Das Lied von Jaburek
Story:
Egon Erwin Kisch war ein Reporter, der das Ohr am Puls der Zeit hatte. Und im Laufe seiner Karriere hat er einige gelungene Reportagen geschrieben. Die jetzt hier gesammelt vorliegen.
Meinung:
Die Zeit vergeht rasend. Und im Laufe der Jahre verändert sich einiges. Auch die politische Landkarte. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war ein Großteil von Europa Teil der sogenannten Donau-Monarchie, dem österreichischen Königreich. Das war auch die Zeit von Egon Erwin Kisch, der ein Lokaljournalist in Prag war. Mit dem Band von "Das Lied von Jaburek" bringt der Wagenbach-Verlag im Rahmen seiner Salto-Reihe einige seiner Reportagen gesammelt heraus.
Egon Erwin Kisch wurde 1885 in Prag geboren, wo er auch Literatur und Geschichte studierte. Nach dem Ende des ersten Weltkriegs zog er nach Berlin um, wo er schon sehr bald sich einen Ruf als "Rasender Reporter" erarbeitete. Mit dem Aufkommen der Nazis musste er, der Jude und bekennender Kommunist war, fliehen. Über Frankreich, wo er die Resistance unterstützte, und Spanien, wo er im Bürgerkrieg teilnahm, kam er schließlich 1939 in Mexiko an, wo er bis 1946 blieb. Danach zog er zurück nach Prag, wo er die KP unterstützte und zwei Jahre später starb.
Die Reportagen, die hier in dem Band abgedruckt sind, entstanden zwischen 1906 und 1931. Eine genaue Datierung ist laut Verlagsangaben nicht möglich, da der Reporter seine Texte im Laufe der Zeit wiederholt für Buchveröffentlichungen überarbeitete.
Was also macht die Text von Egon Erwin Kisch aus? Was ist der Charme, was der Grund, dass der Verlag ihm einen eigenen Band widmete? Es dürfte vor allem die Tatsache sein, dass er unterhaltsam und gleichzeitig informativ schreibt.
Das beweist schon allein die erste Story, in der er sich in ein Obdachlosenasyl einschleicht. Er gab vor, unterkunftslos zu sein und konnte den Wächtern falsche Tatsachen vortäuschen. Mit einem Auge für Details berichtet er, wie es hinter den Türen zugeht. Streng militärisch wird auf die Einhaltung von Regeln und Ordnung geachtet.
Und gleichzeitig merkt man auch, dass er andere Personen respektvoll gegenüber tritt. Seine Beschreibung von den anderen Obdachlosen, die es ja härter hatten als er, ist zurückhaltend und nicht verletzend. Er beschreibt nur, was er hört und sieht. Er drängt nicht auf mehr, er gibt ihnen Freiraum.
Und doch kann man sich den einen oder anderen Schmunzler nicht verkneifen. Denn wie er schreibt, hat doch seine komischen Momente. Mit einem trockenen Humor schließt er zum Beispiel diese Reportage ab, in dem er davon erzählt, dass er seine Arbeit am darauffolgenden Tag abgesagt hat, um erstmal ausgiebig zu baden.
Sein Humor kommt gleichzeitig besonders deutlich zu Trage, als er mit Genuss von der Brückenmaut schreibt. Er ist eine wunderbare Geschichte, in der er zum Beispiel erklärt, mit welchen Mittel und Wegen die Zahlungsunwilligen versucht haben, die Maut zu Umgehen. Man merkt ihm das Vergnügen an, diese Alltagsstory zu berichten. Und er überträgt es auch auf den Leser.
Sehr schön ist auch, dass die Macher dieses Buches ein Wörterbuch mit eingebaut haben, in dem heutzutage unbekannte Begriffe oder zeitliche Anspielungen näher erläutert werden. Das ist vorbildlich und nicht selbstverständlich. Und es erhöht den Spaß beim Lesen.
Deshalb ist das Buch auch ein "Klassiker" und erhält auch den "Splashhit".
Fazit:
Mit "Das Lied von Jaburek" präsentiert der Wagenbach-Verlag im Rahmen seiner Salto-Reihe einige Reportagen des Reporters Egon Erwin Kisch. Der in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts lebende Reporter versteht sich darauf, lebendige und humorvolle Stories zu schreiben. Gleichzeitig bleibt er respektvoll gegenüber den Menschen. Er rückt ihnen nicht auf die Pelle, um ihnen auch die letzten Geheimnisse zu entrücken.
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