Alles, was wir geben mussten
Story:
Kathy, Ruth und Tommy wachsen gemeinsam im Internat Hailsham auf, wo sie von sogenannten Aufsehern erzogen und unterrichtet werden. Alle Kinder dieser Erziehungsanstalt sind elternlos, etwas ganz besonderes und zu einem ganz bestimmten Zweck auf der Welt. Dies wird ihnen von den Obrigkeiten stets eingeimpft. Erst im Laufe der Jahre beginne sich die die drei Freunde, mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen und verstehen ansatzweise, was es mit ihrem Lebensinhalt, dem "Spenden" und "Vollenden" auf sich hat. Als junge Erwachsene verlassen sie das Internat, leben jedoch weiter zusammen bis sie die unausweichliche Vorsehung einholt...
Meinung:
"Alles, was wir geben mussten" ist ein Roman aus dem Jahr 2005, der vom britischen Autor Kazuo Ishiguro geschrieben wurde. Er wird als einer der wichtigsten Schriftsteller der Gegenwart seiner Heimat gehandelt. Der Preisträger des Booker Prize - der bedeutendsten Literaturauszeichnung Großbritanniens - hat bereits mit "Was vom Tage übrig blieb" und seinem Debüt "Damals in Nagasaki" enorme Aufmerksamkeit bei Kritik und Publikum erregt. "Alles, was wir gegen mussten" wird zum Kinostart der gleichbetitelten Verfilmung vom btb-Verlag neu aufgelegt - mit dem Filmplakat als Buchcover. Unter der Regie von Mark Romanek ("One Hour Photo") ist der Stoff mit Carey Mulligan (An Enducation"), Keira Knighley ("Die Herzogin") und Andrew Garfield ("The Social Network") für die Leinwand adaptiert worden - seit dem 14.4. ist der Streifen bundesweit in den Filmtheatern zu sehen.
Die 352 Seiten umfassende Geschichte wird als Ich-Erzählung aus der Perspektive von Hauptfigur Kathy H. geschildert. Eine Erzähltechnik, die bei "Alles, was wir geben mussten" oder im Original "Never let me go" hervorragend funktioniert, da der Leser von Beginn an eine enge Bindung zu der Protagonistin und den weiteren Figuren knüpft, und auf diese Weise emotional beteiligt wird. Es geht Ishiguro stets um Menschen - und so rücken auch diesmal drei Figuren in den Fokus seiner Geschichte, die eine ganz besondere Rolle in der menschlichen Gesellschaft einer Zukunft haben, die bereits in der Vergangenheit liegt. Die Geschichte spielt im England der 60er/70er Jahre, jedoch ist die Wissenschaft bereits weit fortgeschritten. Eine Entwicklung, die besonderen Einfluss auf das Leben bestimmter Gesellschaftsteile hat.
Ishiguro enthüllt das eigentliche Thema (welches an dieser Stelle bewusst ungenannt bleibt) nur langsam, Schritt für Schritt. Geschickt pflegt er dieses zerteilte Freigeben der Informationen in die Geschichte ein, welche mit den Jugendtagen der Protagonisten Kathy, Ruth und Tommy beginnt. Die drei wachsen mit vielen anderen elternlosen Kindern in einer Art Internat auf, Hailsham genannt. Kathy erzählt aus ihrer Kindheit, den Gegebenheiten vor Ort, der Erziehung sowie der daraus resultierenden Auffassung der Welt. Die bereits zu diesem frühen Zeitpunkt existierende Verbindung zu den beiden anderen wird sich durch das gesamte Werk ziehen und als wichtiges dramaturgisches Element aufgebaut. Doch "Alles, was wir geben mussten" handelt von viel mehr als nur der emotional aufwühlenden Beziehung der drei Figuren, die sich im Laufe des Bandes mehrmals verändern wird. In Abständen streut der Autor kleine aber wichtige Hinweise auf den Sinn der Einrichtung ein. Mit dem Lauf der Zeit und dem Heranwachsen der Kinder wird deutlich, dass ein übergeordneter Sinn ihrer Existenz zugrunde liegt. Irgendwas passiert im Hintergrund - "da draußen". Dies bleibt jedoch lange im Verborgenen, so dass weder Kathy noch der Leser genau erfährt, worum es schlussendlich geht.
Die Geschichte überspannt viele Jahre und spitzt sich schließlich zu, als Kathy, Ruth und Tommy erwachsen werden, Hailsham verlassen und weitere Stationen durchlaufen - nach einem vorgefertigten Plan. Über allem schwebt eine ungewisse Zukunft. Was hat es mit den Berichten auf sich, die bezüglich ihrer späteren Aufgaben immer wieder aufkommen? Kazuo Ishiguro verweigert dem Leser eine zügige Auflösung, wie auch seinen Hauptfiguren - dramaturgisch ein wahrer Kunstgriff. So paaren sich "Coming of Age"-Elemente, eine Art Lovestory sowie das große Drama der Figuren zu einem stimmigen Ganzen, bei dem vor allem die Charaktere und deren Emotionen im Bezug auf ihre Vorsehung große Wichtigkeit haben. Der Leser kommt ihnen nah, nimmt sozusagen aktiv an ihrem Schicksal Teil. Das große Drama zeichnet sich von Beginn an ab, trifft einen letztendlich dann doch wie ein Schlag. Genau diese Verschachtelung ist es, die "Alles, was wir geben mussten" sehr eindrucksstark werden lässt.
Fazit:
"Alles, was wir geben mussten" erzählt eine aufwühlende Geschichte, deren Thema zunächst nur durch Hinweise angedeutet und erst im späteren Verlauf konkretisiert wird. Geschickt verknüpft Autor Ishiguro diese übergeordnete Ebene mit der Lebensgeschichte dreier Hauptfiguren. Dabei lässt er die Protagonistin Kathy H. den Roman als Ich-Erzählung verfassen, was sich als vortreffliche Entscheidung herausstellt: Die so hergestellte Nähe des Lesers zu den Figuren ist ein Schlüsselaspekt des Werkes, die neben den wichtigen Fragen, die das Thema aufwirft, den Reiz am Buch ausmachen.
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Kazuo Ishiguro
Alles, was wir geben mussten
Never let me go
Übersetzer: 978-3442742660
Erscheinungsjahr: 14.03.2011
Autor der Besprechung:
Marcus Offermanns
Verlag:
btb
Preis: € 9,99
ISBN: 9783442742660
352 Seiten
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