Bruder Cadfael 12: Mörderische Weihnacht
Story:
Nach vielen Jahren als allseits geachteter Priester in der Vorstadt von Shrewsbury ist Vater Adam im Winter des Jahres 1141 verstorben. Die Wahl seines Nachfolgers steht der Abtei von St. Peter und St. Paul zu. Abt Radulfus entscheidet sich für Vater Ailnoth. Aber schnell zeigt sich, dass dem hochgelehrten ehemaligen Sekretär von Bischof Henry zwei entscheidende Eigenschaften für die neue Position fehlen: Demut und Nachsicht mit der Fehlbarkeit seiner Schäfchen.
Jede kleine Sünde wird mit der vollen Wucht des kanonischen Rechts bestraft. Kann ein Lateinschüler das Vokabelpensum nicht vollständig fehlerfrei aufsagen, hagelt es Schläge. Und einem Säugling, der ungetauft gestorben ist, weil der Priester nicht den Gottesdienst für eine Nottaufe unterbrechen wollte, verweigert er ein christliches Begräbnis.
Kein Wunder also, dass der neue Seelsorger in seiner Gemeinde eher gefürchtet als beliebt ist. Aber sollte jemand tatsächlich so weit gehen und den Priester ermorden? Denn am Weihnachtsmorgen wird Ailnoths Leiche gefunden...
Meinung:
Auf der einen Seite ist dieser Band ein typischer Vertreter der Reihe: Ein Mord bringt die kleine Welt um das Kloster zu Shrewsbury in Unordnung. Der Verdacht fällt auf jemand, von dessen Unschuld Cadfael absolut überzeugt ist. Also muss der Mönch den wahren Täter finden, nicht nur um seinen Schützling willen, sondern um allgemein der Gemeinschaft ihre Ruhe, ihr Gleichgewicht wiederzugeben. Ebenso müssen natürlich der angebliche Mörder und ein hübsches junges Mädchen ihr gemeinsames Glück finden.
Auf der anderen Seite findet man in "Mörderische Weihnacht" eine ganze Reihe von Aspekten, die den Roman wortwörtlich aus der Reihe fallen lassen. Beispielsweise ist das Buch mit nur 218 Seiten kürzer als alle bisherigen, und auch die Geschichte fühlt sich gewissermaßen kleiner an. Anstelle eines abendfüllenden Spielfilms könnte man die Geschichte mit einer Episode aus einer TV-Serie vergleichen. Außerdem ist die Relation zwischen Gut und Böse etwas weniger klar als sonst. Cadfaels Schützling hat sehr wohl einiges auf dem Kerbholz, wenn auch keinen Mord. Und, soviel sei verraten, die Auflösung des Falles birgt eine Überraschung. Die Autorin enttäuscht die Erwartungen des Lesers, als wollte sie ihm verdeutlichen, dass die Dinge nicht immer so liegen müssen wie wir es vermuten.
Die "große Politik" spielt einerseits wieder eine deutlich geringere Rolle als zuletzt. Die Handlung bleibt auf das Kloster und die Vorstadt beschränkt; sogar die Stadt Shrewsbury selbst tritt kaum in Erscheinung. Andererseits wirkt der Bürgerkrieg um die englische Krone an entscheidenden Punkten in diese kleine Welt hinein. So begegnet Abt Radulfus Vater Ailnoth auf einem Konzil, das Bischof Henry einberufen hat, um seinen erneuten Loyalitätswechsel zu begleiten – bereits die zweite solche Versammlung in einem Jahr. Und auch Cadfaels Schützling hat etwas mit der Auseinandersetzung zwischen König Stephen und Kaiserin Maude zu tun.
Eines lässt sich jedoch unzweideutig sagen: Auch "Möderische Weihnacht" weist die Qualitäten auf, für die die Fans der Reihe den Detektiv in der Mönchskutte schätzen. Die Autorin zeichnet psychologisch stimmige kleine Portraits von Menschen aus dem zwölften Jahrhundert, und es macht einfach Vergnügen, ihnen bei der Interaktion miteinander zuzusehen. Auch als Krimi funktioniert der Roman gut. Stückchen für Stückchen deckt Cadfael auf, was in der verhängnisvollen Weihnachtsnacht tatsächlich passiert ist.
Die historische Einbettung funktioniert gewohnt gut. Ob Ende des Jahres 1141 tatsächlich ein Priester in der Vorstadt von Shrewsbury zu Tode kam, mag vielleicht nicht überliefert sein. Die Umschwünge von Bischof Henry, von Maude zu Stephen, wieder zur Kaiserin zurück und so weiter, hat es tatsächlich gegeben. Und auch sonst wird das Lebensgefühl der damaligen Zeit, soweit wir es heute kennen, gut nachempfunden.
Der Band kann nicht ganz mit den bisherigen Abenteuern von Bruder Cadfael mithalten, aber einen guten historischen Krimi hat die Autorin auch hier abgeliefert. Da die Geschichte sich sehr auf den kleinen Kosmos der Abtei und der näheren Umgebung konzentriert, macht sie umso mehr Vergnügen, wenn der Leser bereits mit Figuren und Schauplätzen vertraut ist.
Für den Schluss hat sich Ellis Peters noch eine nette kleine Volte einfallen lassen. Allerdings entwertet sie diese gleich wieder ein Stück weit, indem sie zu ausführlich erklärt, was der Leser ohnehin schon verstanden hat.
Fazit:
Nicht das stärkste unter Bruder Cadfaels Abenteuern, aber ein guter historischer Krimi ist der Autorin allemal gelungen. Einerseits findet man viele typische Merkmale der Reihe wieder, auf der anderen Seite variiert Ellis Peters das Gewohnte an diversen Stellen.
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Ellis Peters
Bruder Cadfael 12: Mörderische Weihnacht
The Raven in the Foregate
Übersetzer: Jürgen Langowski
Erscheinungsjahr: 1990
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
ISBN: 3-453-04222-0
218 Seiten
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