Schuld und Sühne
Story:
St. Petersburg 1865: Rodion Raskolnikow, ein armer Student, plant den Raubmord an der reichen Witwe Aljona Iwanowna. Gut vorbereitet schreitet er in ihrer Wohnung zur Tat. Doch kurz nach dem Mord erscheint die Schwester der Ermordeten am Tatort, und Raskolnikow ist gezwungen, auch sie zu töten.
Bei seinen Vorbereitungen erschien Raskolnikow sein Vorhaben als der perfekte Mord und die einzig gute Möglichkeit, sein Leben finanziell wieder auf die Beine zu stellen; doch nach der Ausführung dieser grauenerregenden Tat plagen ihn die Zweifel, ob der Mord auch tatsächlich unaufklärbar sei. Sein Gewissen und sein eigener Verstand bringen ihn dazu, zu überlegen, ob der Mord mit seiner Überzeugung, dass es dem „großen“ Menschen erlaubt sei, „lebensunwertes“ zu vernichten, um „lebenswertes“ zu erhalten, gerechtfertigt sei.
Doch am Ende erliegt er seiner eigenen Psyche, welche die Last der Schuld nicht tragen kann und um Sühne bittet. In seinen Qualen lernt Raskolnikow neue Menschen kennen und mach Erfahrungen, die ihn sein ganzes Leben prägen sollen...
Meinung:
Über dieses Buch kann man viel schreiben, aber eines ist gewiss: Es ist der beste Roman Dostojewskis, denn er vereint Kriminalgeschichte mit Philosophie und Psychologie und bietet auf jedem einzelnen der drei Themengebiete spannende und zum Nachdenken anregende Aspekte, die weder Mankell, noch Sokrates oder Freud hätten besser gestalten können.
Raskolnikows Ängste und Befürchtungen, aber auch Freuden und Begierden sind äußerst realistisch und doch in einer bestimmten Weise poetisch ausgedrückt. Der Mord an sich wird im Laufe der Geschichte in den Hintergrund gestellt und ist nur die Zündung zum philosophischen Marathon, den Raskolnikow bewältigen muss.
Der Roman ist durchaus lang und schwer zu lesen, doch die Fragen über Leben, Lieben und Leiden sind nicht auf die damalige Zeit beschränkt und gelten somit auch heute noch. Hinzu kommt die fein eingearbeitete Kritik am Russland des 19. Jahrhunderts, welche man in jedem von Dostojewskis Werken finden kann. Doch es geht nicht nur um den Hauptprotagonisten Raskolnikow, sondern um jedes der beschriebenen Einzelschicksale, wie die tragische Geschichte der armen Sonja Semjonowna, die für ihre Familie zur Prostituierten wird.
Doch auch innerhalb Raskolnikows Familie spielt sich ein Konflikt ab: Raskolnikows Schwester Dunja ist im Inbegriff den reichen Anwalt Swidrigailow zu heiraten. Die Mutter ist von dessen Reichtum geblendet und übersieht die großen Qualen, die ihre Tochter durchmachen muss, um die Familie zu ernähren. Die Gedankengänge, in denen Raskolnikow die Verhinderung der Heirat plant, drückt Dostojewski so realistisch aus, dass man denkt, man sei selbst der Bruder und müsse seine Schwester vor dem Unglück bewahren. Aber das Buch bietet nicht nur einen spannenden Hauptteil, sondern auch ein Ende, das man nicht als Happy End ausdrücken kann.
Fazit:
„Schuld und Sühne“ ist ein Buch von großer Bandbreite. Es ist ein Meisterwerk der russischen Literatur und beschäftigt nicht nur Kriminalistikfreunde, sondern auch alle, die gerne über das Leben nachdenken und es aus einer anderen Sichtweise sehen wollen. Dieses Buch ist etwas für Denker. Für zu junge Leser sind die teilweise selbstzerstörerischen und depressiven Gedankengängen allerdings nicht geeignet.
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Fjodor M. Dostojewski
Schuld und Sühne
Prestuplenie i nakazanie
Übersetzer: Richard Hoffmann
Originalsprache: Russisch
Erscheinungsjahr: 1866
Autor der Besprechung:
Ingo Albert
Verlag:
dtv
Preis: € 11,50
ISBN: 3-423-12405-9
747 Seiten
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