Die Stadt der Träumenden Bücher
Story:
Als der Pate des jungen Dichters Hildegunst von Mythenmetz stirbt, hinterlässt er seinem Schützling nur wenig mehr als ein Manuskript. Dieses aber ist so makellos, dass Mythenmetz sich gezwungen sieht, dem Geheimnis seiner Herkunft nachzugehen. Die Spur führt nach Buchhaim, der Stadt der Träumenden Bücher. Als der Held sie betritt, ist es, als würde er die Tür zu einer gigantischen Buchhandlung aufreißen. Er riecht den Anflug von Säure, der an den Duft von Zitronenbäumen erinnert, das anregende Aroma von altem Leder und das scharfe, intelligente Parfüm von Druckerschwärze. Einmal in den Klauen dieser buchverrückten Stadt, wird Mythenmetz immer tiefer hineingesogen in ihre labyrinthische Welt, in der Lesen noch eine wirkliche Gefahr ist, in der rücksichtslose Bücherjäger nach bibliophilen Schätzen gieren, Buchlinge ihren Schabernack treiben und der mysteriöse Schattenkönig herrscht.
Meinung:
Das ist er also, der neue Zamonien-Roman. Und wie immer schafft es Moers, den Leser sofort in seinen Bann zu ziehen. Allein die Idee einer Stadt, deren Existenz ausschließlich auf Büchern besteht, ist so herrlich absurd witzig, dass man Moers’ Meisterwerk nicht mehr aus der Hand legen kann. Die einfallsreiche Story und die wie immer sehr gut ausgearbeiteten Charaktere werden dabei schon fast zum Beiwerk.
Selten schafft es ein Roman, einen derartig zu fesseln. Sei es nun bei der abschweifenden Nebenerzählung der Geschichte der Buchjäger mit ihrem Helden Colophonius Regenschein oder bei Mythenmetz’ Abenteuer selbst – man kann es kaum abwarten, umzublättern.
Moers Genialität besteht auch darin, mit jedem seiner Zamonien-Romane etwas Einzigartiges und Neues zu schaffen. Wobei er immer wieder gekonnt Anspielungen auf die vorherigen Romane einbaut, die den Neuleser nicht verwirren, aber dem Zamonien-Fan natürlich sofort auffallen.
Von der Erzählperspektive ist „Die Stadt der Träumenden Bücher“ dem Roman, mit dem alles begann – „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ – sehr ähnlich. Die Form des „autobiografischen“ (von Moers „aus dem Zamonischen übersetzten“) Berichtes der erzählenden Figur ist angenehm zu lesen und erlaubt die bereits erwähnten zwischenzeitigen Abschweifungen in Form von Gedanken, Rückblenden und Ähnlichem. Dies mindert zwar den Lesefluss an einigen Stellen etwas, nicht jedoch den Unterhaltungswert.
Gegen die Fantasie von Walter Moers kann sich niemand wehren. Gefährliche, alles fressende Bücher; Buchjäger, die in den Katakomben unterhalb der Stadt Jagd auf die seltensten Romane und Erzählungen machen; ein Schattenkönig, der Grauen und Tragik zugleich verkörpert; die „schrecklichen“ Buchlinge, die sich selbst nach den besten Schriftstellern Zamoniens benennen – wem würde sonst so etwas einfallen?
Um die Kollegen der „Zeit“ zu zitieren, die zu „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ sagten: „Das ist Tolkien ohne Gut/Böse-Dichotomie und Michael Ende ohne esoterische Heilsbotschaften.“ Besser kann man es wohl nicht ausdrücken. Wie mir auf der Buchmesse bestätigt wurde, wird im Übrigen auch dieser Roman im Laufe des Jahres als von Dirk Bach gelesene vollständige Hörversion bei Hörbuch Hamburg erscheinen. Wer also keine Zeit zum Lesen hat, sollte spätestens dann zugreifen. Denn jede Moers-Lesung eines Bach ist ein Erlebnis für sich. Preislich hat natürlich die Buchausgabe den Vorteil, denn die Hörfassung dürfte wohl wieder um die 20 CDs haben und rund 70 Euro kosten...
Fazit:
Wie bei bisher fast allen Moers-Romanen lautet die Devise eindeutig: Muss man haben. Fantasy-Fans werden ihre helle Freude haben, Moers-Fans sowieso und auch sonst kann das Buch allen, die das Lesen lieben, empfohlen werden. Denn neben einer einfach fantastischen Geschichte ist „Die Stadt der Träumenden Bücher“ auch eine Hommage ans Lesen und die größten Autoren. Na, wer findet alle Roman- und Autoren-Anspielungen?
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