Die Fäden der Zeit
Story:
Kai lebt mit ihrem Bruder Reev im Labyrinth, den Slums von Ninurta. Eines Tages verschwindet er und sie macht sich auf, ihn zu suchen. Doch dabei müsste sie ihr größtes Geheimnis verraten. Denn sie kann die Fäden der Zeit sehen und manipulieren.
Meinung:
Mit "Die Fäden der Zeit" liegt jetzt der Debütroman der Autorin Lori M. Lee auf Deutsch vor. Es ist der Auftakt einer Buchreihe, deren zweiter Teil bereits in den USA erhältlich ist. Doch im Prinzip ist interessanter als der Roman die Biographie der Autorin.
Denn die wurde in Laos geboren und floh dann mit ihrer Familie. Sie verbrachte einige Jahre in einem Flüchtlingskamp in Thailand, ehe sie dann in die Vereinigten Staaten auswanderte. Inzwischen ist sie glücklich verheiratet und lebt in Wisconsin. Neben ihrer Arbeit als Autorin arbeitet sie als Internetexpertin für eine große Zeitschrift.
Das Labyrinth; so werden die Slums der Stadt Ninurta genannt. Es handelt sich um eine chaotische Ansiedlung von Containern, weit außerhalb der Stadtmauern. Hier lebt die 17-jährige Kai gemeinsam mit ihrem Bruder Reev. Sie hat ein Geheimnis: Sie kann die Fäden der Zeit sehen und manipulieren. Eine Fähigkeit, die sich bald als nützlich erweist, als ihr Bruder verschwindet.
Es gibt nicht viele Hinweise. Doch diejenigen, die sie findet, deuten auf die Schwarzen Reiter. Mysteriöse Gestalten, die immer wieder die Stadt und ihre Bewohner heimsuchen. Gemeinsam mit Avan, ihrem einzigen Freund, macht sich Kai auf die Suche nach diesen mysteriösen Figuren. Und entdeckt dabei schockierendes.
Wenn man an das Genre "Fantasy" denkt, denkt man vor allem an Drachen, Ritter und Magier. "Die Fäden der Zeit" wird ebenfalls dieser literarischen Kategorie zugerechnet. Doch in Wahrheit wirkt es stellenweise wie eine gelungene Mischung aus Fantasy und Science Fiction.
Es wird vieles nur angedeutet. Doch anscheinend existiert Ninurta in einer Welt, die einst eine Apokalypse heimgesucht hatte. Die Natur hat sich stark verändert und immer noch gibt es Überreste der alten Welt. Dazu zählen nicht nur die Container, in denen Kai mit ihrem Bruder lebt. Sondern auch die Grautiere, mechanisierte Reit oder Zugmaschinen, die durch Energiesteine angetrieben werden.
Und doch ist dieser Roman fest im Fantasy-Genre verortet. Es gibt Magie und viel Mystik. Die SciFi-Elemente sind nur ein nettes Addendum, die die Atmosphäre des Buches verstärken, ohne dass es irritiert.
Die Geschichte selbst liest sich spannend und abwechslungsreich. Die Motivation von Kai und ihrem Freund Avan wird glaubwürdig erzählt. Und man sitzt auf der Stuhlkante, wie sich die Handlung fortentwickelt.
Denn Lori M. Lee weiß, wie sie den Leser packt. Immer wieder baut sie einen überraschenden Plot Twist ein, den man so nicht hat kommen sehen. Wiederholt gibt es Enthüllungen, mit denen man nicht gerechnet hat. Sie überrascht den Leser, packt ihn und hält ihn bei Laune. Besser kann es doch eigentlich nicht sein, oder?
Leider gibt es einige Mankos, die den Gesamteindruck stören. Da ist zum einen die Beziehung zwischen Kai und Avan. Es wird deutlich, dass sie einiges füreinander empfinden. Doch irgendwie traut sich die Autorin nie, den finalen Schritt zu gehen. Stattdessen tanzt sie um das Thema herum, wie um den heißen Brei.
Was ebenfalls negativ auffällt ist die Tatsache, dass die letzten Kapitel dazu verwendet werden, um viele Hintergründe über die Handlung aufzuklären. Man hat im Prinzip das Finale und dann kommen noch einmal eine Menge weitere Buchabschnitte, in denen erläutert wird, was genau wieso passiert ist. Das alles hätte man längst vorher erledigen können und müssen. So hat man das Gefühl, dass das Buch einfach so ausläuft.
Und deshalb wird der Roman auch nur "Für Zwischendurch" empfohlen?
Fazit:
Mit "Die Fäden der Zeit" präsentiert Lori M. Lee einen Fantasy-Roman, der ein ungewöhnliches Setting hat. Er hat leichte SciFi-Elemente, die jedoch nicht zu dominant sind. Die Story liest sich spannend und abwechslungsreich. Denn die Autorin weiß, wie sie den Leser packt. Leider bleibt die Autorin von Kai und Avan im Ungefähren und schreckt davor zurück, die Beziehung zu konkretisieren. Auch die Tatsache, dass ein Großteil des letzten Teils des Buches dafür verwendet wird, wichtige Elemente der Handlung nachträglich zu erklären, gefällt nicht wirklich.
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