Survive
Story:
Das Leben des Polizisten Liam Coleman ändert sich gravierend, als er eines Morgens einem jungen Selbstmörder das Leben rettet. Noah - schwul, von seinem gewalttätigen Stiefvater nach seinem Outing aus dem Haus gejagt und vollkommen desillusioniert - hat keinen Ausweg mehr gesehen, als sich zu erhängen. Liam nimmt sich des verstörten jungen Mannes an, bietet ihm in seinem Haus einen Platz und beginnt Noah wieder aufzubauen. Unterstützt wird er dabei von seiner Verlobten Tamy, die der junge Polizist über alles liebt und bald heiraten will. Trotz seiner Gefühle für Tamy, schleicht sich schon bald der Junge in sein Herz und entsetzt muss dessen Retter feststellen, dass er bisexuell ist und sich Noahs Anziehungskraft nicht entziehen kann, zumal dieser sich schon längst in ihn verliebt hat.
Als Tamy davon erfährt, gewährt sie Liam drei Wochen mit Noah, um sich seiner Gefühle sicher zu werden und eine Entscheidung zu treffen. Für Liam bricht eine schwere Zeit an, liebt er doch beide gleichermaßen …
Meinung:
Mit dem erotischen Liebesroman "Survive" der Autorin El Sada wagt sich der junge Cupido Books-Verlag erstmals an einen Roman, der das Gay Genre streift. Bisher erschienen vorwiegend Erotikromane, die sich auf knisternde Abenteuer zwischen Mann und Frau konzentrieren, dieses Mal geht es durchaus auch im schwulen Bereich härter zur Sache. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei "Survive" nicht um einen reinen Gay Roman - immerhin ist Protagonist Liam Coleman bisexuell - sondern um einen Roman, der beides zelebriert. Fans reiner Gay Romance-Bücher sollten sich daher bewusst sein, dass es hier auch explizit zwischen Mann und Frau zur Sache geht.
Inhaltlich passiert auf den 440 Seiten überraschend wenig, da sich El Sada vorwiegend auf Liams Gefühlswelt und sein Auseinandersetzen mit dem Thema Bisexualität konzentriert. Sicherlich baut sie zum Ende hin mit Noahs Vater einen interessanten, aber auch ein wenig unglaubwürdigen Twist ein, doch insgesamt bleibt die Handlung überschaubar. Gerade am Anfang häufen sich die Erotikszenen, da Tamy und Liam nahezu überall übereinander herfallen und ihre Beziehung fast nur aus Sex zu bestehen scheint. Auch später geht es explizit zur Sache - die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund, egal ob sie die hetero- oder homosexuellen Sexszenen beschreibt. Mitunter ist das dem Leser fast zu viel (gerade im ersten Viertel), da die Charaktere keinen Tiefgang erhalten. Auch häufen sich mit der Zeit die unlogischen Passagen und man kann einige Aktionen nur schwer nachvollziehen, da weiterführende Erklärungen fehlen. Dazu gehören Noahs Selbstmordversuch, die Geiselnahme von seinem Vater am Ende des Buches, aber auch die seltsam erscheinenden Aktionen der Polizisten Liam und seines Freundes Steve. Es wirkt irgendwie unglaubwürdig, wenn man über das Geschehene nachdenkt.
Obwohl die Geschichte zum größten Teil aus Liams Sicht erzählt ist, weiß man am Ende nur wenig über ihn - man weiß nicht wer seine Eltern sind, ob er Geschwister hat, was er gerne macht, wo seine Stärken und Schwächen liegen. Er bleibt irgendwie zweidimensional, ist nur schwer greifbar. Lediglich seine Gefühlswelt, die durch seine aufkeimende Liebe zu Noah stark ins Wanken gerät, ist sehr gut nachvollziehbar und gut umgesetzt. Man leidet mit Liam, versteht seinen inneren Kampf, den er ausfechten muss und die Zerrissenheit.
Die anderen Charaktere erhalten ebenfalls nur im Rahmen ihrer Gefühlswelt Tiefe. Lediglich Noahs, dessen Familie eine zentrale Rolle spielt, ist eingehender beleuchtet. Dafür sind auch Tamy und Noah gut in Szene gesetzt, was ihre Gefühle anbelangt. Gerade Tamys Beweggründe, die erst am Ende offenbart werden, passen sehr gut und sind nachvollziehbar.
Stilistisch ist "Survive" Geschmackssache - El Sada hat einen sehr einfachen, alltäglichen Stil, der mitunter ein wenig zu simpel daher kommt. Das zeigt sich besonders in den Actionszenen, wo es an wortgewandter Ausformulierung mangelt, so dass man als Leser dem Kopfkino der Autorin nicht mehr folgen kann und den Überblick verliert. So gut El Sada darin ist, die Gefühlswelten der Figuren zu beleuchten und abwechslungsreiche Erotikszenen zu verfassen, so sehr schwächelt sie bei Umgebungsbeschreibungen und Erklärungen. Zudem häufen sich umgangssprachliche Ausdrücke im Text, ebenso sind einige Redewendungen ("mein Mädchen", "Baby") nicht jedermanns Sache. Mit der Zeit gewöhnt man sich allerdings daran und spätestens dann lässt sich das Buch schnell und flüssig lesen.
Ein Hinweis noch zu den Perspektiven: Knapp 200 Seiten ist das Buch komplett aus der Ich-Perspektive von Liam geschrieben, dann kommen jedoch auch Noah und Tamy zu Wort. Das ist für manchen ein wenig gewöhnungsbedürftig, da man sich die Perspektiven der Beiden mitunter schon früher gewünscht hat.
Fazit:
"Survive" ist ein netter Erotik-Roman aus dem Hause Cupido Books, der sich nur schwer beurteilen lässt. Das Thema Bisexualität ist gut aufgearbeitet, Liams innere Zerrissenheit überzeugend dargestellt, die Rahmenhandlung und die Tiefe der Charaktere leiden jedoch ein wenig unter der recht kitschigen Liebesgeschichte und den ausführlichen Sexszenen. Sicherlich ist "Survive" ein Erotikroman, doch ein wenig mehr Tiefgang wäre nicht schlecht gewesen, ebenso eine bessere stilistische Ausarbeitung.
Wer reine Gay Romance mag, sollte bedenken, dass es hier auch zwischen Mann und Frau sehr explizit zur Sache geht, wer als Erotikleser schwulen Sex nicht mag, sollte ebenfalls einen Bogen um "Survive" machen. Das Buch ist am ehesten für Leser geeignet, die beides mögen und die das Thema Bisexualität reizvoll finden.
Diese Rezension erschien zuerst im Blog des schwullesbischen Portals "Like a Dream".
|