Der Krähenturm
Story:
Für Icherios
Ceihn geht ein lang gehegter Traum in Erfüllung: endlich darf er an
einer Universität Medizin studieren! Doch dieses Privileg ist an
eine Bedingung geknüpft. Im Auftrag der Kanzelley zur Inspektion
unnatürlicher Begebenheiten soll er ein Auge auf den Heidelberger Ordo Occulto werfen, der aus
der Werratte Franz, der Hexe Gismara und dem Anführer Auberlin
besteht. Schon bald muss Icherios feststellen, dass das Studium nicht
seinen Vorstellungen entspricht. Zudem warten viele Aufgaben auf den
jungen Mann: die Unsterblichkeit seines Haustiers Maleficium muss
analysiert, der Vampir in ihm gezähmt, eine Mordserie aufgeklärt,
den Hinweisen seines ermordeten Freundes Vallentin nachgegangen,
Auberlin in Auge behalten und die Welt gerettet werden.
Meinung:
Ein halbes Jahr
nach der Veröffentlichung von Kerstin Pfliegers Debüt „Die
Alchemie der Unsterblichkeit“ erschien im Dezember 2011 mit „Der
Krähenturm“ ihr zweiter Roman um den jungen Gelehrten Icherios
Ceihn beim Goldmann-Verlag. Auch dieses Mal schmückt das Cover ein
hübscher Scherenschnitt, der die Zusammengehörigkeit zum
Vorgängerband optisch untermalt. Leider fehlt dem Buchrücken die
kleine Abbildung von Icherios Schatten, wie er noch beim Vorgänger zu sehen war.
Nachdem es
Icherios und seine zahme Ratte Maleficium in „Die Alchemie der
Unsterblichkeit“ in den nebelverhangenen und düsteren Schwarzwald
verschlagen hatte, um dort eine grausame Mordserie unter den
Einwohnern zu beenden und den Täter zu stellen, macht sich der junge
Held in „Der Krähenturm“ auf nach Heidelberg. Statt auf Werwölfe
und Vampire trifft er hier auf eine Werratte, eine junge Hexe und
ihren Zirkel, einen Hexenjäger und den Glasfürsten. Daneben macht
er noch die Bekanntschaft mit seltsamen Puppenwesen, die irgendwie in
den Tod seines besten Freundes Vallentin verwickelt zu sein scheinen,
und abermals geht ein Mörder umher, der gestellt werden muss, ganz
zu schweigen von dem Chaos, das auf Heidelberg zurollt und die
Ordnung der Welt zu erschüttern droht.
Wie die
Inhaltsangabe vermuten lässt, kommen auf den Leser viele
Handlungsstränge und neue Figuren zu. Dies ist für den Roman
einerseits ein Segen, andererseits ein Fluch. Kerstin Pflieger, die
selbst in Heidelberg studierte und sich dadurch auf ihr bekanntes
Terrain begibt, wenn sie die mittelalterliche Stadt und die
Universität schildert, lässt alte und neue Bekannte auftreten.
Sowohl Icherios Mentor Raban
von Helmstatt als auch die Vampirin Carissima kreuzen erneut seinen
Weg. Die neuen Protagonisten, die nach und nach die Szenerie
betreten, bereichern die von Kerstin Pflieger entworfene Welt
durchaus, kommen aber teilweise zu kurz. Die Flussnixen, der
Glasfürst Tinuvet Avrax und die Mitglieder von Gismaras Hexenzirkel
sind zwar wichtig für die Handlung, kommen jedoch viel zu oft nur am
Rand der Geschichte vor, wobei sie durchaus mehr Platz verdient
hätten.
Hinzu
kommen die verschiedenen Handlungsstränge, die alle durch einen
Spannungsaufbau überzeugen können, hier und da aber vor allem durch
Zufall bestimmt werden. Gerade der Anfang, in dem Icherios das
Tagebuch seines verstorbenen Freundes Vallentin findet, die Suche
nach dessen Mörder und dem Serienmörder, der in Heidelberg sein
Unwesen treibt, ähnelt dadurch eher einer Schnitzeljagd als einer
Ermittlung. Der Eindruck wird dadurch verstärkt, dass der Held nicht
mehr so detektivisch und halbwegs professionell an den Fall heran
geht wie er es noch im Schwarzwald getan hat.
Gegenüber
„Die Alchemie der Unsterblichkeit“ hat „Der Krähenturm“
satte 130 Seiten mehr, die Pflieger für die durchaus interessante
Horrorgeschichte bis zum Ende ausnutzt und Leser und Figuren kaum
Pausen zum Atmen einräumt. Aufgrund der vielen Charaktere und
Handlungsstränge, hätten jedoch auch weniger zusätzliche Seiten
gereicht. Der eine oder andere Nebenplot hätte sich auch gut in einem
möglichen dritten Band gemacht. Zudem sind einige Szenen ziemlich
brutal geraten und dürften nicht jeden Geschmack treffen. Fans von
Horror- und Mysterygeschichten dürften dennoch auf ihre Kosten
kommen. Für alle anderen bleibt „Der Krähenturm“ ein Buch „Für
Zwischendurch“, dem ein guter dritter Band zu wünschen ist, der an
den lesenswerten Debütroman heran reicht.
Fazit:
„Der
Krähenturm“ bietet zu viele Figuren und Handlungen auf zu wenig
Seiten. Dennoch treten im Roman einige interessante neue Charaktere
auf, die hoffentlich auch in einem weiteren Band eine Rolle spielen
werden. Denn insgesamt bietet Icherios Leben und der Heidelberger
Ordo Occulto noch genügend Potential für weitere Geschichten.
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