Um Haaresbreite
Story:
Heidi Milligan forscht in den Archiven der Vereinigten Staaten für ihre Doktorarbeit. Dabei stößt sie auf Hinweise auf einen „Nordamerikanischen Vertrag“. Ohne zu wissen, um was es sich handelt, kontaktiert sie mehrere Regierungsstellen. Während sie dem Geheimnis immer stärker auf der Spur ist, beginnen sich aber auch die Geheimdienste Großbritanniens und Kanadas für das Schriftstück aus dem Jahr 1914 zu interessieren. Denn darin verkaufte Großbritannien die kanadischen Provinzen an die USA. Nur liegt die amerikanische Kopie auf dem Grund eines Flusses, die britische Kopie wurde bei einem Schiffunglück im St. Lorenzstrom versenkt und die kanadische Kopie scheint auch verschollen. Dirk Pitt wird damit beauftragt nach den beiden Kopien zu suchen, von denen man weiß, wo sie sind…
Meinung:
Zeitlos ist dieser Roman sicher nicht. Cussler hatte sich keinen Gefallen getan, als er das genaue Datum angab. Denn 1989, das Jahr in dem der Roman spielt, war das Jahr des Mauerfalls in Berlin und überhaupt ein Jahr der Öffnung des Ostens gegenüber dem Westen. Eine düstere Prognose der Zukunft zu beschreiben, in der die Provinz Quebec gestützt durch die UdSSR sich abspaltet, überholte sich dadurch von selbst. Auch die Energieknappheit, die er beschreibt, werden wir frühestens in zwanzig Jahren zu spüren bekommen und es bleibt zu hoffen, dass diese durch alternative Energien abgewendet werden kann. Die Zeit hat also die Grundlagen des Romans eher ins Gegenteil verkehrt. Man muss Cussler hier daher ein hohes Maß der künstlerischen Freiheit zugestehen, um über diese offensichtlichen Probleme im Setting hinwegsehen zu können.
Wenn man das aber mal außen vorlässt, unterhält der Roman sehr gut und spannend bis zum Schluss. Die Spannung bricht an keiner Stelle ein. Und das ist auch mehreren als sehr gut zu bezeichnenden Umständen zu verdanken. Cussler stellt mehrfach in diesem Band Verbindung zu früheren Bänden her (Hebt die Titanic! und Der Todesflug der Cargo 03 – letztere Verbindung durch die Weiterführung des Charakters der Heidi Milligan). Das führt zu einer gewissen inneren Geschlossenheit der Reihe, die die früheren Bände nicht als Einzelwerke dastehen lässt, sondern eine Continuity herstellt. Etwas in der Art gibt es im Thrillerbereich nur selten.
Aber auch die Einführung des alternden britischen Geheimagenten Brian Shaw kann nur als genialer Schachzug angesehen werden. Ganz klar sind die Parallelen zu James Bond zu erkennen. Denn Shaw spricht einmal davon, dass er kurz verheiratet war, seine Frau aber kurz nach der Hochzeit ermordet wurde. Dies ist ein Hinweis auf den Schluss des Bond-Films „Im Auftrag Ihrer Majestät“ mit George Lazenby. Und dann hat sein Geheimagent vor allen in den Fünfzigern und Sechzigern gewirkt. Sein Chef hatte eine Sekretärin, der nun wieder trifft und mit ihr über die alten Zeiten sinniert. All dies sind sehr geschickt gelegte Reminiszenzen auf James Bond zu sein. Ganz klar wird damit Bezug auf die Filme mit Sean Connery Bezug genommen. Die Anspielungen münden in einem Bond-typischen Kampf mit einem ihm körperlich überlegenen Gegner, aus dem er nur mit Hilfe von Pitt als Sieger herausgeht. Die Beiden stehen sich anschließend friedlich gegenüber und zeigen sich gegenseitig ihren Respekt, ganz so, als wollte Cussler hier eine Art Übergabe an seinen Helden inszenieren. All dies ist schon alleine die Lektüre des Thrillers wert.
Besonders gelungen ist jedenfalls das Spiel mit Intrigen und Verschwörungen speziell in Kanada. Die Art und Weise, wie der Premierminister aus dem Weg geräumt werden soll, ist so noch nie beschrieben worden. Eine Boden-Luft-Rakete gegen Canada One – wer kommt schon auf eine solche Idee? Besonders dieser plastische Stil, mit dem diese Ereignisse beschrieben werden, ist es, der die Dirk Pitt-Thriller auszeichnet. Es werden genügend Einzelheiten erzählt, um sich ein Bild zu machen. Aber es wird auch so viel ausgelassen, dass der Leser seine Phantasie noch ein wenig gebrauchen muss.
Fazit:
Cussler beweißt auch mit diesem Buch, dass er zur Elite der Thrillerautoren gehört. Seine Einfälle sind originell und versprechen ein langes Lesevergnügen. Sieht man einmal von der zeitlichen Komponente ab, ist auch dieses Buch ein erfolgreicher Versuch Spionage-Geschichten ein wenig anders zu erzählen, als es seine Kollegen in der Regel machen. Um Haaresbreite ist spannend, gut erzählt und mit interessanten Charakteren ausgestattet.
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Clive Cussler
Um Haaresbreite
Night Probe
Übersetzer: Helmut Kossodo
Erscheinungsjahr: 1981
Autor der Besprechung:
Bernd Glasstetter
Verlag:
Goldmann Verlag
Preis: € 8,50
ISBN: 3-442-09555-7
399 Seiten
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