Blues für Vollmond und Kojote
Story:
Sam Hunter verkauft Versicherungen, und darin ist er verdammt gut. Ohne Schwierigkeiten schlüpft er in die unterschiedlichsten Rollen und Persönlichkeiten, solange es dem Abschluss dient. Seine wahre Persönlichkeit stört ihn dabei nicht. Schließlich ist es zwanzig Jahre her, dass Samson Hunts Alone vom Stamm der Crow aus der Reservation geflohen ist und zu Sam Hunter wurde. Sein altes Leben hat Sam seither in den hintersten Winkel seines Selbst verdrängt.
Aber einer hat es sich in den Kopf gesetzt, Sam zu seinen Wurzeln zurückzuführen: Old Man Coyote, der Trickser aus den Legenden. Der greift ganz tief in seine Trickkiste und wirbelt Sams wohlgeordnetes Leben ordentlich durcheinander. Oder ist es die ausgesprochen hübsche Kalliope, die Sam den Kopf verdreht hat?
Meinung:
Mit Christopher Moore verbinden die meisten neben der "Bibel nach Biff" oder den Vampiren aus San Francisco wohl am ehesten das beschaulich-verrückte Pine Cove. "Blues für Vollmond und Kojote" ist vergleichsweise unbekannt, und das ist schade. Denn hier hat der Autor einen kleinen, aber feinen Roman vorgelegt.
Sein Hauptthema ist dabei Identität. Der Crow Sam schlüpft ebenso mühelos in die Rolle eines Latino-Hilfsarbeiters wie in die eines reichen Versicherungsagenten, der sich eine Wohnung im noblen Apartmentkomplex kauft. Auch bei seinen Kunden weiß er ganz genau, wie er "sein" muss, um die Unterschrift unter den Vertrag zu bekommen. Kalliope (die eigentlich noch nicht einmal so heißt) wurde als Kind von ihrer Mutter einmal quer durch den religiösen Kosmos geschleift, vom Hinduismus über eine Spielart des Buddhismus oder Naturreligionen bis zum Islam oder dem Unitarismus. Danach ist Sex an die Stelle der Religion getreten; das Bett der hübschen Kalliope steht jedem Mann offen, aber ähnlich wie Sam ist auch sie nicht mit dem Herzen dabei. Beide tun, beide sind, was gerade in der Situation erwartet wird und von Nutzen ist. Wer sie wirklich sind, wissen beide nicht so genau.
Dieses fragile Gebilde bringt Old Man Coyote in seiner naiv-unverschämten Art völlig zum Einsturz. Er ist ein Spieler, der schon mal seinen Arsch verwettet (wortwörtlich, er hat ihn dann mit einem Messer abgeschnitten und dem Gewinner übergeben). Und er begreift oft gar nicht, was er mit seinen Aktionen anrichtet, welche Bedeutung seine Auftritte für Sams Job, sein Vorstrafenregister oder seinen Blutdruck haben. Dadurch sorgt er aber gleichzeitig auch für einen großen Teil des Humors in "Blues für Vollmond und Kojote". Coyotes Auftritt im Kasino, um nur ein Beispiel zu nennen, lässt den Leser vor Lachen in der sprichwörtlichen Ecke liegen.
Dabei geht das Lachen aber nie wirklich auf Kosten der Protagonisten. Im Gegensatz zu manch anderem Autor macht Christopher Moore sich nicht über seine Figuren lustig, demontiert sie nicht oder zieht sie gar ins Lächerliche. Einige von ihnen haben eine mehr oder minder große Macke, aber sie bleiben immer "echt", psychologisch nachvollziehbar.
Für übermäßig prüde Leser ist der Roman, wie die meisten dieses Autors, übrigens nicht geeignet. Denn die könnten sich gar erschrecken, wenn Old Man Coyote Sams Sekretärin mal eben im Vorzimmer, ähm, "durchzieht" oder eine Fotokopie seines Glieds an sämtliche Geschäftspartner faxt. Weniger zum Erschrecken ist eine andere Gewohnheit von Christopher Moore, nämlich Charakteren aus früheren Romanen kleinere oder auch größere Auftritte zu geben. So begegnet der Leser auch hier einigen Bekannten aus dem "Kleinen Dämonenberater" wieder.
Fazit:
Einer der unbekannteren Romane von Christopher Moore, der sich aber nicht hinter den anderen zu verstecken braucht.
| |
Christopher Moore
Blues für Vollmond und Kojote
Coyote Blue
Übersetzer: Christoph Hahn
Erscheinungsjahr: 2008
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
Preis: € 8,95
ISBN: 978-3-442-54238-3
416 Seiten
|