Zoli
Story:
In "Zoli" erzählt Colum McCann die fiktive Geschichte der Roma Zoli, die mit fünf Jahren die Ermordung ihrer Familie durch Faschisten erleben muss. Danach wächst sie bei ihrem Großvater auf, der ihr den (Jungen-)Namen Zoli gibt. Dem Großvater hat sie es auch zu verdanken, dass sie, entgegen aller Gebräuche bei den Roma, Lesen und Schreiben lernt.Nach dem Krieg bringt der idealistische Engländer Swann die Roma dazu, Gedichte und Lieder ihrer Sippe schriftlich niederzulegen, um mehr Toleranz für die Roma zu wecken. Doch schon bald sind ihre Niederschriften nicht nur ihrer Familie, sondern auch der sozialistischen Regierung ein Dorn im Auge. Zoli wird von ihrer Sippe verstoßen und sie sieht sich gezwungen, den Weg durch den Eisernen Vorhang zu wagen.
Meinung:
Auch wenn der Roman "Zoli" von Colum McCann die Geschichte eine fiktiven Frau erzählt, basiert die Figur auf der Lebensgeschichte der polnischen Dichterin Papusza. Der Autor schafft es mit einer klaren und natürlich poetischen Sprache den Charakter der Dichterin Zoli zum Leben zu erwecken. Der Roman umfasst einen Zeitraum von 70 Jahren, in denen man die Höhen und Tiefen im Leben der Hauptfigur miterlebt und eine einzigartige Darstellung der historischen Ereignisse nach dem zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei bekommt.Colum McCann zeigt nicht nur ein realistisches und gut recherchiertes Bild des Lebens der Roma fern von den üblichen Klischees, sondern auch, wie schnell eine solche Minderheit zum Spielball der einzelnen Parteien werden kann. Unsentimental und auf keinen Fall romantisierend werden die Geschehnisse erzählt und erhalten gerade dadurch eine Kraft und Eindringlichkeit, deren sich der Leser nicht entziehen kann. Es dauert ein wenig, bis man sich unter den verschiedenen Perspektiven wohlfühlt und sich in das fremde Leben der Roma eingefunden hat, doch dann erwartet einen eine ergreifende Geschichte. Gerade durch die Klarheit in der Erzählung, das Unsentimentale und Realistische, kann sich der Leser der Magie dieses Buches nicht entziehen. Die Charaktere sind stimmig dargestellt ohne zu beschönigen. Ein Jeder hat seine Beweggründe und egal welches Mäntelchen des guten Willen der Einzelne tragen mag, fast unbarmherzig zeigt der Autor auf, dass auch hinter dem besten Willen oft reiner Egoismus steckt. Gerade die Figur des Stephen Swann, der als junger Mann in die Tschechoslowakei geht, um dort sein kommunistisches Ideal zu leben, ist ohne jede Verklärung dargestellt. Der Leser leidet mit dem Idealisten, der lange davor die Augen verschließt, was er Zoli und ihrem Volk antut, indem er ihre Schriften veröffentlicht, und verflucht ihn gleichzeitig für seine Kurzsichtigkeit und seinen Egoismus. Zoli scheint entgültig zerstört zu sein, als ihre Familie sie verstößt. Und doch wird der lange Weg durch den Eisernen Vorhang für sie auch ein Weg zu sich selbst. Nicht mehr durch die Erwartungen anderer eingeschränkt, kann sie zu der Person werden, die sie sein will. Dennoch verliert sie durch die Geschehnisse der Vergangenheit für lange Zeit die Dinge, die ihr das Wichtigste im Leben sind: ihre Romafamilie und ihre Lieder.
Fazit:
Mit "Zoli" hat Colum McCann in einer kraftvollen, unsentimentalen und wundervoll poetischen Sprache einen einzigartigen Roman geschaffen, der das Herz und den Verstand des Lesers berührt und das Auge öffnet für eine Lebensweise, über die man sonst nicht viel erfährt.
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