Kyria & Reb: Bis ans Ende der Welt
Story:
Kyria wird bald 18 Jahre alt. Sie lebt in New Europe, einer Welt der kompletten Überwachung. Ihr sehnlichster Wunsch ist, auszubrechen und zu fliehen. Mit dem Draufgänger Reb kann sie diesen Gedanken auch umsetzen. Doch damit fangen ihre Probleme erst an, denn beide stoßen auf eine Verschwörung, die Menschenleben bedroht.
Meinung:
Ein Blick auf das Cover dieses Romans ruft Erstaunen hervor. Weniger wegen der durchaus gelungen Titelillustration. Es ist vielmehr der Name der Autorin, der für Aufsehen sorgt. Denn geschrieben wurde "Kyria & Reb" von niemand anderem als Andrea Schacht!
Dies ist deshalb so ungewöhnlich, weil ein dystopischer Roman eigentlich nicht ihr Metier ist. Vielmehr ist die Autorin vor allem für ihre historischen Bücher bekannt. Besonders die Geschichten über die Kölner Begine Almut sorgten dafür, dass sie eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Deutschlands wurde. Neben ihren Bänden, die in der Vergangenheit spielen, hat sie auch Fantasy-Erzählungen geschrieben. So stammt beispielsweise "Jägermond" aus ihrer Feder.
Seit vor 150 Jahren eine Pandemie über Europa hinwegfegte, hat sich einiges verändert. Seitdem ist das Land in verschiedene Gesellschaftsschichten und Reservate unterteilt. Es herrschen jetzt die Frauen. Die Männer sind nur noch dazu da, um Nachwuchs zu zeugen. Kyria gehört zu der herrschenden Klasse der Electi. Sie feiert ihren 18. Geburtstag. Doch es kommt keine richtige Freude bei ihr auf, denn sie leidet an einer Genkrankheit, die, wenn sie ausbricht, innerhalb kürzester Zeit für ihren Tod sorgen wird.
Eines Tages lernt sie den Jungen Reb kennen. Er stammt von außerhalb und weckt ihn ihr den Wunsch, aus ihrem goldenen Käfig auszubrechen. Sie setzt ihr Vorhaben in die Tat um und flieht mit ihm. Unterwegs lernt sie eine vollkommen andere Welt kennen und muss feststellen, dass sie in vielerlei Hinsicht naiv ist. Doch viel Zeit bleibt ihr nicht, sich anzupassen. Denn sie wird verfolgt und muss außerdem feststellen, dass es sich jemand zum Ziel gesetzt hat, alles Leben in den Reservaten zu vernichten.
In der aktuellen Menge an Dystopie-Romanen für Jugendlichen fällt es einzelnen Werken schwer, sich positiv hervorzutun. Frau Schacht erlangt dies schon allein dadurch, dass man neugierig ist, wie sie sich in diesem für sie fremden Genre schlägt. Das Ergebnis fällt ordentlich aus, jedenfalls größtenteils.
Sehr schön ist, dass sie sich Gedanken gemacht hat, wie die Zivilisation ihrer Zukunft aussehen könnte. Das Ergebnis überzeugt, vor allem in sozialer Hinsicht. Der Aufbau der Gesellschaft in drei verschiedene Schichten, mit all den dazu gehörigen Konsequenzen, wird realistisch beschrieben. Das gleiche gilt auch für den Werdegang der Zivilisation, also wie sie wurde, was sie ist.
Auch mit den handlungstragenden Figuren wird man warm, allerdings erst nach einiger Vorlaufzeit. Fast zu spät beginnt Frau Schacht die Wandlung von Kyria. Zuvor eine verwöhnte und verweichlichte Persönlichkeit, wie man sie aus zig anderen Büchern her kennt, entwickelt sie erst in der zweiten Hälfte Charakter-Züge, die sie sympathisch wirken lassen. Dann kann man auch ihre Streitgespräche mit Reb genießen, die die Autorin wiederholt in ihren Roman einbaut.
Dass das Buch trotzdem nicht vollends überzeugt, liegt unter anderem daran, dass es 150 Seiten benötigt, ehe die Handlung Fahrt aufnimmt. So lange dauert es nämlich, bis man als Leser in die Welt von Kyria eingeführt wird, den Grundkonflikt kennenlernt und man mit den Protagonisten aus der Stadt flieht. Die Zeit, bis die zwei endlich außerhalb der Metropole sind, verläuft leider sehr zäh.
Und leider enttäuscht die technologische Darstellung der Dystopie. Während die soziale Seite überzeugt, wirkt die technische Seite lahm und unentwickelt. Praktisch der einzige Hinweis, dass Kyria in einer Überwachungsgesellschaft lebt, ist ihre ID, die sie dann auch noch verhältnismäßig schnell los wird, als sie flieht.
Das offene Ende deutet auf einen Nachfolgeroman hin. Falls wirklich einer erscheinen sollte, muss er sich bessern, um das, durchaus vorhandene, Potential zu nutzen. Denn so wirkt "Kyria & Reb" durchwachsen und ist daher nur "Für Zwischendurch" zu empfehlen.
Fazit:
Mit "Kyria & Reb: Bis ans Ende der Welt" wagt sich Frau Andrea Schacht ins dystopische Genre. Das Ergebnis überzeugt leider nicht vollends. Es gelingt der Autorin perfekt, die soziale Seite ihrer zukünftigen Gesellschaft darzustellen. Auch die handlungstragenden Personen wirken sympathisch, wenn es auch etwas dauert, bis man mit ihnen warm wird. Bemängeln muss man die Zeit, die die Handlung benötigt, um interessant zu werden. Und die technologische Seite der Dystopie wirkt nicht ganz überzeugend. Da wäre mehr drinnen gewesen.
|