Die Welt in 100 Jahren
Story:
Wie sieht die Welt in 100 Jahren aus? Was wird sich ändern, was wird modern sein? Vielleicht lohnt sich für diese Antworten ein Blick zurück, denn vor 100 Jahren stellten sich viele Leute dieselbe Frage.
Meinung:
Wir schreiben das Jahr 1910. Der bekannte Journalist Arthur Brehmer lädt ein Who's Who der damaligen geistigen Elite dazu ein, sich Gedanken über die Welt in 100 Jahren zu machen. Deren geistige Ergüsse werden in einem Buch gesammelt und zu einem Bestseller.
100 Jahre später: Der Georg Olms Verlag bringt den Band neu heraus. An den ursprünglichen Texten wurde nichts geändert. Und abgesehen von dem neuen Einband ist der einzige Unterschied zwischen damals und heute das sehr gut geschriebene Vorwort von Georg Ruppelt, welches vor dem eigentlichen Text eingefügt wurde.
Der erste Eindruck ist gewöhnungsbedürftig. Wie bereits schon geschrieben, wurde an den Texten nichts geändert. Dies schließt die damals verwendete Schriftart mit ein. Damals wurde noch eine sogenannte gebrochene Schriftart verwandt, die sogenannte Fraktur. Sie wird heutzutage nur noch eher selten benutzt, weshalb man sich erst einmal an sie gewöhnen muss. Gottseidank gibt es nur wenige Buchstaben, die damals anders aussahen als heute, so dass man als Leser sich schon recht bald angepasst hat, und die verschiedenen Aufsätze flüssig lesen kann.
Arthur Brehmer hat damals wirklich sozusagen die Creme de la Creme der geistigen Elite eingeladen. Zu den Autoren gehören unter anderem Bertha von Suttner, eine Pazifistin und Friedensnobelpreisträgerin, die schwedische Reformpädagogin und Schriftstellerin Ellen Key oder der norwegische Schauspieler und Dramatiker Björne Björnson. Alles Namen von Personen, die damals und auch heute einen gewissen Klang haben.
Die Auswahl der Themen ist ebenso vielfältig, wie die Art und Weise, wie sie in textlicher Form ausgedrückt wurden. Die Spannbreite reicht von Geschichten, die an Science Fiction erinnern, bis hin zu nüchternen Sachartikeln. Es geht um Krieg, Frieden oder Religion. Die Rolle der Frau wird ebenso besprochen wie die Literatur. Und als moderner Leser ist man überrascht, wie oft die einzelnen Autoren richtig lagen, aber auch wie naiv sie teilweise waren.
So lagen die Schriftsteller bei der Voraussage der Emanzipation und von Taschentelefonen richtig, dafür aber gewaltig daneben, was das Leben auf anderen Welten angeht. Damals glaubte man noch, dass es auch auf dem Mars intelligente Völker gäbe. Ein Irrglaube, der allerdings noch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bestehen blieb. Wesentlich eindrucksvoller, wenn auch im negativen Sinne, ist die Rolle, der man dem Radium zuschrieb.
Man glaubte ernsthaft, dass jene radioaktive Substanz innerhalb der nächsten 100 Jahre zu einer Art Allheilmittel werden würde. Und das obwohl damals schon bekannt war, dass solche strahlenden Stoffe nicht gut waren. Doch man ging fest davon aus, dass Radium unter anderem helfen würde, Augenleiden zu lindern. Eine erschreckend naive Vorstellung.
Und so erlebt man als Leser ein Wechselbad der Gefühle. Mal fühlt man sich amüsiert, wegen einigen Vorhersagen, dann ist man wegen der Treffsicherheit erstaunt, nur um dann entsetzt zu sein, wegen der damaligen Naivität.
Die Texte werden durch die Illustrationen von Ernst Lübbert enorm erweitert. Jener war damals ein bekannter Künstler, der schließlich 1915 im ersten Weltkrieg ums Leben kam. Seine Zeichnungen sind ebenso abwechslungsreich wie die Texte, zu denen sie passen. Geschickt stellt er eine Geisteskrankheit dar und schafft atmosphärische Bilder. Ohne seine Zeichnungen wäre das Buch nur halb so schön.
Kurzum, "Die Welt in 100 Jahren" ist ein unbedingtes Must-Have!
Fazit:
Arthur Brehmers "Die Welt in 100 Jahren" ist ein faszinierendes Buch. Es ist hochinteressant, was die verschiedenen geistigen Koryphäen aus dem Jahr 1910 sich vorstellten, was in den nächsten 100 Jahren passieren könnte. Das Resultat ist eine bunte Mischung aus sehr guten Texten. Der Eindruck, den sie beim Leser hinterlassen, schwankt zwischen amüsiert und entsetzt. Dazu kommen noch die super Illustrationen von Ernst Lübbert, womit man ein Klasse Buch hat, welches man lesen sollte!
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