Ragnarock
Story:
Eine Grundregel aller Runner lautet: "Halte dich von Drachen fern". Doch für Tommy Talon und sein Team ergab sich leider keine Gelegenheit, sich an diese Regel zu halten. Und so kommt es, wie es kommen muss. Auf einmal wird die Gruppe von den verschiedensten Fraktionen gejagt und der tägliche Kampf ums Überleben wird noch einmal etwas schwerer.
Meinung:
"Ragnarock" bezeichnet den Weltuntergang in der Mythologie der Nordmänner. Es ist ein feststehender Begriff, neben solchen Worten wie "Armageddon". Und wie verwendet Stephen Kenson ihn in seinem Roman?
Tommy Talon ist ein Straßenmagier und gleichzeitig Anführer einer kleinen Gruppe von Runnern. Sie werden von dem deutschen Konzern Saeder-Krupp beauftragt, nach einer bestimmten Person zu suchen, die ein mächtiges Artefakt besitzt. Das Team kann das Ziel innerhalb des Rhein-Ruhr-Megaplexes auffinden und bringen es zum eigentlichen Adressaten, dem Drachen Lowfyr. Doch es kommt zu einer Katastrophe, als das Ding plötzlich jenen angreift und tötet.
Tommy Talon und die anderen können fliehen und sind danach ratlos. Sie fragen sich, was schiefgelaufen ist und beschließen nach dem wahren Schuldigen zu suchen. Sie verbünden sich mit einem Elfen und stoßen schon bald auf einen schrecklichen Plan. Jemand will anscheinend eine Atombombe nach Berlin schmuggeln, um das bei der Zündung entstehende Chaos für einen Umsturz zu nutzen. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.
Wenn man "Ragnarock" das erste Mal liest, wird man irritiert sein. Hat man eine Geschichte verpasst? Wieso ist Tommy Talon auf einmal in einem Runner-Team dabei und seit wann hat er einen Geistesverbündeten? Fragen, die im Laufe der Handlung nur notdürftig beantwortet werden.
Zunächst einmal, nein, man hat keinen Roman verpasst. Dies ist tatsächlich der Nachfolger von "Crossroads". Und das besondere an ihm ist, dass er einen seltenen Einblick in das Deutschland des Shadowrun-Universums bietet.
Doch der Reihe nach. Ehe es soweit ist, nimmt Stephen Kenson seinen Leser mit auf eine atemberaubende Jagd nach dem Artefakt. Während dieser lernt man das Team genauer kennen, mit dem der Magier unterwegs ist. Trouble und Boom kennt man bereits aus "Crossroads". Neu hinzu gekommen sind der eben erwähnte Geistespartner, der häufig in Form eines Motorrads unterwegs ist, sowie die Riggerin Valkyrie, die mit Hilfe ihrer Gedanken Fahrzeuge steuert, sowie der Ork Hammer.
Dabei konzentriert sich die Geschichte hauptsächlich auf Tommy Talon und Boom. Beide werden eingehend charakterisiert und tragen einen Großteil der Handlung. Aber auch die anderen Protagonisten werden ausgebaut, wenn natürlich auch nicht so sehr, wie die eben genannten.
Der Roman schlägt von Beginn an ein hohes Tempo an und die Ereignisse überschlagen sich. Trotzdem vergisst der Autor nicht die nötigen Passagen zum Innehalten einzubauen. Das ist auch notwendig, um zwischendurch Luft zu holen und sich mental auf das vorzubereiten, was als nächstes passiert.
Dabei ist die Handlung an Spannung kaum zu überbieten. Es scheint so, als ob Stephen Kenson ständig versucht, sich selbst zu übertreffen. Und mit dem Ableben von Lowfyr, einem Drachen, die im Shadowrun-Universum sehr mächtige Lebensformen sind, die eigentlich nicht so einfach ableben, gelingt ihm ein unumstrittener Höhepunkt. Ab da flacht die Spannungskurve allerdings immer mehr ab und das alte Problem des Autoren stellt sich ein. Der Lauf der Ereignisse wird zu vorhersehbar.
Auch stört etwas, dass der Autor Deutschland primär nur über die dunklen Elemente charakterisiert. Die Gegenspieler der Helden stammen ausnahmslos aus der ADL, dem Nachfolgestaat der BRD in Shadowrun, und sind Neonazis und/oder rassistisch. Eine differenzierte Darstellung wäre schön gewesen.
Trotzdem ist "Ragnarock" im Vergleich zum Vorgänger wesentlich besser. Ergo sollte man "Reinschauen".
Fazit:
Mit "Ragnarock" trifft der Leser erneut auf den Straßenmagier Tommy Talon. Es hat sich viel für den Protagonisten geändert. Er ist jetzt Teil eines Teams und gerät so in einen verzwickten Fall. Dies wird von Stephen Kenson bravourös geschrieben und liest sich auch spannend. Bis zu dem Moment, wo der Drache Lowfyr stirbt, überschlägt sich die Handlung förmlich und die Figuren werden grandios dargestellt. Doch ab diesem Augenblick ist irgendwie die Luft raus und man beginnt zu ahnen, wie der Plot sich weiterentwickelt. Auch die Darstellung von Deutschland als Hort von Neonazis und Rassisten stört. Davon abgesehen hat man es dennoch hier mit einem gut lesbaren Buch zu tun.
|