Die besten Filme, die sie nie sehen werden
Story:
Hollywood kreiert große Geschichten und Leinwandlegenden am Fließband. Stars werden geboren, Preise verliehen - es glitzert und glänzt, wohin das Auge blickt. Unzählige Filme flimmern über die Leinwände von Kinos, in aller Herren Länder. Doch nicht nur die fertigen Blockbuster, die die Zuschauer anziehen, große Kunst zeigen und für klingelnde Kassen sorgen, sind von Bedeutung. Auch die aus ganz unterschiedlichen Gründen zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Produktion verworfenen Filmprojekte verdienen Beachtung. "Die besten Filme, die sie nie sehen werden" widmet sich diesen unfertigen, verworfenen und vergessenen Kreationen, die zum Teil enormes Potenzial besaßen.
Meinung:
Das Buch "Die besten Filme, die sie nie sehen werden" des britischen Journalisten Simon Braund stellt in sechs Kapiteln Filmprojekte vor, die sich zwischen den 1920ern bis in die 2000er Jahre in irgendeiner Form in Produktion (dies können vom Drehbuchentwurf über Pläne von Autoren oder Filmemachern bis hin zu fertigen Sequenzen sein) befanden, es dann jedoch nicht zum fertigen Film und damit auf die große Leinwand schafften. Der Leser mag sich zunächst fragen, weshalb ein Buch über im Sande verlaufene Filmprojekte auf die Beine gestellt wird. Welche Bedeutung können solche Projekte für die Filmwelt haben, die schier unzählige Filme pro Jahr ins Rennen um die Gunst der Zuschauer schickt? In seinem Interesse am Thema weckenden Vorwort widmet sich der Autor genau dieser Fragestellung und macht schnell klar, wie viel Kreativität und Ideenreichtum im Sande verlaufen sind und weshalb kuriose Einfälle (teils zum Glück) verworfen wurden. Er erklärt die möglichen Auswirkungen der nicht-realisierten und mit in diesem Band besprochenen Projekte, setzt diese in Relation zu den tatsächlich erschienenen Filmen und leitet damit eine spannende, vielfältige und in vielerlei Hinsicht reizvolle, sowie lehrreiche Analyse, die zu diversen Planspielen führt. Die "Was-wäre-wenn-Komponente" wird den Leser über die gesamte Lektüre begleiten, denn alle in diesem Buch vorgestellten, nicht realisierten Filme werden vom Autor weitreichend betrachtet. Er beschreibt die Auswirkungen eines bestimmten Films für die Karriere eines Regisseurs, Darstellers oder Studios. Im gleichen Zug wird dargestellt, welche Filmereignisse vorher und nachher stattfanden bzw., mit welchen zu rechnen gewesen wäre oder was ein bestimmter Film für eine bestimmte Person bedeutet (hätte) und welche Folgen zu erwarten waren (oder gewesen wären). Da nicht selten die Filmgeschichte anders verlaufen wäre, sind diese Betrachtungen äußerst aufschlussreich und keinesfalls ausschließlich für Kinosüchtige interessant, erfahrens- und lesenswert, wobei ganz klar Cineasten primär angesprochen werden.
"Die besten Filme, die sie nie sehen werden" stellt 48 gescheiterte bzw. nicht realisierte Filmprojekte vor. Jedes einzelne erhielt ein eigenes, fiktives Plakat, die eigens für diese Publikation angefertigt wurden. Darüber hinaus illustriert diverses Bildmaterial die Texte. Storyboard-Zeichnungen, Concept Arts, Stills und Ausschnitte bereits vorhandenen Bildmaterials usw., zeigen das zum Teil enorme Potential der vorgestellten Titel. Der Autor bespricht Film, Hintergründe und vor allem die Beweggründe, welche letztendlich zum Scheitern führten ausführlich und jongliert gerne mit Zahlen, die für Einspiel- und Kostenprognosen sowie finanzielle Aufwendungen beigefügt sind. Zahlen und mögliche Erscheinungsjahre basieren auf Braundes Recherche in Branchenmedien, sodass von realitätsnahen Werten ausgegangen werden kann, was die Einschätzungen und Betrachtungen untermauert. Auf diese Weise wird nicht nur die reine Information gereicht, sondern dem Leser darüber hinaus die Möglichkeit gegeben, selber Überlegungen anzustellen. Zudem sind die Abbildungen oftmals Indikator und Illustration des kreativen Potenzials eines nicht realisierten Films.
Die Auswahl der vorgestellten Projekte enthält sowohl Projekte bekannter Namen, als auch kleinere und bis hin eher wenig bekannte Filmemacher und deren Arbeiten. So überrascht es weniger, dass Stanley Kubricks Megaprojekt "Napoleon" besprochen ist. In Cineastenkreisen ist weitreichend bekannt, welche Dimensionen dieses Projekt einnahm und welche Folgen die nicht erfolgte Umsetzung für Regisseur und Studio mit sich brachte. Im Gegensatz dazu führt Braund an, dass die 2012 in "John Carter" erzählte Geschichte über den roten Planten bereits 1936 zum ersten Zeichentrickspielfilm hätte werden können. Eine weitestgehend wenig bekannte Tatsache, die nicht die einzige Information dieser Art ist, die "Die besten Filme, die sie nie sehen werden" seinen Lesern bietet. Was hätte aus der Zusammenarbeit von "Black Swan" und "Noah"-Regisseur Darren Aronofsky und Kultcomic-Autor Frank Miller ("Sin City", "300") werden können, die um das Jahr 2000 herum Millers "Batman: Year One" auf die Leinwand bringen wollten. Auch die Geschichte um die - vielleicht glücklicherweise - nicht zustande gekommene Fortsetzung zu "Gladiator" ist das Lesen wert. Ein ums andere Mal reiben sich auch erfahrene Cineasten, Filminteressierte und Kenner der Materie in Anbetracht der kuriosen Ideen, des teils verschwendeten Potenzials und der versiegten Kreativität verwundert die Augen.
Der Band bietet einige Informationen, verpasst es jedoch nie, diese auch hervorragend aufzuarbeiten. Die Texte erschließen sich einer breiten Leserschaft, sind verständlich formuliert und in den meisten Fällen recht unterhaltsam ausgefallen. Durch die stetige Einordnung in Filmgeschichte und den Schaffenskontext der Beteiligten erschließt sich dem Leser nicht nur Wissenswertes über die einzelnen Filmprojekte, sondern über das allgemeine Vorgehen hinter der Blitzlichtfassade der Hollywood-Glamourwelt.
Fazit:
"Die besten Filme, die sie nie sehen werden" von Simon Braund ist eine unterhaltsam wie spannende und informative Abhandlung über nicht realisierte Filmprojekte zwischen den 1920er und den 2000er Jahren. Auf 256 Seiten finden sich 48 Filme, die nie auf eine Leinwand projiziert wurden, aber durchaus die Betrachtung verdient hätten. Der Autor erklärt verständlich und unterhaltsam Gründe und Gegebenheiten, die einen "normalen" Produktionsverlauf verhinderten. Reichlich bebildert und durch die Einordnung in den filmhistorischen Kontext und dem Aufführen von Zusammenhängen wird deutlich, welche Bedeutung das ein oder andere Projekt hätte haben können. Vor allem Cineasten und Filmfans werden an den Betrachtungen und Analysen Freude haben und erstaunt sein, welche Filme bald das Licht der Welt erblickt hätten und was das für den tatsächlichen Verlauf der Dinge bedeutet hätte.
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Simon Braund
Die besten Filme, die sie nie sehen werden
The Greatest Movies You'll Never See
Übersetzer: Stefanie Kuballa-Cottone
Erscheinungsjahr: 28. Februar 2014
Autor der Besprechung:
Marcus Offermanns
Verlag:
Edition Olms
Preis: € 29,95
ISBN: 978-3283011741
256 Seiten
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