Sir John und Bruder Athelstan 03: Sakristei des Todes
Story:
Bruder Athelstan hat gerade begonnen, sich in seiner Gemeinde im armen Londoner Stadtteil Southwark heimisch zu fühlen. Die Renovierung der heruntergekommenen Kirche macht erste Fortschritte, und er beginnt die kleinen und großen Sünder in seiner Gemeinde liebzugewinnen. Selbst die Arbeit als Schreiber für den Coroner der Stadt, Sir John Cranston, erweist sich als halbwegs erträglich. Aber nun drohen gleich vier Ereignisse, alles wieder durcheinanderzubringen. Und bei jedem davon geht es wortwörtlich um Leben oder Tod. Sir John und Bruder Athelstan müssen wieder auf Mörderjagd gehen, und die Zeit wird knapp...
Meinung:
Im dritten Abenteuer zusammen mit Sir John kommt es für den Dominikaner Bruder Athelstan richtig dick. Der Autor lässt sein ungleiches Ermittlerpaar nicht nur in einem, sondern gleich in mehreren Kriminalfällen ermitteln, die allesamt negative Auswirkungen auf Athelstan haben könnten. Der Ehemann der Witwe Benedicta, für die der Ordensbruder mehr Gefühle hegt als er sich eingestehen will, könnte doch noch am Leben sein. Bei den Umbauten in der Kirche wird ein Skelett entdeckt, das Athelstans geschäftstüchtige Schäfchen gleich zum wundertätigen Märtyrer erklären – oder ist es doch das Opfer eines Mörders? Sir John lässt sich auf einem Fest des Regenten auf eine Wette ein, die ihn ruinieren könnte. Und in Blackfriars, Athelstans altem Kloster, kommen Mitbrüder auf merkwürdige Art und Weise ums Leben. Der Bitte des Priors, die Angelegenheit aufzuklären, kann sich der in Ungnade gefallene Dominikaner nicht verweigern, auch wenn Blackfriars unangenehme Erinnerungen weckt.
Diese verschiedenen Geheimnisse spielen unterschiedlich große Rollen in der Geschichte; teils sind sie mit einem Brief zu klären, teils stehen sie im Zentrum des ganzen Romans. Aber insgesamt zeigt sich, dass Paul Harding (aka Paul C. Doherty) nicht nur seinen Ermittlern zu viel zugemutet hat. Anstelle sich auf einen Fall, eine Gruppe von Verdächtigen und möglichen Motiven konzentrieren zu können, muss der Leser oft "umschalten". Das führt dazu, dass man die Atmosphäre des Romans weniger gut aufnehmen kann als in den Vorgängerbänden.
Diese Atmosphäre ist auf der anderen Seite sehr wohl vorhanden, und eigentlich nicht schlechter als in den ersten beiden Büchern. Harding zeichnet ein Bild eines London, das auch die unangenehmen Seiten nicht ausspart. Da wird gerülpst und gefurzt, da wird ein überfahrenes Schwein auf offener Straße notgeschlachtet, da muss ein Bierpanscher als Strafe bis zum Kinn in Pferdepisse (so die Formulierung im Buch) stehen. Der Autor erspart einem nicht viel. Interessanterweise wirken die Derbheiten weniger direkt als in den beiden vorherigen Geschichten. Das mag daran liegen, dass sich der Leser schlicht daran gewöhnt hat.
Die Figuren sind so stimmig und psychologisch nachvollziehbar wie von Harding gewohnt. Es braucht nur wenige Worte, um sich vor allem in Athelstan, aber auch in Sir John und andere Charaktere hineinzuversetzen und die Geschichte aus ihren Augen zu erleben. Das liegt nicht zuletzt auch am erzählerischen Talent des Autors. Die Überfrachtung mit gleich vier Geheimnissen, die es zu klären gilt, hält den Leser jedoch etwas davon ab, sich auf eine einzelne dieser Teilgeschichten "am Stück" einzulassen.
Die einzelnen Kriminalfälle sind gut konstruiert. Dass man bei einem den Eindruck hat, er sei es ein bisschen sehr, konstruiert nämlich, ist in der Geschichte begründet. Denn dieses Geheimnis stellt der Gast (und erhoffte Kreditgeber) bei einem Festbankett als Rätsel, und Sir John soll es lösen. Da ist es kein Wunder, dass die Glaubwürdigkeit ein wenig strapaziert wird. Die restlichen Fälle werden überzeugend aufgeklärt. Die Auflösung, wie das Skelett in Athelstans Kirche kam, wirkt sogar fast ein wenig trivial.
Die historische Einbindung ist wie gewohnt stimmig, auch wenn die geschilderten Details die Geschichtskenntnisse zumindest eines interessierten Laien überfordern. Ob es das Bankett, auf dem sich Sir John zu der potentiell verhängnisvollen Wette überreden lässt, oder die eine wichtige Rolle spielende Hildegarde von Bremen tatsächlich gegeben hat, sei hier einmal dahingestellt. In ihre Zeit würden sie und der Rest des Romans jedenfalls gut passen.
Die deutsche Umsetzung hat bei den Jahreszahlen im Klappentext aber wieder kein gutes Händchen: Geriet im ersten Band schon 1377 zu 1337, liegt der Teasertext auf der Rückseite diesmal um glatte zwanzig Jahre daneben. Die Geschichte von "Sakristei des Todes" spielt im Frühsommer 1379, nicht 1397. Der deutsche Titel ist relativ generisch geraten; es gibt zwar Morde in Gotteshäusern, aber direkt in einer Sakristei stirbt niemand. Der Originaltitel, "Morder most holy", ist aber zugegebenermaßen auch nicht einfach zu übertragen. Eine wörtliche Übersetzung wäre etwa "Allerheiligste Morde".
Insgesamt kann "Sakristei des Todes" wegen einer Reihe kleiner Mängel nicht ganz mit den ersten beiden Bänden der Reihe mithalten. Einen guten historischen Krimi bekommt trotzdem allemal.
Fazit:
"Sakristei des Todes" kann nicht ganz mit den ersten beiden Abenteuern von Sir John und Bruder Athelstan mithalten. Dafür gibt es an zu vielen Stellen kleinere Kritikpunkte. Trotzdem ist das Ergebnis ein guter historischer Krimi, der die für die Lektüre aufgewendete Zeit allemal lohnt.
|  |
Pa
Sir John und Bruder Athelstan 03: Sakristei des Todes
Murder Most Holy
Erscheinungsjahr: 1997
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Knaur
ISBN: 3-426-63044-5
284 Seiten
|