Portrait of a City - Los Angeles
Story:
Los Angeles - Die Stadt der Engel. Für die einen ist L.A. ein Megamoloch voller Aggression, Müll, Gestank und stressigem Trubel. Andere sehen hier den Spielplatz aller Emotionen und amerikanischer Träume - die Wahrwerdung des American Dream in urbaner Form, The American Way of Life in Reinform! Wo, wenn nicht hier, wird der Tellerwäscher über Nacht zum Filmstar und erklimmt die Hollywood Hills auf einem Bein? Los Angeles gehört sicherlich zu den vielseitigsten Metropolen dieser Welt und hebt sich durch etliche Besonderheiten von anderen amerikanischen Großstädten ab: Mit seinen Stränden, Hügeln, weitläufigen Flächen, verstopften Highways, ausladenden Straßen, Luxuswohngebieten, überfüllten Vierteln und fein säuberlich angeordneten Wohngebieten, seinen glamourösen Ecken oder schummrigen Gegenden ist Los Angeles unglaublich vielfältig. Und gerade diese tolle Eigenschaft stellt Taschens Portrait of a City - Band in den Vordergrund!
Meinung:
Schon der Anflug auf LAX - L.A.s Megaairport ist nicht nur
der sechstgrößte Flughafen global gesehen sondern auch der drittgrößte der USA
- ist kein gewöhnlicher. Weit vor dem Ziel senkt sich die Maschine durch die
Wolkendecke herab. Bereits jetzt, 20 Minuten vor der Landung, breitet Los
Angeles am Boden seine Randbezirke aus. Eine leise Vorahnung der unfassbaren
Größe schleicht sich an. Mit nahendem Ziel im Westen der Stadt rücken Häuser
und Straßen näher zusammen, die zentrum-nahen Stadtteile sind enger, aber am
Maßstab einer Metropole gemessen, erstaunlich großzügig. Markant sind die
Schnellstraßen. Freeways, Highways und Interstates durchziehen L.A. wie Adern
einen robusten Körper. Spätestens wenn die Skyline Downtowns und der
millionenfach genutzte, verfluchte, von den ständigen Erdbeben gezeichnete
Highway 101 sichtbar wird, ist Los Angeles' Größe verstehbar.
Die im Kölner Kunstbuchverlag Taschen erschienene Stadtportrait-Reihe stellt
neben den bereits erschienen Ausgaben über London, New York, Berlin und Paris
in seinem fünften Band die amerikanische Westküstenmetropole vor. Klangvolle
Namen wie Hollywood, Bel Air, Studio City oder Wilshire zieren nur ein paar der
zahlreichen Stadtteile, die irgendwann zu Los Angeles zusammengewachsen sind,
aber längst nicht alles Nobel- und Szeneviertel sind. Der Band zeichnet die
Entwicklung dieser Megametropole von den frühesten Tagen bis in ihre heutige
Form ausführlich nach. Es ist erstaunlich, wie informativ und unterhaltsam dies
in gleichem Maße gelingt. Das Material hat einiges zu bieten. Bereits nach dem
Aufschlagen entfaltet sich vor dem Betrachter eine kartenähnliche Skizze des
1894er Los Angeles. Auf den Folgeseiten sind Entwicklungsgeschichte, Kultur und
Bedeutung nachgezeichnet, so dass ein umfassender Eindruck dieser so
außergewöhnlichen Stadt entsteht. Über insgesamt sieben Kapitel erstrecken sich
mehr als 570 Seiten dieses im positiven Sinne wahrhaften Schmökers (im Format
25 x 34 cm).
Das Buch macht was her. Wie viele Publikationen des Verlages ist auch dieser
Band hervorragend verarbeitet, optisch toll gestaltet und auffällig, weil
Format und Umfang den Schinken von kleinformatigen Bildbänden abheben. Doch
nicht nur äußerlich weiß das L.A.-Konterfei in Buchform zu überzeugen. Jedes
Kapitel führt mit üppigem Text in die behandelte Ära ein. Auf die Textseiten
folgt der Bildteil. Obwohl diese Abbildungen als Herzstücke des Bandes den
größten und aussagekräftigsten Teil einnehmen, ist der Wert der Textteile nicht
zu unterschätzen. Dieser rahmt das zu Sehende, vermittelt die wichtigsten
Basisinformationen, um den Weg der Stadt nachvollziehen zu können. Beginnend in
den Gründertagen 1862, verfolgt der Band die Historie der Stadtentwicklung über
den Bevölkerungszuwachs Anfang des 20. Jahrhunderts, bis zur
Weltwirtschaftskrise und dem Boom der Nachkriegsjahre. Wie wichtig die
Filmindustrie ist, die sich in den 1920er Jahren fest an der Westküste
etablierte, behandelt ebenso ein Kapitel wie die negativen Aspekte - ohne die
positiven Entwicklungen außen vor zu lassen - einer rasant wachsenden Metropole,
zwischen den Jahren 1965 bis heute, denen sich die abschließenden zwei Kapitel
widmen. Erstaunlich ist, dass über die gesamte Spannweite dieser Epochen stets
aussagekräftiges Bildmaterial gereicht wird. Ob dies nun Skizzen, Zeichnungen,
Pläne von öffentlichen Verkehrsmitteln, Schwarzweiß- oder Farbfotografien sind;
wer die Stadtarchive und sonstige Aufbewahrungsstätten so akribisch
durchgewühlt hat, um die Zusammenstellung auf den Buchseiten zu ermöglichen,
hat eine große Aufgabe gemeistert.
Dabei beschränkt sich der Band keinesfalls auf die urbane Entwicklung. Vor
allem die Kulturindustrie und ihre Akteure, aber auch sozial-gesellschaftliche
Aspekte finden sich spätestens ab den Kapiteln der Nachkriegszeit
berücksichtigen. Auf die sieben Kapitel folgen bibliografische Verzeichnisse.
Vor allem Cineasten dürfte die am Ende beigefügte Auflistung von wichtigen
L.A.-Filmen interessieren. Zudem sind den Buchseiten oftmals Filmplakate, aber
auch Cover wichtiger Film- und Musikwerke beigefügt, die durch Zitate und
markante Aussagen ergänzt werden und aufgrund ihres L.A.-Kontextes von
Wichtigkeit sind. Dies unterstreicht den Stellenwert von Medien- und
Kulturgütern für die Stadt. Die Elemente lockern die einzelnen Seiten auf,
geben Denkanstöße und verlagern die Aufmerksamkeit weg von den harten Fakten
hin zu den unterhaltsamen Faktoren. Spannend ist, dass die Buchseiten
abgestimmt wirken. Die einzelnen Elemente ergänzen sich. Der Verbund von Stadt
und Kulturindustrie wird auf diese Weise auch in diesem Werk erfahrbar. Von
hippen Typen bis Moviestarlets, über wichtigen Politiker, Cops und
Gangsterbosse personalisiert das Buch und stellt besondere Akteure der Stadt
vor. Schattenseiten, wie das organisierte Verbrechen und Bandenkriminalität,
bleiben nicht gesichtslos. Die Leistung dieses Bandes ist, eben nicht nur die
positiven Seiten der Megametropole zu zeigen, sondern auch Aspekte jenseits von
Glanz und Glamour oder des Easy Goings der Strandviertel zu beleuchten. Nur so
gelingt die umfassende Betrachtung, die den Band auszeichnet.
Abseits jeder Reiseliteratur stellt Portrait of a City - Los Angeles die
Stadt in ihrer gesamten Mannigfaltigkeit dar. Ganz früh, im Laufe der Zeit und
heute. Menschen, die von der Stadt der Engel fasziniert sind, werden durch den
umfassenden Textteil und die außergewöhnlich bemerkenswerten Abbildungen weit
in die Materie eintauchen und L.A. verstehen - was angesichts der
Vielseitigkeit der einzelnen Stadtteile für durchschnittliche Mitteleuropäer
eine ordentliche Herausforderung darstellt. Der Band unterstreicht die
Besonderheiten dieser fantastischen Metropole und zeigt, dass diese schon immer
gesonderter Betrachtung unterlag und diese exponierte Positionierung in allen
Belangen verdient hat.
Fazit:
Portrait of a City - Los Angeles ist ein umfangreiches Werk über die amerikanische Westküstenmetropole und deren Historie. Dabei zeichnet es ein umfassendes Bild aus den frühen Tagen bis heute. Interessant ist, dass der Band nicht ausschließlich die urbane Entwicklung Los Angeles' sieht, sondern darüber hinaus kulturelle, sozial-politische aber auch Facetten und Fakten aus Unterhaltung und Wirtschaft berücksichtigt. Personen und Akteure finden Erwähnung in Wort und Bild. Die von früheren Publikationen des Verlages bekannte hohe Qualität kann auch beim vorliegenden Band attestiert werden. Die Portrait of a City-Buchserie richtet sich an alle Leser, die die jeweilige Stadt anders, tiefergehender kennen lernen wollen, deren Rolle und Historie verstehen möchten. Nur ein persönlicher Streifzug durch Los Angeles' faszinierende Straßen, über die Berge und über seine einladenden Strände, kann mit den Eindrücken der Lektüre mithalten.
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Kevin Starr
Portrait of a City - Los Angeles
Originalsprache: englisch / französisch / deutsch
Erscheinungsjahr: 25. Oktober 2009
Autor der Besprechung:
Marcus Offermanns
Verlag:
Taschen
Preis: € 49,99
ISBN: 978-3836502917
572 Seiten
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