Die Mars-Chroniken
Story:
Im Jahr 1999 starten die Bewohner unseres Planeten die erste Expedition zu ihrem Nachbarn im Weltraum, dem Mars. Ray Bradbury zeichnet in seinen "Mars-Chroniken" die Entwicklung über die folgenden rund 25 Jahre nach.
Meinung:
Er ist einer der wichtigsten Science Fiction-Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, seine Werke werden mittlerweile völlig selbstverständlich im Schulunterricht gelesen. Zu den wichtigsten Werken des 1920 geborenen Ray Bradbury gehört die Dystopie "Fahrenheit 451", die Erzählungssammlung "Der illustrierte Mann" und eben "Die Mars-Chroniken".
Auch dieses Buch hat seinen Ursprung in einer Reihe von Kurzgeschichten, die der Autor nachträglich zu einem Roman verwoben und ergänzt hat. Einige dieser Erzählungen waren bereits in den späten 1940ern in verschiedenen Magazinen erschienen, die gesammelten "Mars-Chroniken" erschienen in den USA erstmals 1950.
Eine zusammenhängende Handlung gibt es nicht. Stattdessen schildern die mit dem jeweiligen fiktiven Datum überschriebenen Abschnitte Ausschnitte aus der ebenso fiktiven Besiedelungsgeschichte des Mars. Diese Schlaglichter sind aber so geschickt gesetzt, so dass die großen Linien der Entwicklung implizit doch sichtbar werden.
Dabei orientiert sich Bradbury in vielem an realen Besiedlungs- und auch Eroberungsgeschichten, die auf der Erde tatsächlich passiert sind. Beispielsweise stoßen die ersten menschlichen Expeditionen zum Mars vor allem auf Unverständnis zwischen den Neuankömmlingen und den Marsianern, was aus den kulturellen Unterschieden resultiert. Der Autor schildert die Ureinwohner des roten Planeten einerseits uns so ähnlich, dass der Leser ihre Erlebnisse und Gedanken nachempfinden kann. Auf der anderen Seite werden sie durch wie selbstverständlich beschriebene Unterschiede so fremd, dass die Missverständnisse und der kulturelle Konflikt glaubwürdig wird. Das erinnert in vielem an die Zeit der Entdecker, in der die europäischen Neuankömmlinge völlig selbstverständlich davon ausgingen, dass jeder Mensch so "tickt" wie sie selbst, genauso wie die Eingeborenen auf der anderen Seite. Speziell zur Entdeckung Amerikas durch Kolumbus findet man auffällige Parallelen. Auch die Art und Weise, wie die Marsianer aus der Geschichte verschwinden, hat ein historisches Vorbild.
Wie so häufig in der Science Fiction, ist die beschriebene Zukunft (aus der Sicht der Entstehungszeit in den 1940ern) also eher eine Allegorie auf die damalige Gegenwart und Vergangenheit als ein echter Versuch, die Zukunft zu prognostizieren. Deshalb stört es auch nicht, dass Bradbury die technische Entwicklung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts nicht vorhersehen konnte. Tatsächlich hat sich der Autor anscheinend bemüht, möglichst wenig solcher Vorhersagen zu machen. Anstelle technischer Gadgets, die man sich in den 1940ern im damals fernen 21. Jahrhundert vorstellte, konzentriert er sich eher auf die zeitenübergreifenden menschlichen Wahrheiten. Selbst die Marsianer sind eher Randfiguren, die häufig nicht über die Rolle von Stichwortgebern für die menschlichen Protagonisten herauskommen.
Der Erzählstil Bradburys ist sehr leicht nachzuempfinden. Wenn beispielsweise eine Marsianerin regelrecht auf die telepathisch "vorhergesehene" Expedition von der Erde wartet, wünscht man ihr als Leser, dass sie den Astronauten doch bald begegnen möchte, und leidet mit ihr, als es nicht dazu kommt. Umgekehrt läuft es einem kalt über den Rücken, wenn man versteht, mit welchem geradezu genialen Trick sich die Marsianer der Eindringlinge einer anderen Expeditiion entledigen. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, wenn beispielsweise die "angeblich" von einem anderen Planeten kommenden irdischen Raumfahrer schlicht im Irrenhaus landen, als besonders schwer zu therapierende Fälle.
"Die Mars-Chroniken" sind ein Buch, das sich leicht liest, dessen Thema aber sicher nicht leichtgewichtig ist, und dass auch von der Qualität her alles andere als für zu leicht befunden wird.
Fazit:
"Die Mars-Chroniken" sind zu Recht der der großen Klassiker der Science Fiction-Literatur des 20. Jahrhunderts. In zu einem Roman verwobenen Kurzgeschichten schildert Ray Bradbury, wie die Menschen den roten Planeten erobern, und orientiert sich dabei erkennbar sehr stark an Entdeckungs- und Eroberungsgeschichten aus der realen menschlichen Historie. Die gut emotional nachvollziehbare Schreibweise des Autors erleichtern es dem Leser, der Geschichte zu folgen und mit den Figuren zu fühlen.
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Ray Bradbury
Die Mars-Chroniken
The Martian Chronicles
Übersetzer: Thomas Schlück
Erscheinungsjahr: 2008 (Neuauflage)
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Diogenes
Preis: € 9,90
ISBN: 978-3257208634
272 Seiten
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