1815 Blutfrieden
Story:
Am 19. Oktober 1813 endet die Völkerschlacht bei Leipzig. Hunderttausende finden den Tod in den Schlachtfeldern rund um die Stadt. Napoleon scheint besiegt. Doch die Folgen sind verheerend. Die Stadt ist verwüstet und Typhus breitet sich aus. Im Lazarett in der Thomaskirche arbeitet die 17jährige Henriette Gerlach und pflegt Verwundete jeglicher Nation. Sie ist alleine in der Stadt nachdem sie aus dem Haus ihres Vormundes in Freiberg gegangen ist um in den Wirren des Krieges zu sterben. Doch ihr Plan geht nicht auf, sie verliebt sich, reist durch ganz Deutschland, heiratet, bekommt ein Kind. Vor dem Hintergrund ihrer fiktiven Geschichte, zeichnet die Autorin die reale Geschichte Deutschlands von der Völkerschlacht bis Waterloo.
Meinung:
Die Autorin Sabine Ebert, geboren in Sachsen-Anhalt, aufgewachsen in Berlin, wohnte lange in Freiberg (einer der wichtigen Schauplätze in ihrem Buch) bevor sie für die Recherchen für ihr Buch nach Leipzig zog. In ihrem Buch wird ihre Liebe zu und Faszination an ihrer Heimat mehr als deutlich.
Wenn man das Buch zum ersten Mal in der Hand hält, fällt auf, welche Mühe sich der Verlag mit der Gestaltung des über 1000-seitigen Romans gemacht hat. Sowohl im vorderen als auch im hinteren Einband sind Karten, welche Napoleons Rückzug hinter den Rhein 1813, als auch die Verfolgung Napoleons durch die Alliierten 1814 und die Schlacht bei Waterloo 1815, zu finden. Der Umschlag des gebundenen Buches enthält ebenfalls eine Karte. Sie zeigt wie Europa nach der Neuordnung auf dem Wiener Kongress 1814/15 aussah.
Am Anfang des Buches ist der Leser zunächst etwas verwirrt. Viele Personen werden eingeführt und erst im Laufe des Buches werden die Hintergrundgeschichten erklärt und die Beziehungen zueinander deutlich. Bestimmt ist für Leser, die bereits das das Buch "1813-Kriegsfeuer" gelesen haben, der Einstieg leichter. Die Verwirrung rührt auch daher, dass die Autorin die Geschichte aus vielen verschieden Perspektiven erzählt. Dadurch bekommt man einen umfassenden Einblick. Allerdings gibt es einen allwissenden Erzähler, der die verschieden Geschichten miteinander verknüpft. Außerdem stellt dieser Vermutungen über die Bewegründe der historischen Persönlichkeiten an und regt so zum Nachdenken an.
Aus meiner Sicht positiv ist das Verknüpfen der Geschichte realer, berühmter und weniger berühmter Persönlichkeiten mit dem Schicksal der fiktiven Figuren. So wird ein Patient, den Henriette pflegt, von dem berühmten Arzt Johann Christian Reil (1. Dekan der Charité in Berlin) geheilt. Darüber hinaus werden viele Chronisten und Tagebuchschreiber erwähnt und das Erlebte aus ihrer Sicht beschrieben.
Dabei fällt leider auf, dass die historischen Persönlichkeiten und Charaktere viel komplexer und spannender sind als die fiktiven Figuren. Die Hauptperson Henriette ist zunächst zwar stark und hilft im Lazarett, kämpft sich relativ alleine durch. Später im Haus ihrer Schwiegereltern verliert sie aber einen Großteil ihres eigenständigen Denkens, zu dem sie erst am Ende des Buches zurück findet.
Die Geschichte an sich wird superspannend erzählt. Obwohl das Buch über 1000 Seiten dick ist, lässt es sich gut lesen, da es relativ kleine Kapitel sind. Hinzu kommt, dass der Leser mit den Figuren mitfiebert, deren Erleben spannend und plastisch geschildert wird. Besonders detailliert werden die grausamen Szenen nach der Schlacht erzählt. Das Leid, welches über die Leute gekommen ist, nachdem 600.000 Soldaten durch ihr Land gerannt sind. Nicht nur die gruseligen Zuständen in den Lazaretten, auch die Hungersnot, das Abreißen von Bauernhöfen, sodass der Feind kein Essen erbeuten kann und damit die Wegnahme der Existenzgrundlage von einem Großteil der Bevölkerung werden geschildert.
Natürlich werden auch Schlachtszenen geschildert. Allerdings beschreibt die Autorin hier nicht seitenlang welcher Korps gerade wohin marschiert, sondern aus der Sicht ihrer Hauptfiguren, wie sie diese Schlacht erlebt haben. Dabei erzählt sie die persönlichen Verluste von Freunden und Untergebenen, die das Ausmaß dieser Schrecklichkeit verdeutlichen. Ebenso die Gleichgültigkeit gegenüber einzelnen Individuen mit denen Napoleon, der preußische König, der russische Zar und der österreichische Kaiser über Menschenleben entscheiden.
Dabei lesen sich die Zahlen der gefallenen Soldaten noch viel bestürzender, wen man beachtet, wie viele Verwundete danach an Typhus und anderen Seuchen in den Lazaretten gestorben sind, dass noch nicht 12jährige Kinder an der Front gestorben sind, dass die Entscheidungsträger diesen oder jenen Korps opfern wollen, um andere zu retten und wie Soldaten ohne Schuhe und ohne Mantel durch den Winter stapfen.
Wenn Sabine Ebert nur eine Sache mit ihrem Roman erreicht hat, dann das Bewusstsein des Lesers zu wecken, was für eine abgrundtief menschenverachtende und grausame Angelegenheit der Krieg ist.
Fazit:
Das Buch "1815: Blutfrieden" ist absolut lesenswert. Es ist
nicht nur ein Werk gegen den Krieg, sondern erzählt einen wichtigen Teil der deutschen
Geschichte, über den viele relativ wenig wissen. Dabei ist das Buch kein
trockener und langweiliger Geschichtsunterricht, sondern zeigt die Nöte und
Probleme der Menschen, ihre Hoffnungen aber vor allem ihre Enttäuschungen. Der
Leser fiebert mit den Figuren mit und wird durch den allwissenden Erzähler und
die verschiedenen Sichtweisen dazu angeregt Geschichte kritisch zu
hinterfragen.
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