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Die Geisterseher

Story:
Es ist der Mai des Jahres 1805, und zwei Brüder, Studenten aus Marburg, könnten kaum glücklicher sein. Eines ihrer Idole, der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe höchstpersönlich, hat sie nach Weimar eingeladen! Jacob und Wilhelm Grimm dürfen sogar in Goethes Haus zu Gast sein. Dann dürfen sie sogar noch ihr anderes großes Idol, Friedrich Schiller, treffen.

Denn dieser ist schwer krank, und Goethe bittet die Gebrüder Grimm, ihm ein Medikament zu überbringen. Dann erhalten die beiden sogar eine noch größere Ehre: Im Gegenzug bittet Schiller sie, Goethe ein geheimnisvolles Manuskript zu überbringen!

Aber kaum sind sie aus der Tür, werden die Grimms überfallen, und eine Gestalt in Schwarz raubt ihnen das Buch. Wieder in Goethes Haus angekommen, werden sie Zeuge eines mysteriösen Rituals. Bald finden sich die Gebrüder Grimm in einem Abenteuer wieder, bei dem längst nicht sicher ist, wie die Antwort auf "Und wenn sie nicht gestorben sind" am Ende lauten mag...

Meinung:
Kai Meyer kleckert nicht, er klotzt. In diesem frühen Roman des mittlerweile wohlbekannten deutschen Fantasyautoren fährt er die historischen Figuren gleich reihenweise auf. Neben den Gebrüdern Grimm, Goethe und Schiller spielen beispielsweise auch E. T. A. Hoffmann, Anna von Brockdorf (besser bekannt als die Gräfin von Cosel), Elisa von der Recke und weitere teils kleinere, teils bedeutsame Rollen. Das ist eher ungewöhnlich für Meyer, dessen Geschichten meist in "komplett fantastischen" Universen spielen, mit Ausnahmen wie beispielsweise Das Gelübde oder eben "Die Geisterseher".

Auch in anderer Hinsicht fällt dieser Roman auf in Meyers Werk: Die Abenteuer der Gebrüder Grimm sind zwar eindeutig ebensolche, aber auch deutlich erwachsener als viele andere Geschichten des Autors. Das soll nicht heißen, dass Kai Meyer ansonsten nur Jugendromane geschrieben habe. Die gibt es, aber natürlich nicht nur. Allerdings findet man in seinen Geschichten häufig ein eher juvelines "Erleben" des Abenteuers; gewissermaßen den halbwüchsigen Jungen, der einfach mal das Schwert schultert und sich in den Trubel stürzt, ohne wirklich zu wissen worauf er sich einlässt. Hier ist das anders. Insbesondere der Ich-Erzähler Wilhelm möchte mehr als einmal lieber die nächstbeste Kutsche gen das heimatliche Marburg besteigen als seinem unternehmungslustigeren Bruder Jacob zu folgen. Und es ist stets klar, dass in diesem Abenteuer Wunden wirklich weh tun und nicht unbedingt jeder am Ende noch am Leben ist.

Dabei ist fast ironisch, dass gerade Jacob und Wilhelm über weite Strecken eben nicht wissen, worauf sie sich einlassen, und der Roman gerade daraus einen beachtlichen Teil seiner Spannung geriert. Wem können die beiden trauen, wem sollten sie ihre Unterstützung gewähren und wem besser nicht? Diese "Blindheit" der Grimms lässt Meyer fast physisch werden, indem er viele Szenen einfach im Dunkeln oder im dichten Nebel stattfinden lässt. Ein einfaches Mittel, aber sehr wirkungsvoll. Ein weiteres Mittel ist das Tempo, oder besser gesagt die Atemlosigkeit der Erzählung. Meyer lässt seine Figuren, und damit die Leser, kaum einmal zur Ruhe kommen. Das hält die Spannung hoch.

Die Charaktere sind, wie von diesem Autoren nicht anders gewohnt, gut ausgebaut. Positiv fällt auf, dass er auch nicht davor zurückschreckt, aus den "großen Namen" wie Goethe oder Schiller ganz normale Menschen (beziehungsweise Romanfiguren) mit Stärken und Schwächen zu machen. Insgesamt erstarrt der Autor weder in Ehrfurcht vor den Dichter-, Märchen- und sonstigen Fürsten, noch gibt er sie umgekehrt der Lächerlichkeit preis. Das gilt auch für alle sonstigen Charaktere.

Sprachlich empfindet Meyer die Atmosphäre der Weimarer Klassik erstaunlich gut nach. Dabei gelingen ihm von Zeit zu Zeit Perlen, deren Poetik auch den damaligen "Vorbildern" nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte. Trotzdem ist der Roman auch für heutige Leser gut zu lesen. Nur an einigen Stellen stürmt und drängt es etwas sehr, etwa wenn sich Wilhelm Hals über Kopf in die hübsche Anna verliebt. Wie sehr diese Szenen stören, hängt davon ab, wie sehr einen etwa die "Heulsuse" Werther schon in der Schule genervt hat. Aber natürlich passen auch diese Stellen zum Duktus der Geschichte, und sie halten sich quantitativ in Grenzen.

Die Geschichte leidet dabei nicht unter der Geschichte. Soll heißen, der Plot, den Kai Meyer seinen Lesern liefert, ist nicht nur Mittel zum Zweck, um Gestalten und Stile aus der realen Historie zu präsentieren, sondern kann auch für sich alle überzeugen. Der Autor erzählt eine solide Abenteuergeschichte, wenn auch der eine oder andere "Dreh" dem erfahrenen Leser bekannt vorkommen könnte. Das geht sogar so weit, dass mancher Leser das Gefühl haben wird, die bekannten Namen würden gewissermaßen verschwendet. Ja, der Ich-Erzähler ist Wilhelm Grimm, ja, der Mann dort hinten auf dem Pferd ist Goethe, aber es hätte für die Geschichte kaum einen Unterschied gemacht, wenn es irgendjemand sonst gewesen wäre. Irgendwo im Hinterkopf bleibt der Verdacht, dass mit den berühmten Namen vor allem Aufmerksamkeit generiert werden sollte. Dabei haben "Die Geisterseher" das eigentlich gar nicht nötig.

Kai Meyer hat "seine" Gebrüder Grimm übrigens zwei Jahre später in "Die Winterprinzessin" auf ein weiteres Abenteuer geschickt.

Fazit:
Kai Meyer erzählt, wie von ihm gewohnt, eine gute Abenteuergeschichte. Ungewöhnlich für den Autoren sind dabei die relativ "erwachsene" Erzählweise und die starke Verankerung in unserer Realität. Bekannte Namen wie Goethe, Schiller oder die Gebrüder Grimm treten gleich reihenweise auf. Für manche Leser werden sie jedoch zu wenig Einfluss auf die Geschichte haben, der Plot hätte auch mit "Otto Normalabenteurer" funktioniert. Positiv fällt die dem fiktiven Zeitrahmen sehr angemessene Sprache auf, die auch kleinere Abschnitte, in denen es etwas zu sehr stürmt und drängt, nicht wirklich verderben können.

Die Geisterseher - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Kai Meyer
Die Geisterseher
Erscheinungsjahr: 2009 (aktuelle Ausgabe)



Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck

Verlag:
Aufbau Taschenbuch Verlag

Preis:
€ 8,95

ISBN:
978-3746625324

361 Seiten
Positiv aufgefallen
  • Meyersche Erzählkunst, wie von ihm nicht anders gewohnt
  • Erwachsener als andere Geschichten des Autors
  • Empfindet die Sprach der fiktiven Handlungsperiode gut nach
Negativ aufgefallen
  • Die berühmten Figuren wie Goethe werden zu wenig genutzt
  • Gelegentlich stürmt und drängt es doch etwas zu viel
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Rezension vom: 05.08.2013
Kategorie: Fantasy
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