Todeswelten
Story:
Jason diAlt ist ein professioneller Spieler, der seinen Lebensunterhalt beim Würfeln und am Roulettetisch verdient. Die Pyrraner wollen seine Fähigkeiten für sich nutzen. Aus viel Geld soll Jason noch viel mehr Geld machen. Denn die Bewohner des Planeten Pyrrus haben einen hohen Kapitalbedarf für ihren Krieg – den Krieg gegen ihren eigenen Planeten.
Wer unvorbereitet auf Pyrrus landet, hat im Schnitt noch ein paar Sekunden zu leben. Hagelstürme, Vulkanausbrüche, Erdbeben und andere Naturereignisse setzen den Menschen zu. Sämtliche Tiere und Pflanzen sind ebenso tödlich wie aggressiv, selbst das Gras ist hochgiftig. Jason sieht das als Herausforderung: Kein Kasino der Galaxis konnte seine Fähigkeiten wirklich ausreizen, wie wird er sich wohl auf dieser Todeswelt schlagen? Und warum eigentlich greift buchstäblich der gesamte Planet die Siedler an?
Im nächsten Abenteuer wird Jason von einem religiösen Eiferer entführt. Mikah Samon will den Spieler wegen dessen, aus Mikahs Perspektive, zahlreicher nicht zu vergebener Verbrechen vor Gericht stellen. Nach der Aburteilung soll natürlich die Todesstrafe folgen. Darauf hat Jason allerdings gar keine Lust, und so bringt er das Raumschiff beim nächsten bewohnbaren Planeten zum Absturz. Das eröffnet immerhin eine Chance zur Flucht. Allerdings landen die beiden auf einem Planeten, dessen gesamte Zivilisation auf dem Recht des Stärkeren und der Versklavung der Schwächeren basiert.
Und im dritten Teil muss Jason feststellen, dass längst nicht alle Pyrraner die neue Zeit akzeptieren wollen. Ein Teil hat die Stadt verlassen, aber ein anderer Teil will von ihrem bisherigen Leben nicht lassen: Ständig gegen die wütenden Angriffe des Planeten zu kämpfen und schließlich im Kampf zu sterben. Damit diese Sturköpfe nicht dem absehbaren Untergang der Stadt zum Opfer fallen, macht Jason ihnen ein Angebot: Er hat ein Raumschiff gekauft und will mit ihnen auf einen Planeten übersiedeln, auf dem es reiche Erzvorkommen auszubeuten gibt. Außerdem sind die Fähigkeiten der Pyrraner dort gefragt wie kaum sonst irgendwo, denn die Menschen auf Felicity sind Barbaren, die nur auf Angriff aus sind...
Meinung:
Eins zu zwei ergibt leider maximal Mittelmaß. "Die Todeswelt" erschien 1960 als erster Roman von Harry Harrison, der vorher bereits als Illustrator und Redakteur bei Science Fiction-Magazinen gewirkt hatte. In den folgenden Jahrzehnten schrieb er unter anderem die Abenteuer der "Stahlratte" Jim DiGris, der schon einige Zeit vor einem gewissen Han Solo die Galaxis aufmischte, die Space Opera-Parodien um "Bill, den galaktischen Helden" und andere eher humorvolle Abenteuer im Weltraum, aber auch die sehr ernsthafte und eindrucksvolle Dystopie "New York 1999" über ein durch die Bevölkerungsexplosion völlig übervölkertes New York City.
Zur "Todeswelt" lies er zwei Fortsetzungen folgen, nämlich "Die Sklavenwelt" (1964) und "Die Barbarenwelt" (1968). Dieser Band versammelt alle drei Romane. Die abschließende Kurzgeschichte ",The Mothballed Spaceship" schrieb Harrison 1973 für eine Anthologie, die der Erinnerung an den berühmten Herausgeber John W. Campbell gewidmet war. In diesem Band ist die Geschichte nicht enthalten, aber auf Deutsch in "Visionen einer Stahlratte" nachzulesen. Überhaupt gibt es Hinweise darauf, dass die Stahlratte und Jason diAlt im selben Universum ihre Abenteuer erleben. Andere Indizien deuten jedoch darauf hin, dass es zwar sehr ähnliche, aber doch getrennte fiktionale Welten sind.
Auf Russisch erschienen von 1998 bis 2001 drei zusätzliche Fortsetzungsromane als Gemeinschaftswerk von Harry Harrison mit dem russischen Autor Ant Skalandis. 2002 folgte noch ein Roman, diesmal mit Mikhail Ahmanov, und ein weiterer Roman wurde angekündigt. Diese Todeswelten-Bände sind bisher nicht auf Englisch oder Deutsch erschienen, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird.
Der erste Roman, "Die Todeswelt", ist ein solides, durchaus witziges Weltraumabenteuer. Den spontanen Entschluss, mit den Pyrranern auf deren Planeten zurückzufliegen, bereut Jason diAlt schnell. Denn in einem Kasino die Bank zu sprengen und mit dem Gewinn dann lebend davonzukommen ist das eine. Auf einem Planeten zu überleben, auf dem de facto jedes Lebewesen nur das Ziel kennt, einen schnellstmöglich zu töten, ist etwas ganz anderes. Und die Einheimischen haben verständlicherweise besseres zu tun, als ständig einem neugierigen Fremdling Händchen zu halten, der sich schlechter zu verteidigen weiß als ein pyrranisches Kleinkind. Aber Jason bringt immer wieder seine stärkste Waffe ins Spiel: Sein Mundwerk, mit dem er selbst die sturen Pyrraner von seinen (für sie) höchst ungewöhnlichen Ideen überzeugen kann.
Wenn man den Roman analysieren will, schwankt man lange, ob der Autor ihn nun ernst gemeint hat, oder schon seinen Erstling als Parodie auf die damals beliebten überlebensgroßen Heldenfiguren angelegt hat. Aber am Ende ist es egal, in welche der beiden Schubladen man "Die Todeswelt" nun packt, das Buch ist einfach gute Unterhaltung. Die Charaktere sind genügend ausgebaut, um die Geschichte tragen zu können. Ans Herz wächst nicht nur dem Helden, sondern auch dem Leser beispielsweise die junge Meta, die sich gegen unerwünschte Verehrer auf ganz eigene Art zur Wehr setzt. Wenn ein Mann sie nicht in Ruhe lässt, droht sie einfach, ihm den Arm zu brechen. Das hält die Möchtegern-Gigolos zwar meist nicht auf, aber sobald sie dem ersten tatsächlich den Arm gebrochen hat, hat Meta in der Regel ihre Ruhe. Die kurze Affäre mit Jason während des Heimflugs will sie eigentlich nicht fortsetzen, aber...
Interessant ist auch, wie gut der Roman gealtert ist, immerhin hat er das halbe Jahrhundert bereits hinter sich. Entsprechend gibt es einige Stellen, die aus heutiger Sicht unfreiwillig komisch erscheinen, beispielsweise "hochmoderne" Computer in Raumschiffen, die mit Lochkarten arbeiten. Die mangelnde Bereitschaft der Menschen, auf welchem Planeten auch immer, eingetretene Pfade zu verlassen, ist aber wohl zeitlos.
Die beiden anderen Romane in diesem Sammelband können mit dem ersten allerdings nicht mithalten. Bei der "Sklavenwelt" und der "Barbarenwelt" handelt es sich um genau solche Abenteuer mit einem unbesiegbaren Helden, wie sie Harrison an anderer Stelle parodiert. Jason schwätzt sich nicht nur durch, er verfügt mal eben über so ziemlich alle Fähigkeiten, die man haben kann. Der ehemalige Berufsspieler bewährt sich als Schmied, als Dampfmaschinen-Ingenieur, als Meister der Elektrizität, als Chemiker und so weiter und so fort. Seine Fähigkeiten als Kämpfer und Stratege mögen ja nach der Ausbildung und dem Leben auf Pyrrus nachvollziehbar sein, aber alles andere ist schlicht übertrieben. Und die "tatsächliche" Fähigkeit Jasons, die im ersten Roman noch eine wichtige Rolle spielt, gerät komplett in Vergessenheit.
Der zweite und dritte Roman sind zwar kein Totalausfall, aber über einen Zeitvertreib etwa bei einer langen Bahnfahrt kommen sie nicht hinaus. Gemeinsam mit dem soliden "Die Todeswelt" ergibt das für den Sammelband insgesamt ein knappes "Für Zwischendurch".
Harry Harrison starb am 15. August 2012 im Alter von 87 Jahren.
Fazit:
Dieser Sammelband enthält Harry Harrisons Erstling "Die Todeswelt" plus zwei Fortsetzungen. Während der erste Roman noch ein solides, witziges Weltraumabenteuer bietet, kommen die beiden anderen nicht über Zeitvertreib für eine lange Zugfahrt hinaus. Dazu wird der im ersten Teil noch überzeugende Held zu unbesiegbar.
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Harry Harrison
Todeswelten
Deathworld I / Deathworld II / Deathworld III
Übersetzer: Wulf H. Bergner
Erscheinungsjahr: 1993 (diese Ausgabe)
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
ISBN: 3-453-06629-4
479 Seiten
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