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Leseprobe aus "Ohne Strom und fließend Wasser"
Vorwort März 2009

"Jetzt seid Ihr wohl vollkommen durchgedreht!", "Das packt Ihr doch niemals!" und "Ich gebe Euch kein halbes Jahr da oben!" waren einige der Kommentare, die wir uns anhören mussten, als wir unsere Familien, Freunde und Bekannte darüber informierten, daß wir vorhatten, nach Schweden auszuwandern. Noch arger wurde es, als wir ihnen berichteten, daß unser zukünftiges Zuhause über keinen Strom und damit auch über kein fließendes Wasser verfügte. Das Kopfschütteln nahm kein Ende, und von vielen Seiten wurden wir belächelt. Positive Reaktionen waren selten.

Auch unsere neuen Nachbarn, bei denen wir uns in den ersten Tagen nach unserem Umzug vorstellten, sahen uns ungläubig an: Wir hätten doch wohl nicht allen Ernstes vor, in dem unisolierten und nicht winterfesten Freizeithaus zu wohnen?! Und dann noch ohne Strom?!

Erwartet hat wohl niemand, daß wir wirklich durchhalten würden. Und doch: Über sechs Jahre ist es jetzt her, daß wir Deutschland verließen, um uns ein neues Leben im schwedischen Wald aufzubauen. Wir haben diesen Schritt nie bereut und nicht vor, jemals wieder zurückzukehren.

Zugegeben, anfangs hatten wir mit vielen Problemen zu kämpfen, und gerade die ersten Winter in unserem Häuschen waren sehr hart, dennoch möchten wir diese Zeit nicht missen. Sie hat uns zusammengeschweißt und uns gezeigt, daß es durchaus möglich ist, auf die meisten Errungenschaften der Zivilisation zu verzichten. Inzwischen ist es selbstverständlich für uns, ohne Strom zu leben, und wir sind immer wieder überrascht, wie sehr der durchschnittliche Mitteleuropäer vom Strom abhängig geworden ist. Das einzige, das ich die ganzen Jahre über wirklich vermißt habe, war eine eigene Waschmaschine.

Heute lächelt niemand mehr mitleidig, wenn wir erzählen, daß wir seit fast sieben Jahren ohne Strom leben. Wir gelten zwar als die durchgeknallten Deutschen, aber man hat aufgehört, sich über uns lustig zu machen.

Anfangs ging es uns darum, der von uns als bedrückend empfundenen BRD zu entfliehen. Die Konsumgesellschaft mit ihrer rücksichtslosen Ausbeutung der Erde und unserer Mitgeschöpfe lehnten wir ab, wir wollten uns davon abgrenzen, gesünder und naturnäher leben und uns mehr eingebunden fühlen in den ewigen Kreislauf der Natur. Als Nebeneffekt erhofften wir uns, mehr Zeit für uns und unsere Interessen zur Verfügung zu haben.

Wie naiv sind wir doch an diese Sache herangegangen! Wir hatten nicht die geringste Vorstellung davon, welcher zeitliche und vor allem auch finanzielle Aufwand mit dem Kauf des alten Freizeithauses auf uns zukommen sollte. Wir verfügten über keinerlei Eigenkapital, keinerlei finanzielle Reserven, lebten sozusagen von der Hand in den Mund. Viele Probleme erwischten uns gänzlich unvorbereitet, und oft galt es, kreativ zu sein und Lösungen zu finden, auch einmal die Zähne zusammenzubeißen.

Im laufe der Zeit wurde uns bewußt, daß es unser eigentliches Ziel war, überhaupt nicht mehr auf die Gesellschaft angewiesen zu sein und unsere Lebensmittel so weit wie möglich selbst zu produzieren. Wir hatten uns entschlossen, Selbstversorger zu werden.

Dieses Buch soll Euch über diese ersten Jahre ohne Strom und fließend Wasser berichten.

Der erste Schritt in unsere neue Zukunft

Ein wenig mulmig wurde uns doch, als wir uns endlich für unser Häuschen entschieden hatten. Ohne Strom? Nicht winterfest? Würden wir das wirklich schaffen, oder muteten wir uns damit zuviel zu? Aber was hatten wir schon zu verlieren? Der Sprung ins kalte Wasser hatte noch niemandem geschadet, und ausprobieren wollten wir es auf jeden Fall. Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor war die Tatsache, daß wir uns das Haus noch gar nicht von innen angesehen hatten, da der Besitzer den Schlüssel mit in seinen Skiurlaub genommen hatte, statt ihn dem Makler zu übergeben. Unsere Besichtigung hatte sich daher darauf beschränkt, von außen durch die Fenster der unteren Etage zu blicken und Scheune und Holzschuppen von innen anzusehen. Verrückt eigentlich, aber so war es. Dennoch hatten wir das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Wir unterschrieben also den Kaufvertrag, vereinbarten mit dem Makler einen Termin und fuhren Mitte November nach Schweden, um den Schlüssel für unser zukünftiges Zuhause in Empfang zu nehmen. Eine Nacht würden wir dort verbringen und dann nach Deutschland mit seinen vielen Verpflichtungen zurückkehren.

Die Dunkelheit brach früh herein, so daß wir die Formalitäten bei Kerzenlicht erledigten. Zweimaliges Händeschütteln, und Makler und ehemaliger Besitzer unseres Traumhauses entschwanden in die Dunkelheit.

Bald prasselte ein Feuerchen im offenen Kamin im Wohnzimmer. Mit einer Flasche Wein saßen wir glücklich in unserem neuen Zuhause und stießen auf unser Häuschen an. Auf dem Campingkocher wärmten wir uns zwei Suppen auf, leerten eine zweite Flasche Wein und verbrachten dann die Nacht in unserem ausgebauten VW- Bus.

Am nächsten Tag inspizierten wir Haus und Grundstück aufs genaueste, um auch die anstehenden Renovierungsarbeiten planen zu können.

Unser Häuschen lag einsam im Wald an einem schmalen Waldweg, von Nachbarn war weit und breit nichts zu sehen. Die Stille war unglaublich, man konnte fast meinen, allein auf der Welt zu sein.

Das Wohnhaus war aus ganzen Baumstämmen gezimmert und über zweihundert Jahre alt. Es verfügte über einfach verglaste und noch mundgeblasene Sprossenfenster, die an einigen Stellen gesprungen waren. Die Farben der Wände und Decken empfanden wir als unerträglich: Rosa der Flur und die Küche, das Wohnzimmer hellblau, und die Tapete im dritten Zimmer war in einem undefinierbaren, schmutzigem Graubraun gehalten. Die Treppe zum Dachboden war steil und lebensgefährlich, das Dach selbst nicht isoliert, der Dachboden hatte noch nicht einmal einen richtigen Fußboden. Die einzigen Wärmequellen waren ein alter Holzherd in der Küche und ein offener Kamin im Wohnzimmer.

Das Grundstück war vollständig verwildert und zugewachsen, der Waldrand nur einige Meter vom Haus entfernt. Umgestürzte Bäume lagen auf der Wiese, die seit Jahren keinen Rasenmäher mehr gesehen hatte. Der gegrabene Wasserbrunnen lag etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt, das Plumpsklo ebenfalls. Zudem gab es einen alten Erdkeller, eine kleine Scheune und einen Holzschuppen, der unser Gästehaus werden würde, momentan allerdings nur aus einer rohen Bretterwand gezimmert war und vom vorherigen Besitzer anscheinend als Müllablageplatz benutzt worden war, genauso wie die Senke hinter der Scheune, in der sich der Müll meterhoch türmte.

Es war kalt, windig und regnerisch, und nach unserem Rundgang und einem kleinen Ausflug in den Wald war ich froh, wieder vor dem Kamin im Wohnzimmer zu sitzen. Der Abschied fiel uns schwer, wußten wir doch nicht, wann wir das nächste Mal wieder hierher kommen konnten.

Obwohl wir nicht nur das Haus, sondern auch die Anreise für die Schlüsselübergabe von der Bank hatten finanzieren lassen müssen, fühlten wir uns bereits jetzt unserem Ziel näher. Wir besaßen jetzt ein eigenes kleines Häuschen in Schweden, eine Rückzugsmöglichkeit, die niemand außer uns kannte. Es war ein Stück Freiheit. Und das machte uns froh.

Weiter geht es in "Ohne Strom und fließend Wasser" von Cordula von Dolsperg.


Special vom: 14.11.2009
Autor dieses Specials: Henning Kockerbeck
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Interview mit Cordula von Dolsperg, Teil 1
Interview mit Cordula von Dolsperg, Teil 2
Interview mit Cordula von Dolsperg, Teil 3
Interview mit Cordula von Dolsperg, Teil 4
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