Bruder Cadfael 11: Ein ganz besonderer Fall
Story:
Der Bürgerkrieg um die englische Krone nimmt weiter seine Wendungen, aber eines bleibt gleich: Die Menschen müssen unter den Kämpfen zwischen König Stephen und Kaiserin Maude leiden. Diesmal trifft es die Stadt Winchester, die schwer verwüstet wird. Das nahe Benediktinerkloster von Hyde wird völlig zerstört.
Die überlebenden Brüder suchen Zuflucht in anderen Häusern ihres Ordens, zwei auch in der Abtei zu Shrewsbury. Aber Bruder Humilis und Bruder Fidelis umgibt ein Geheimnis. Und was wurde aus der jungen Frau, die vor einigen Jahren aufbrach, um Nonne zu werden, aber nie im Kloster ankam?
Meinung:
Der deutsche Titel dieses Cadfael-Abenteuers ist "Ein ganz besonderer Fall", und das ist er tatsächlich. Die Geschichte unterscheidet sich merklich von dem, was der Leser bisher vom Detektiv in der Mönchskutte kennt. Tatsächlich spielt der eigentliche Held der Serie in diesem Buch kaum eine Rolle. Lange sieht auch er nicht hinter das Geheimnis, und häufig betrachtet man die Geschehnisse nicht durch seine, sondern durch die Augen anderer Figuren. Nur am Ende sorgt Cadfael, man ist versucht zu sagen natürlich, dafür, dass alles soweit es geht in Ordnung kommt. Diesen Band kann man nicht, wie sonst häufig, auf die (verkürzende) Formel bringen, "Es passiert ein Mord, ein Unschuldiger wird verdächtigt, Bruder Cadfael muss die Wahrheit ans Licht bringen". Ganz im Gegenteil, manches soll eben gerade nicht ans Licht kommen.
Das aus der Reihe gewohnte Liebespaar gibt es in dieser Form ebenfalls nicht. Die Andeutungen, dass zwei der Charaktere in nicht allzu ferner Zukunft zusammenfinden könnten, sind jedoch ziemlich deutlich. Und unter einem bestimmten Blickwinkel gibt es doch ein Paar, das stärker verbunden ist als so manches der Paare, zu deren Glück der Mönch bisher beigetragen hat.
Überhaupt nutzt Ellis Peters in diesem Roman oft das Mittel der Andeutung. Was tatsächlich hinter den beiden Brüdern auf der Flucht aus dem zerstörten Kloster von Hyde steckt, wird nie ausdrücklich genannt. Aber ab einem gewissen Punkt ahnt der Leser es immer stärker, und am Ende nimmt die Autorin diese mittlerweile zur Gewissheit gewordene Kenntnis sichtbar als gegeben an. Man fühlt sich fast wie ein Komplize, der die wahren Verhältnisse kennt, aber sich gleichzeitig selbst verpflichtet, nichts zu verraten, weil dies das Glück einigere Menschen zerstören könnte. Das mag dazu beigetragen haben, dass in dieser Rezension so manches nicht zu offen angesprochen werden soll.
Der Erzählstil ist ebenfalls ein anderer als sonst, auch wenn man ihn immer noch eindeutig als den der Autorin wiedererkennt. Ellis Peters verwendet diesmal häufig Beschreibungen von Landschaften, Siedlungen oder Gebäuden, um ihrer Geschichte im gewünschten Rhythmus und Tempo erzählen zu können. Soll sich die Handlung erst einmal beruhigen, oder umgekehrt zum Spannungsaufbau, erfährt der Leser teils ziemlich ausführlich, durch welche Szenerie sich die Protagonisten gerade bewegen. Auch das Wetter wird ebenso zur Metapher wie zum Instrument, um die Handlung voranzutreiben. In gewissem Sinne läuft alles auf einen, nicht nur sprichwörtlichen, großen Sturm hinaus, der aber genauso als die Spannungen lösendes, reinigendes Gewitter verstanden werden kann.
Man könnte vermuten, dass die Autorin, die ja neben der Cadfael-Reihe noch diverse weitere Bücher verfasst hat, hier ein älteres Manuskript in neue Form gegossen hat. "Ein ganz besonderer Fall" hätte jedenfalls nicht weniger gut außerhalb der Serie funktioniert. Das tut der Qualität des Romans jedoch keinen Abbruch, ebenso wenig wie die Tatsache, dass gerade der erfahrene Leser oft erkennen kann, welchen Zweck Ellis Peters mit bestimmten Stilmitteln erreichen will. Denn im Gegensatz zu anderen Romane, deren "Rezept" so erkennbar wird, kann die Autorin hier ihre Absichten in die Tat umsetzen. Ein gutes Essen schmeckt nicht weniger gut, weil der Hobbykoch sich vorstellen kann, welche Gewürze verwendet wurden.
Prinzipiell kann man das elfte Abenteuer des klugen Mönchs unabhängig von den anderen lesen, aber es sei davon abgeraten. Zum einen lohnen auch die übrigen Cadfael-Romane die Aufmerksamkeit des Lesers, und zum anderen entfaltet diese Geschichte gerade dadurch, dass sie sich vom Rest der Reihe unterscheidet, zusätzlichen Charme.
Fazit:
"Ein ganz besonderer Fall" ist genau das, eine Besonderheit innerhalb der Reihe. Der Roman unterscheidet sich in diverser Hinsicht von den anderen Abenteuern des Mönchs. Dabei ist er aber nicht von geringerer Qualität.
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Ellis Peters
Bruder Cadfael 11: Ein ganz besonderer Fall
An excellent mystery
Übersetzer: Jürgen Langowski
Erscheinungsjahr: 1993
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
ISBN: 3-453-03705-7
252 Seiten
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