Miss Jemimas Journal: Mit Thomas Cook auf der ersten Reise in die Schweizer Alpen
Story:
Die erste Pauschalreise durch die Schweizer Alpen, geführt von Thomas Cook, geht von London über Genf, auf den Montblanc, weiter durch die westlichen Alpen bis ins Berner Oberland mit Interlaken und Luzern in die Wallis und über Dijon, zurück nach Paris und London. Eine Mitreisende führte Tagebuch über die Erlebnisse der Reisegruppe. Sie reisten per Postkutsche, Schiff oder auch zu Fuß, mit Bergführern, die sich auf die Reisenden stürzten. Vor 150 Jahren war Reisen anders als heute. In ihrem Tagebuch erzählt Miss Jemina von den Schönheiten einer Reise durch die Schweiz, die heute nicht viel anders sind als im 19 Jahrhundert.
Meinung:
Miss Jemina befindet sich mit dem von ihr mitgegründeten Junior United Alpine Club (nicht zu verwechseln mit dem "Londoner Alpine Club", da waren damals keine Frauen zugelassen) auf der ersten Pauschalreise mit Thomas Cook durch die Schweizer Alpen. Die damals 31jährige war schon als Kind oft verreist und eine Liebe zum Entdecken neuer Landstriche findet man auch in diesem Buch. Die Tochter einer wohlhabenden Familie heiratete danach, bekam einen Sohn und wurde 77 Jahre alt. Das Buch wurde erst Jahrzehnte nach ihrem Tod gefunden.
"Die Gefahren der Alpentouristik lassen sich in zwei Kategorien unterteilen, die realen und die imaginierten, und im Rückblick sollte sich erweisen, dass die unseren allesamt zu den Letzteren zählten."
Die Autorin beginnt ihren Bericht mit Ironie und beendet ihn auch damit. Diese Selbstironie macht den Bericht lesenswert und zeugt von dem britischen Humor der Autorin. Das knapp 150 Seiten lange Buch ist einfach und flüssig zu lesen. Sodass die Sprache trotz Übersetzung und ca. 150 Jahre Zeitunterschied leicht zu verstehen ist. Dabei lässt sich Jemina mit Klugheit, Bildung und spitzer Zunge über Land und Mitreisende aus.
Sie beschreibt die Landschaft und die Natur, aber genauso die Menschen die dort leben, wie auch jene die sie auf ihrer Reise trifft. Dabei liefert sie ausführliche Beschreibungen und der Leser bekommt ein Bild von der Schweiz und ihren Gepflogenheiten, über welche die Autorin sich immer wieder amüsiert, bevor es Zahnradbahnen auf jeden Berg gab und der Eiger noch nicht bestiegen war. Sie beschreibt ihre Liebe zur Landschaft und würzt ihre Kommentare mit Zitaten anderer Reiseberichte über die Schweiz. Dadurch wirkt das Buch lebhaft und detailreich.
Besonders beeindruckend ist die Disziplin, die diese Reisegruppe an den Tag legt. Sie stehen um vier Uhr morgens auf (teilweise um drei Uhr, um einen Sonnenaufgang zu bewundern) und beginnen zu wandern, irgendwo hinzureisen oder noch schnell eine lokale Sehenswürdigkeit zu erkunden bevor sie in den Tag starten. Nach einem anstrengenden Tag kommen sie meistens zu spät zum Abendessen in einem Hotel an. Nach einer kleinen Mahlzeit haben sie aber immer noch Kraft und Lust schnell die nächste Kirche oder Wasserfall zu besichtigen.
Als Zusatz gibt es ein Vorwort von dem Autor Andreas Lesti ("Oben ist besser als unten"), der sich auf Spurensuche der Reisegruppe um Miss Morrell begab und eine ähnliche Route wie sie durch die Schweizer Alpen reist um einen Hinweis zu finden. Er beschreibt humorvoll welche Strapazen diese Menschen auf sich nahmen und wie schwer es ist noch ein Dokument aus der Zeit zu finden.
Fazit:
Ist das Buch lesenswert? Ja und Nein. Es ist ein Reisebericht und dazu noch ein historischer, der so nie veröffentlicht werden sollte. Es ist ein stumpfer, aber ironischer Tatsachenbericht. Eben kein romantischer Alpenroman, kein packender Bergsteigerepos oder spannender Hochgebirgsthriller. Dennoch ist es ein wunderschönes Buch, besonders wenn man selbst eine Reise in die Schweiz plant.
|