Die ersten Menschen auf dem Mond
Story:
In der Grafschaft Kent arbeitet der ehemalige Geschäftsmann Bedford an einem Theaterstück. Jedoch fehlen ihm die Ideen und die notwendige Ruhe. Denn der merkwürdige Wissenschaftler Cavor läuft täglich, zur selben Uhrzeit, summend vor sich hin an Bedfords Vorgarten vorbei, um einen geregelten Tagesrhythmus aufrechtzuerhalten. Cavor beschäftigt sich mit der Überwindung der Schwerkraft. Seine Erfindung, das „Cavorit“, kann die Kräfte abschirmen, die für die Schwerkraft verantwortlich sind. Der Geschäftsmann in Bedford sieht in Cavors Arbeit die Möglichkeit für eine kommerzielle Nutzung, weshalb er ihn fortan unterstützt.
Als Ziel für ihren ersten Probeflug in einer kugelförmigen Antischwerkraftmaschine suchen sich die beiden nichts Geringeres aus als den Mond. Auf dem Trabanten entdecken sie außergewöhnliche Phänomene: schnell wachsende Pflanzen, geringe Schwerkraft und riesige Mondkühe. Letztere dienen scheinbar als Nahrung für das unterirdisch lebende Volk der „Seleniten“. Bedford und Cavor erkunden das Innere des Mondes und lernen eine völlig neue Zivilisation kennen, von der sie allerdings nicht wissen, ob diese feindlich oder friedlich eingestellt sind.
Meinung:
H.G. Wells‘ „Die ersten Menschen auf dem Mond“ von 1900 („The First Men in the Moon“, 1900) hat nichts von seinem Charme verloren. Obwohl sich die Vorstellungen des britischen Autors durch die Raumfahrt als obsolet erwiesen haben und das Gewand des Romans stilistisch nicht mehr zeitgemäß ist, schafft Wells dennoch eine spannende und unterhaltsame Erzählung. Denn „Die ersten Menschen auf dem Mond“ lebt von der schöpferischen Vorstellungskraft, die in der Post-Raumfahrt-Ära längst verloren gegangen ist.
Die „Seleniten“ beweisen allerdings, dass Wells auf dem Gebiet der Dystopien einmal mehr als Vorreiter gilt. Denn dieses Volk, dessen Mitglieder nur ihrer Bestimmung folgen, wird für bestimmte Positionen herangezüchtet. Der Wissenstransfer verläuft bei den „Seleniten“ ohne Bücher. Wissen, und damit Fortschritt, wird bei den Mondwesen dadurch generiert, dass spezielle Bürger ausgebildet werden, die sich auf ein Gebiet verstehen und darin ihren Lebenssinn erkennen.
Diese Geisteshaltung erinnert stark an den Soziologen Max Weber, der die These vertrat, das in einer transzendenzlosen Welt der Sinn durch seine Arbeit abgeleitet würde, die man als Berufung ansehen müsse. Diese Geisteshaltung mündet bei Wells schließlich in einem Gesellschaftsentwurf, der wiederum in Aldous Huxleys Gegenutopie „Schöne neue Welt“ auf die Spitze getrieben wird.
Fazit:
Der Gründervater der Science-Fiction und der Anti-Utopie liefert mit „Die ersten Menschen auf dem Mond“ eine charmante, fantasievolle und geistreiche Erzählung, die heute gerade wegen oder trotz ihrer Überholung durch die Fortschritte in der Raumfahrt zu unterhalten vermag. Die Mondwelt, die Wells erschafft, wirkt noch unschuldig und nebenbei liefert er noch eine Sozialkritik an der wachsenden Arbeitsteilung und Spezialisierung im Kapitalismus.
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H. G. Wells
Die ersten Menschen auf dem Mond
The First Men in the Moon
Übersetzer: Werner von Grünau
Erscheinungsjahr: 1996
Autor der Besprechung:
Marco Behringer
Verlag:
dtv
Preis: € 9,50
ISBN: 9783423122375
320 Seiten
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