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Tote Hobbits und Maulwurfsgenitalien - Teil 4
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Es ist ganz persönlich? Dann schreib es doch auf!

Anschließend befassten sich Scheck und Horwood mit der Frage, ob Schreiben für den Autor so etwas wie ein Theraphie darstelle? Natürlich, war die Antwort, das ist es für jeden Autor. Hier kam der Schriftsteller wieder auf eines der vorherigen Themen zurück: Solange man noch Herr seiner erfundenen Welt ist, ist man dort auch ultimativ sicher. Hier kann man Fragen stellen und Themen erforschen, über die man sonst höchstens mit seinem Therapeuten oder Ehepartner spricht.

Tote Hobbits beleben einen Forscher

Danach erzählte Horwood von einem Erlebnis bei der Tolkien Society. Das ist eine Organisation, die sich mit dem Werk von J. R. R. Tolkien befasst und bei manchen als verkopft und eingebildet klingt. Bei einer Tagung dieser Organisation war Horwood einmal als Redner eingeladen, vermutlich weil sein Vater Tolkien noch persönlich gekannt hatte. Er war aber erkennbar nur der zweitwichtigste Redner. Der Hauptredner war ein Wissenschaftler und sein Vortrag sei wirklich, wirklich schlecht gewesen – langweilig, einschläfernd, endlos. Als er dann doch zum Ende gekommen war, gab es die obligatorische Fragerunde für das Publikum. Aber niemand wollte eine Frage stellen – der Vortragende hätte ja in seiner bekannten Art darauf antworten können. Irgendwann erbarmte sich eine Funktionärin der Gesellschaft und stellte eine Frage: Sie habe nun wirklich alles von Tolkien gelesen, aber nirgendwo etwas darüber gefunden, was nach dem Tod eines Hobbit passiere.

Da musste auch der Sprecher passen. Tolkien habe tatsächlich nichts über die Begräbnisriten der Hobbits geschrieben, aber er könne sich ein Szenario vorstellen. Es könnte einen Scheiterhaufen geben, auf dem die Leiche verbrannt werde. Dieser Scheiterhaufen könnte am Ufer eines großen Sees stehen. Es wäre Nacht, und ein leichter Wind würde wehen, und über dem Scheiterhaufen würden die Sterne funkeln und... Der kurz vorher noch so verknöcherte Mann redete sich regelrecht in Rage, und das Publikum hing plötzlich an seinen Lippen. Wie Horwood es formulierte, der Mann war zum allerersten Mal in seinem Leben aufgewacht.

Maulwürfe und Menschen im Größenvergleich

Zum Abschluss kamen nochmal die Maulwürfe ins Spiel. Um die kreativen Prozesse beim Schreiben zu illustrieren, sprach der Autor über den Penis der kleinen Säugetiere. Maulwürfe paaren sich im Februar. Und weil sie ihn den Rest des Jahres nicht brauchen, schrumpft der Penis der Männchen im Herbst stark zusammen. Als Horwood davon las, stellte er sich sofort die Frage, ab wann der Penis wieder zu wachsen beginnt, um im Februar seinen Dienst tun zu können. Seine Recherche ergab, das Wachstum beginnt so um den 1. Dezember herum. Die nächste Frage war, wenn ein durchschnittlicher menschlicher Penis so stark wachsen würde wie der eines Maulwurfs, wie lang könnte er dann werden? Horwood startete die Tabellenkalkulation, und das Ergebnis war erstaunlich: Wenn ein menschlicher Penis von ca. 15 Zentimetern so stark wachsen würde wie bei einem männlichen Maulwurf zwischen Dezember und Februar, würde er am Ende von Oxford nach Birmingham reichen.

Danach las Frank Steichfuss noch ein Stück aus dem Roman und lies das Publikum erleben, wie Jack bei Katherine und den anderen im Saal der Jahreszeiten ankommt.

Der Abschluss: Fragen aus dem Publikum

Ganz am Ende hatte auch hier das Publikum noch Gelegenheit, Fragen zu stellen. Natürlich wurde die Frage gestellt, was passiert eigentlich, wenn ein Hydden stirbt? Das sei eine gute Frage, meinte Horwood. Es gibt einen Scheiterhaufen, aber der steht nicht an einem See. Einen "Stundenplan" beim Schreiben habe er zwar, der sei aber eher theoretischer Natur. Eigentlich nehme er sich vor, jeden Tag 1.500 Wörter zu schreiben. Aber eines Tages wollte seine Familie mit ihm in Urlaub fahren. Das lehnte er ab, denn er müsse arbeiten. Seine Frau glaubte ihm nicht, dass er so viel arbeite, weshalb Horwood über einige Zeit Tagebuch führte: Hat er an einem Tag etwas geschrieben, wenigstens ein Wort, oder nicht? Am Ende stellte er fest, dass er neun Monate an seinem damals aktuellen Roman gearbeitet hatte. Tatsächlich etwas geschrieben hat er davon nur fünf Monate. Er hat aber auch schon einmal 19.000 Wörter in vier Tagen ohne Schlaf durchgeschrieben, weil ein Abgabetermin drohte. Eigentlich hatte er erwartet, dass ihm sein Verlag das Ergebnis um die Ohren haut. Aber als er es später selbst nocheinmal las, war es gar nicht mal so schlecht, wie die Umstände der Entstehung vermuten lassen könnten.

An dieser Stelle ging das Gespräch dann auch zu Ende und das Publikum wurde in die Stuttgarter Nacht entlassen. Etwas ungewöhnliches haben zumindest wir auf der Heimfahrt nicht gesehen, weder einen Hydden noch einen Maulwurf. Doch, das haben wir gelernt, beide werden vermutlich nicht weit weg gewesen sein.
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Special vom: 09.07.2012
Autor dieses Specials: Henning Kockerbeck
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Tentakel! - Teil 1
Familiensuche - Teil 2
William Horwood auf Deutsch - Teil 3
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