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Darf ich Zahlen?

Story:
Günter M. Ziegler unternimmt Streifzüge durch die Welt der Mathematik(en). Dabei zeigt er, dass das als trocken und weltfremd verschrieene Gebiet mehr mit unserem täglichen Leben zu tun hat, als wir machmal glauben – und dass es unter den Mathematikern und Mathematikerinnen so manche faszinierende Persönlichkeit zu entdecken gibt.

Meinung:
"Also, Mathe habe ich in der Schule schon nicht gekonnt" – dieser gelegentlich sogar stolz vorgetragene Spruch fehlt in kaum einer Unterhaltung, sobald das Gespräch auf Mathematik kommt. Vor keinem anderen Schulfach haben die Schüler, glaubt man dem Klischee, einen solchen Horror. Und wer sich gar beruflich mit dieser Disziplin beschäftigt, muss ein mittelalter, grauhaariger Herr mit dicker Brille sein, dessen Sozialkontakte sich auf die Fachkollegen beschränken und dessen Arbeit mit der "wirklichen Welt" so gar nichts zu tun hat.

Dieses Buch zeigt, wie sehr solche Vorurteile an der Realität vorbeigehen. Der Autor Günter M. Ziegler hat in München und am MIT Mathematik studiert und wurde mit 31 Jahren der jüngste Professor an der TU Berlin. Neben einer Reihe von Auszeichnungen ist er ehemaliger Präsident der Mathematiker-Vereinigung und Initiator des "Jahr der Mathematiks".

In "Darf ich Zahlen?" (bewusst in dieser Schreibweise) bietet er genau das, was der Untertitel auch besagt, "Geschichten aus der Mathematik". Beispielsweise erzählt der Autor davon, wie einfach zu verstehende Fragen höchst komplexe Antworten haben können, etwa der bekannte Letzte Satz von Fermat. Ziegler erklärt, wie sich manipulierte Wahlergebnisse verraten können, nämlich wenn sie einerseits nicht zufällig genug sind, andererseits bestimmte Strukturen wieder nicht aufweisen. Menschengemachte "Zufalls-"Zahlen lassen sogar einen spezifischen Fingerabdruck ihres Autors erkennen. Und er zeigt, wie die unbestechlich wirkende Formelsprache der Mathematik für ganz andere Zwecke missbraucht werden kann, von eher humorvollen Fällen wie der vermeintlichen Formel für sexy Frauenkörper bis zur amerikanischen Außenpolitik.

Großen Raum nehmen auch die Portraits einiger der Menschen ein, die hinter der Wissenschaft stecken. Ziegler stellt Mathematiker vor, die am Strand von Rio auf die entscheidenden Ideen kommen – und sich dafür später Vorwürfe wegen Verschwendung von Steuergeldern anhören müssen. Er erzählt von einem Forscher, der im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Koffer lebt und ohne festen Wohnsitz zwischen Fachkonferenz und den Gästezimmern befreundeter Mathematiker pendelt, und (trotzdem oder deswegen?) hunderte von höchst gehaltvollen Fachaufsätzen verfasst hat. Er berichtet über eine Mathematikerin, die angeblich daran Schuld sein soll, dass es keinen Nobelpreis für die Disziplin gibt. Oder er portraitiert einen Kollegen, der nach einem politischen Streit regelrecht ausgestiegen ist, heutiger Aufenthaltsort unbekannt.

Dabei widerlegt der Autor mit sichtbarem Genuss und durchaus auch spitzer Feder die verbreiteten Vorurteile über sein Fach. Nicht verschweigt er jedoch, dass Mathematik durchaus schwierig ist; im Gegenteil, er fordert seine Zunft sogar auf, die gebotenen Herausforderungen offensiv herauszustellen, schließlich werden "Helden" die die mathematischen Probleme der Zukunft lösen können, dringend gesucht. Mit viel Charme macht er Werbung für seine Sache und zeigt dem Leser, dass Mathe ein faszinierendes Gebiet sein kann.

Formeln (auf deren Bedeutung Ziegler ebenfalls eingeht) kommen nur gelegentlich einmal vor, trotzdem erwartet der Autor von seinen Lesern ein gewisses Maß an Mitdenken. Vorkenntnisse, die über einfache Bruchrechnung hinausgehen, sind jedoch nicht notwendig. "Darf ich Zahlen?" ist kein Mathematik-Lehrbuch, sondern eher der gelungene Versuch, die Bedeutung und die Faszination der Disziplin nachvollziehbar zu machen.

Gelegentlich greift Ziegler allerdings zu tief in seinen Fundus an Geschichten und Anekdoten. Wenn er noch einen Mathematiker vorstellt, der in der Isolation eines Kriegsgefangenenlagers seine besten Ideen hatte, oder noch eine Eigenschaft der natürlichen Zahlen, die auch die heutige Mathematik nicht völlig verstanden hat, führt das machmal zu Ermüdungserscheinungen beim Leser. Aber das sind Ausnahmen, insgesamt liest sich das Buch ausgesprochen kurzweilig. Man könnte sich den Autor als befreundeten Mathematiker vorstellen, der abends beim Essen oder beim Sonntagsspaziergang im Wald von seinem Fach erzählt. Und wer nicht den oben zitierten Spruch tatsächlich mit Leben gefüllt und für Mathematik total unempfänglich ist, wird eine Reihe von Aha-Effekten mitnehmen, von einem möglicherweise ganz neuen Bild auf die Wissenschaft ganz zu schweigen.

Herstellerisch fallen ein paar vermeintliche Schmutzflecken am Buchblock auf. Dafür sind jedoch die "Ausreißer" aus dem Satzspiegel verantwortlich, wenn etwa Summen oder die Kreiszahl π mit diversen Nachkommastellen bis zum äußersten Ende des Blattes gedruckt werden. Das sieht man auch von der Seite. Aber immerhin sagt der Autor selbst, "Mathematik machen ist schmutzig, wenn man's richtig macht", auch wenn er damit lieber nicht zitiert werden möchte.

Fazit:
Ein Mathematiker auf erfolgreicher Charmeoffensive für sein Fach. Günter M. Ziegler zeigt, dass Mathe sehr wohl etwas mit dem täglichen Leben zu tun hat, die Wissenschaft längst nicht so trocken ist wie mancher glaubt, und sich in den Reihen der Forscher eine ganze Reihe faszinierender Persönlichkeiten verbergen. Das gelegentliche "Überreiten" eines Punktes mit noch einem und noch einem Beispiel tut dem nur geringen Abbruch.

Darf ich Zahlen? - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Günter M. Ziegler
Darf ich Zahlen?
Erscheinungsjahr: 2011



Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck

Verlag:
Piper

Preis:
€ 9,95

ISBN:
9783492264822

272 Seiten
Positiv aufgefallen
  • Erfolgreiche Charmeoffensive für eine Disziplin, über die viele Vorurteile kursieren
  • Auch nicht ganz triviale Zusammenhänge werden nachvollziehbar gemacht
Negativ aufgefallen
  • Gelegentlich iteriert der Autor seinen Punkt zu viel mit noch einem Beispiel
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Rezension vom: 11.07.2011
Kategorie: Natur, Wissenschaft und Technik
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