Feuerengel
Story:
Seit einiger Zeit überrollt eine Welle von Brandstifungen die Welt. Alleine in Los Angeles geht jede Nacht mindestens ein Haus in Flammen auf, und die Zahl der Todesoper steigt und steigt. Einige der Brände sind besonders: Sie beginnen mit einer weißen, extrem heißen Flamme, die kein bekannter Brandbeschleuniger bewirken kann. Und eines Tages beobachtet der Polizist Dave Peters, wie ein Mann seelenruhig aus der Flammenhölle schreitet, ohne dass es ihm irgendetwas auszumachen scheint. Als bei einem weiteren Feuer Daves Familie ums Leben kommt, schwört sich der Cop, den Urheber der Brände unschädlich zu machen. Aber ist der Ursprung der Flammen wirklich von dieser Welt?
Meinung:
Engel sind die Guten, und Dämonen sind die Bösen, richtig? In Garry D. Kilworths Horrorroman kann man über diese moralische Einteilung durchaus streiten. Denn, soviel sei verraten, hinter den "besonderen" Bränden mit weißem Feuer steckt ein Engel, der abtrünnige Gotteskrieger – sprich, Dämonen – mit seiner Macht vernichtet. Dass dabei auch Sterbliche ihr Leben verlieren, spielt keine Rolle.
Der Brite Garry D. Kilworth hat sich vor allem in der Fantasy einen Namen gemacht. Unter seinen etwa 70 Romanen und 120 Kurzgeschichten ist besonders der Zyklus um die "Gewieften Wiesel" bekannt, in dem intelligente Tiere nach dem Verschwinden der Menschen deren Behausungen und Lebensgewohnheiten übernehmen. In seinem Roman "Attica" geht es um Abenteuer auf einem Dachboden, der die Dimensionen eines Kontinents hat. Als britische Version eines "army brat" ist er mit seinem Vater, der bei der Royal Air Force diente, über die halbe Welt gezogen, und hat dies später während seiner eigenen Karriere in der Luftwaffe fortgesetzt. Nach seiner Zeit in den Streitkräften, ab Mitte der 1970er Jahre, arbeitete er in der Telekommunikationsindustrie, machte seinen Universitätsabschluss in Englisch und startete seine Karriere als Schriftsteller, die bis heute andauert.
"Feuerengel" war sein erster Ausflug ins Horrorgenre. Interessant ist dabei, dass gerade die Teile des Romans am besten funktionieren, die auch einem "normalen" Thriller hätten entstammen können. Die Szenen, in denen er die Vernichtung von Gebäuden und Menschen durch das Feuer schildert, sind ebenso ausführlich wie intensiv. Kilworth erspart seinen Lesern kein grausiges Detail. Seine menschlichen Charaktere sind zwar sichtbar auf ihre jeweilige Funktion in der Geschichte angelegt, gehen aber über die reine Schablonenfunktion hinaus. Man fühlt sich an gecastete Schauspieler erinnert: Die Rollen mögen nicht von überragender Komplexität sein, aber es stehen spürbar "echte Menschen" dahinter.
So ziemlich jede menschliche Figur, die über eine reine Statistenrolle hinausgeht, hat in irgendeiner Form einen Knacks, ist mehr oder weniger stark psychisch beschädigt. Dave verkraftet den Verlust seiner Familie, für die er praktisch gelebt hat, nur sehr schwer. Sein Partner Danny braucht alle paar Tage schnellen Sex mit Prostituierten, verachtet sich danach ebenso regelmäßig selbst und geht beichten bei einem von drei Priestern, die nichts voneinander wissen. Vanessa reagiert auf die Erlebnisse in ihrer Kindheit mit einer Faszination für Feuer. In ihren Augen reinigen die Flammen, andere und sie selbst. Dann ist da noch ein sadistischer Bewährungshelfer, der seine Position missbraucht, Vanessas eifersüchtiger Ex-Freund und andere mehr. Für Stirnrunzeln sorgen die deutlichen Geschlechterstereotypen. Aktion geht von den Männern aus, und wenn die Frauen auch mal aktiv werden, ist es regelrecht überraschend.
Auch Sex kommt vor, mit detaillierten Beschreibungen. Erotisch sind diese "Stellen" jedoch in keiner Weise, sie stehen – ja, sowas gibt es tatsächlich – im Dienst der Geschichte. Insgesamt kann man sagen, "Feuerengel" ist mit Sicherheit kein Buch für Jugendliche.
Auf der anderen Seite stehen die übernatürlichen Teile der Geschichte. Dass Engel und Dämonen als für Sterbliche nicht nachvollziehbar geschildert werden, weder vom Verstand noch von den Gefühlen her, ist in den Grundlagen des Plots angelegt, aber trotzdem schade. Die übernatürlichen Wesen gehen über das, was Menschen begreifen können, hinaus. Die dazugehörigen Abschnitte des Buches sind eher erklärend als darstellend, als emotional miterlebbar. Die Wirkung von Horror hängt jedoch erheblich von der emotionalen Beteiligung des Lesers ab.
Ohne diese "Abkühlphasen" hätte dieser Roman ein guter Psychothriller werden können, wenn der Autor am Ende beispielsweise einen wahnsinnigen Pyromanen als Brandstifter entlarvt hätte. Kein überragender Thriller, aber ein durchaus lesenwerter. Aber ausgerechnet die Horror-Anteile dieses Horrorromans ziehen ihn qualitativ nach unten, so dass am Schluss maximal eine mittlere Wertung stehen kann. Den Untertitel "Viel mehr als ein Horrorroman" kann man getrost der Verlagswerbung zurechnen.
Garry D. Kilworth hat die beiden Detectives auch in einem Folgeband in ein Abenteuer mit himmlischen und höllischen Mächten gestürzt. "Feuerengel" und "Der Sturz des Engels" wurden auch zusammen in einem Band unter dem Titel "Die Engel" veröffentlicht.
Fazit:
Ein Horrorroman, der ohne den Horror-Anteil, beispielsweise als "diesseitiger" Thriller, vermutlich besser funktioniert hätte. Denn der überirdische Teil wird zu sehr erklärt und zu wenig emotional nacherlebbar gemacht.
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Garry D. Kilworth
Feuerengel
Angel
Übersetzer: Inge Holm
Erscheinungsjahr: 1994
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Bastei Lübbe
ISBN: 978-3404135455
316 Seiten
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