menschen steckt, darüber schreibt Ryad Assani-Razaki in seinem Roman "Iman".
Der Autor wurde 1981 in Benin geboren. Er wanderte 2004 nach Québec aus und studierte Informatik. Er arbeitet seitdem bei großen Computerfirmen in Toronto und Montreal. "Iman" ist sein Debütroman.
In einem unbekannten, afrikanischen Land überkreuzen sich die Schicksale dreier Straßenkinder. Sie alle haben bereits ein hartes Leben hinter sich. Und bemühen sich doch, gemeinsam eben diese zu überstehen.
Viele Jahre lang halten sie zusammen. Doch dann bricht der innere Zusammenhang langsam zusammen. Eine Frau ist Ursache dafür. Gleichzeitig geht ihre Heimat allerdings schon vor die Hunde, da die gesellschaftliche Ordnung an Gültigkeit verliert. Schon bald müssen sich die drei entscheiden, ob sie in ihrem Land bleiben wollen, oder fliehen wollen.
"Iman" ist ein Roman, der einem unter die Haut geht. Ein Roman, dessen handlungstragende Charaktere einem nicht egal sind. Ein Roman, der passend zur aktuellen Flüchtlingskrise herauskommt, auch wenn er schon etwas älter ist.
Razaki nimmt sich dabei die Zeit, die Figuren einzuführen. Er konzentriert sich dabei nicht nur auf die Hauptcharaktere. Ebenso stellt er auch die Nebenhandlungsträger vor. Das kann auf dem ersten Blick gewöhnungsbedürftig sein, wenn man zuerst die Mutter von der Titelfigur ausführlich kennenlernt, ehe dann der Titelcharakter selber in den Mittelpunkt des Geschehens rückt.
Es ist gewöhnungsbedürftig. Aber es trägt auch dazu bei, dass die Welt, in der der Roman stattfindet, lebendig wirkt. Man merkt, dass man es hier mit realistischen Charakteren zu tun hat. Von denen jeder seine eigene Bedürfnisse hat.
Ryad Assani-Razaki lässt die Handlung in einem afrikanischen Land stattfinden. Er verzichtet dabei, es konkret zu benennen. Was aber auch gut ist, da so dieser Staat als Stellvertreter für all diejenigen gelten kann, wie es sie auf dem Kontinent zur Genüge gibt. Zunächst hoffnungsfroh in die Demokratie entlassen, beginnen schon sehr bald die Dinge aus dem Ruder zu laufen. Und die unschuldigen Menschen geraten zwischen die Fronten. Dieser Verlauf wird von dem Autor glaubwürdig dargestellt.
Interessant ist die Sichtweise auf die Religion. Imans Mutter wird ausführlich dargestellt und ein Merkmal ist ihre große Religiosität, die zunächst positiv wirkt. Das wechselt dann allerdings, als ihr Sohn seine Sicht der Dinge erklärt. Auf einmal wird diese starke Zuwendung zum Islam negativ angesehen und auch einige Beispiele dafür gebracht. Welche Sicht die richtige ist? Diese Frage beantwortet der Autor nicht.
Man könnte meinen, dass der Schriftsteller langatmig schreibt, da er sich so viel den Sichtweisen vieler scheinbar nebensächlicher Figuren widmet. Doch in Wahrheit hat dies seinen Sinn und Zweck. Denn erst durch diesen langen Aufbau werden seine wichtigsten Protagonisten so lebendig, wie man sie in dem Roman liest. Es handelt sich um lebendige Charaktere, die einem nahe gehen. Deren Schicksal einem nicht egal ist. Und die deshalb auch dafür sorgen, dass man vielleicht ansatzweise verstehen kann, was Menschen dazu treibt, ihre Heimat zu verlassen.
Deshalb ist dieser Roman ein "Klassiker" und ein "Splashhit".
Fazit:
"Iman" ist Ryad Assaini-Razakis Debütroman. Und der Autor hat sich ein Thema ausgesucht, dass einem am Herzen liegt. Er schildert, was Menschen dazu bringt, aus ihrer Heimat zu fliehen. Dazu schildert er die Erlebnisse seiner Protagonisten aus einem afrikanischen Staat, der quasi stellvertretend für all die anderen steht, die im Laufe der Zeit gescheitert sind. Seine Charaktere sind lebendig und das Thema Religion wird vielschichtig und interessant dargestellt. Definitiv ein Roman, den man sich holen sollte.
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