Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle
Story:
Helmut Kohl unverfälscht: In diesem Buch kommt der Ex-Kanzler persönlich zu Wort.
Meinung:
Der Streit um das politische Erbe von Helmut Kohl ist in vollem Gange. Es geht dabei vor allem die Tonbänder, die Heribert Schwan als Ghostwriter der Autobiographie des Ex-Kanzlers angefertigt hat. 630 Stunden waren darauf zu finden, die er auf gerichtliche Anordnung an die Familie Kohl zurückgeben musste. Eine kontroverse Entscheidung.
Immerhin hat er die Aufnahmen vorher abgeschrieben. Und jetzt präsentiert er gemeinsam mit Tilman Jens einen Auszug davon. Der Titel des Bandes ist programmatisch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle".
Heribert Schwan hat bereits zuvor für Aufsehen gesorgt. Seine Biographie über Hannelore Kohl, "Die Frau an seiner Seite", war nicht unumstritten. Und dann natürlich der öffentlich geführte Streit um die Aufnahmen.
Ihm zur Seite steht der 1954 geborene Journalist Tilman Jens. Jener wohnt in Frankfurt am Main und hat über Mark Twain oder Axel Springer geschrieben. Des Weiteren hat er zahlreiche Fernsehdokumentationen für ARD und arte produziert und arbeitet regelmäßig für Kulturmagazine wie zum Beispiel "Kulturzeit" auf 3sat.
Bereits vor Veröffentlichung des Buches gab es viel Aufmerksamkeit, als einige Zitate vorab veröffentlicht wurden. Besonders die nicht sehr schmeichelhafte Beschreibung Angela Merkels, dass sie nicht richtig mit Messer und Gabel essen könne, sorgte für Furore. Und so gab es Versuche, die Publikation des Bandes zu verhindern, oder zumindest einige Passage rauszunehmen.
Tatsächlich konnte der Band zunächst ohne Veränderungen erscheinen. Erst nach einiger Zeit gelang es dem Anwalt von Helmut Kohl, vor Gericht einen Erfolg zu erringen. Laut dem Urteil dürften zahlreiche Äußerungen aus dem Buch nicht mehr veröffentlicht werden.
Man sieht also, dass die Ereignisse rund um die Veröffentlichung schon fast interessanter sind, als der Inhalt. Dabei stellt sich die Frage, wie dieser überhaupt ist? Ob er den ganzen Trubel überhaupt gerechtfertigt ist?
Um es gleich vorab zu sagen: Die Aussage von Angela Merkel ist nicht die einzige harte, die der ehemalige Bundeskanzler trifft. Wiederholt keilt Kohl förmlich aus. Seine Welt unterteilt sich in zwei Sparten: Diejenigen die seine Freunde sind. Und diejenigen, die das nicht sind.
Es ist nicht die einzige Schwarz/Weiß-Sicht, die er hat. Auch was seine Taten angeht, besonders die Sache mit dem Ehrenwort fällt darunter. Alles, was er getan hat, war rechtens. Wenn jemand anderes so etwas tun würde, dann wäre es verwerflich.
Solche Aussagen sorgen jetzt natürlich nicht dafür, dass Helmut Kohl einem sympathisch wird. Und doch regt sich Mitleid für ihn. Denn hinter all der Rage, all der Wut verbirgt sich ein Mann, der sich um sein Erbe sorgt. Der versuchte, mit seiner Biographie sich selbst und sein Werk vor der Nachtwelt zu rechtfertigen. Da trifft der Titel "Vermächtnis" perfekt zu.
Und so hat man ein Buch vor sich, das eine interessante Innenansicht des Kanzlers bietet. Die Aussagen sind perfekte Appetizer, die in einem das Verlangen wecken, mehr zu wissen. Am besten in der Form, dass alle Protokolle veröffentlicht werden.
Und darum geht es auch den Autoren. Auch wenn sie es nicht aussprechen, haben sie mit dem Band eben nur ein einziges Ziel: Den Druck der Öffentlichkeit auf Helmut Kohl so stark zu erhöhen, dass er am Ende einknickt und dieser juristische Streit positiv beigelegt wird.
Für dieses Ziel sind die Autoren dann auch bereit, einiges zu tun. Sie berichten nicht neutral, sondern bewerten die Aussagen des Ex-Kanzlers. Teilweise fallen die Kommentare, vor allem von Tilman Jens, schon fast hämisch aus. Damit tun sie sich selbst und ihrem Anliegen keinen Gefallen.
Auch muss man deshalb die Aussage "Ungefiltert" in Frage stellen. Denn das trifft nicht zu. Vielmehr stellen sie einzelne Zitate der Protokolle in einen Zusammenhang und konzentrieren sich mehr darauf, die Hintergründe darzulegen, anstatt die Worte von Helmut Kohl für sich allein wirken zu lassen.
Deshalb vermindert sich auch die Aussagekraft des Buches. Es wird "Für Zwischendurch" empfohlen, auch wenn die Sprengkraft der Zitate an sich nicht minimiert wird.
Fazit:
Mit "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" haben Heribert Schwan und Tilman Jens vor allem ein Ziel: Mit einer Vorabauswahl einiger Kohl-Zitate für Furore und Aufsehen zu sorgen. Das Langzeit-Ziel ist vermutlich, ausreichend öffentlichen Druck zu erzeugen, um die vollständige Freigabe der Tonbandaufnahmen zu erreichen. Doch das merkt man dem Buch an, denn ist nicht "Ungefiltert". Auch die teilweise hämischen Kommentare tragen nicht eben dazu bei, dass sie ihr Ziel erreichen dürften. Trotzdem kann man dem Band Sprengkraft der Zitate nicht abstreiten. Denn die ist wirklich vorhanden. Die Schwarz/Weiß-Sicht des Ex-Kanzlers tritt dabei deutlich zu Tage. Gleichzeitig wird jedoch auch klar, dass sich hier jemand um sein titelgebendes Vermächtnis sorgt.
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