Ein Staat für Palästina? Plädoyer für eine Zivilgesellschaft in Nahost
Story:
Seit 60 Jahren ist der Nahost-Konflikt ein Problem der Weltpolitik. Es gab viele Lösungsvorschläge, die jedoch nie fruchteten. In seinem Buch will Sari Nusseibeh einen Weg zeigen, wie man dennoch Frieden in diese Weltregion bringen kann.
Meinung:
Den Konflikt zwischen Israel und Palästina als Pulverfass zu bezeichnen, wäre eine starke Untertreibung. Seit nunmehr 60 Jahren streiten sich die beiden Länder. Und inzwischen lässt sich schon längst nicht mehr zwischen "Gut" und "Böse" unterscheiden. Beide Parteien haben sozusagen Dreck am Stecken. Israel wegen seiner Siedlungspolitik, Palästina wegen dem Terrorismus und den wiederholten Anschlägen auf das Nachbarland. Andererseits muss man sich vergegenwärtigen, dass Israel der einzige jüdische Staat überhaupt ist, was angesichts der Geschichte, die das Judentum durchmachte, durchaus ein Grund für seine Existenz ist. Ebenso muss man sich auch vergegenwärtigen, dass die ursprünglichen Bewohner aus ihrer einstigen Heimat vertrieben wurden. In dieser angespannten Lage will Sari Nusseibeh mit seinem Buch "Ein Staat für Palästina" einen Denkanstoß liefern, wie man die Lage lösen könnte.
Geboren wurde der Autor 1949 in Syrien. Er wurde in Jerusalem aufgezogen und studierte Philosphie in Oxford. Seinen Doktor in islamischer Philosophie erhielt er in Harvard. Er gilt als moderater Palästinenser und ist ein starker Friedensaktivist, wenn auch einige seiner Meinungen bei diversen Gruppen nicht unumstritten sind. So setzte er sich für eine Aufgabe des palästinensischen Rechts auf Rückkehr ein. Hier in Deutschland ist er durch seine Autobiographie "Es war einmal ein Land" bekannt.
Mit "Ein Staat für Palästina?" liefert der Autor eine ausgiebige Analyse des Hintergrundes des Konfliktes zwischen Israel und Palästina ab. Ausführlich beschäftigt er sich mit jedem erdenklichen Aspekt dieses Streits. Dabei geht es um grundsätzliche Sachen wie "Wozu sind Staaten gut?" oder "Wer regiert die Welt, "wir" oder die Verbrecher?".
Der Schreibstil, den er dabei wählt, lässt sich am besten mit nüchtern und neutral beschreiben. Zwar geht es ihm natürlich darum, seine eigene Meinung zu verdeutlichen. Doch hat man nie den Eindruck, dass er sich auf eine der beiden Seiten schlägt. Im Gegenteil: Er verteilt Lob und Kritik gleichermaßen.
Sehr schön ist auch, dass sein Text zwar philosophisch ist. Doch schreibt er so, dass man auch als Nichtphilosoph die Argumente nachvollziehen kann. Und das sollte man auch, da es in dem Buch viel um die Geisteshaltung der Konfliktparteien gilt. So gelingt es ihm auch, die teilweise schizophrene Perspektive der Volksgruppen aufzuzeigen. So gibt es einen Unterschied zwischen Palästinenser und palastänischen Juden, der doch überraschend deutlich ausfällt.
Nusseibeh hat eine definitive Vorstellung, wie man den Nahostkonflikt lösen könnte. Seiner Meinung nach ist das Projekt "Zweistaatenlösung" gescheitert. Deshalb, und angesichts der demographischen Entwicklung, plädiert er für eine "Einstaatenlösung". Und diese Idee birgt Zündstoff.
Denn seiner Meinung ist der einzige Weg, alle Parteien zufriedenzustellen, die Eingliederung der Palästinenser. Man gibt ihnen die vollen bürgerlichen Rechte, verweigert ihnen jedoch die Politischen. Sie werden so quasi zu Bürgern zweiter Klasse. Und hier muss man sich wirklich fragen, was sich der Autor dabei gedacht hat. Nicht nur ist diese Lösung undemokratisch, auch ist sie vollkommen irreal und wird sich nicht so durchsetzen. Denn durch sie werden die Palästinenser zu nichts anderem als Bürger zweiter Klasse, wie es einst die Schwarzen in den USA waren. Sie werden dadurch endgültig zu einem Volk ohne Rechte. Und die Wahrscheinlichkeit, dass dies akzeptiert wird, ist eher gering.
Nusseibeh liefert mit seinem Buch durchaus Denkanstöße. Doch schießt er dabei deutlich über das Ziel hinaus. So wirkt der Band weltfremd und ist nur "Für Zwischendurch" zu empfehlen.
Fazit:
Sari Nusseibehs "Ein Staat für Palästina? Plädoyer für eine Zivilgesellschaft in Nahost" beschäftigt sich mit der Frage nach einer Lösung des Konfliktes im Nahen Osten. Der Autor liefert Denkanstöße und beschäftigt sich ausführlich mit der Lage vor Ort. Sein Text ist philosophisch, jedoch auch für Nichtphilosophen sehr lesbar. Seine Idee, auf die er in seinem Buch wiederholt zurückkommt, ist jedoch zu abstrus. Im Prinzip will er den Palästinensern das gleiche Schicksal geben, wie einst den Schwarzen. Sie werden zu Bürgern zweiter Klasse. Und das ist etwas, was nun wirklich keiner will.
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