Geisterpfade
Story:
Nachdem das Mädchen Wynter vom Hofe König Jonathans geflohen ist, macht sie sich auf die Suche nach dem ursprünglichen Thronfolger Alberon. Schon bald trifft sie auf ihre beiden Freunde Razi und Christopher, die sich ihr anschließen. Doch ihr Vorhaben tritt in den Hintergrund, als sie auf einen reisenden Stamm der Merron stoßen. Sie erleben dort eine schöne Zeit, bis die Loup-Garous-Wölfe auftauchen.
Meinung:
"Geisterpfade" ist die Fortsetzung von Celine Kiernans "Schattenpfade" und damit der zweite Teil der sogenannten "Moorehawke"-Trilogie. Im ersten Band wurde erzählt, wie Wynter Moorehawke gemeinsam mit ihrem Vater nach jahrelanger Abwesenheit an den Hof König Jonathans zurückkehrt. Doch was einst ein Idyll war, war nun ein Hort des Schreckens und der Intrigen. Der Herrscher hatte seinen Sohn Alberon verstoßen und versuchte sein Adoptivkind Razi als seinen neuen Thronfolger aufzubauen, gegen dessen Willen. Ursache für all diese Veränderungen war eine geheimnisvolle Waffe namens "Blutmaschine", die von Wynters Vater gebaut wurde. Jenem, schwerkrank, gelang es nach langer Zeit schließlich eine Möglichkeit zu organisieren, seine Tochter heimlich vom Hofe zu entfernen.
Und der zweite Band schließt nahezu nahtlos an den Vorgänger an. Die Autorin erzählt, wie Wynter sich zuerst alleine auf die Suche nach Alberon macht, in der Hoffnung von ihm ein wenig Erhellung zu erlangen. Doch ihr Pfad ist alles andere als harmlos, stößt sie doch bald auf Raubmörder, die sie entdecken und ihr beinahe etwas Schreckliches antun. Gottseidank trifft sie bald Razi und Christopher wieder. Die drei beschließen gemeinsam weiter zu reisen. Bald darauf treffen sie auf einen reisenden Stamm von Merron, einer Volksgruppe mit irischen Wurzeln. Sie werden freundlich aufgenommen und während Christopher, der dieselbe Heimat wie diese Menschen hat, sich sofort heimisch fühlt, müssen die beiden anderen sich erst langsam mit der fremden Sprache und Gebräuche anfreunden. Die Reise wird jedoch immer wieder durch besondere Vorkommnisse unterbrochen. So muss Razi, der ein ausgebildeter Arzt ist, seine erste Operation durchführen und die Loup-Garous-Wölfe, schreckliche Menschen, die nur böses im Sinn haben, durchstreifen die Lande.
Bereits im ersten Roman konnte man bemerken, dass er zwar Fantasy war, diese phantastischen Elementen aber kaum auftauchten. Dies ist in "Schattenpfade" sogar noch extremer. Es gibt nur drei Momente, in denen die Handlung Konzepte verwendet, die man nicht als real einstufen kann. Auf dem ersten Blick erscheint dies als zu wenig, doch gelingt es Celine Kiernan aus diesem Manko einen Vorteil zu machen. Dadurch, dass sie eher spärlich eingesetzt wird, wirken die Szenen in denen die Fantasy dann doch verwendet wird umso beeindruckender.
Und so konzentriert sich die Autorin mehr auf ihre Figuren. Besonders die Merron sind es, die die Faszination des Lesers anziehen. Eindeutig basierend auf der ursprünglichen irischen Kultur, erlebt man hier ein Volk, welches absolut fremdartig ist. Es handelt sich um Menschen mit festen Regeln und Prinzipien, die allerdings auf einem vollkommen anderen kulturellen Verständnis basiert. So gibt es Menschen, die von Geburt an als heilig gelten und Zwillinge werden besonders verehrt.
Mit einem besonderen Kniff schafft es Frau Kiernan, dass man als Leser die Ereignisse mehr aus dem Blickwinkel von Wynter erlebt. Denn die eigentliche Sprache der Merron, die sie immer wieder verwenden, wird im Text nicht übersetzt. Stattdessen gibt es erst nach dem Ende der Geschichte eine Übersicht, was genau gesprochen wurde. Und so muss man gemeinsam mit der Protagonistin warten, bis sich jemand erbarmt ihr die Worte zu übersetzen.
Und so steht die junge Moorehawke umso mehr im Mittelpunkt der Handlung. Dabei wird sie als junge Frau beschrieben, die festen Prinzipien gehorcht und diese nicht immer bereit ist beiseite zu lassen, wenn die Situation es erfordert. Sie ist glücklich, als sie wieder mit Razi und Christopher zusammen ist und erlebt gemeinsam den beiden einiges. Besonders ihre Beziehung zu letzterem wächst je mehr die Handlung fortschreitet. Und so wird aus den beiden Freunden schon bald ein festes Paar, ohne das es zu irgendwelchen Herz- Schmerz-Szenen kommt.
Christopher profitiert ungemein von dem Roman. Er erhält einiges an Hintergrund, wodurch die Figur ausgestalteter wirkt. Dabei ist es so, dass er sich zwar bei den Merron heimisch fühlt, er aber auch über ihre besonderen Riten Bescheid weiß. Etwas, was er vor seinen Freunden verbirgt.
Wer jetzt allerdings erwartet, dass man mehr über die "Blutmaschine" erfährt, oder gar sonst irgendein Plot aus dem Vorgänger-Roman fortführt, der wird enttäuscht sein. Kein einziger Handlungsfaden wird aufgegriffen, stattdessen werden lauter neue erschaffen und eingeführt. Dies ist schade, da so die Autorin jede Menge Nachholbedarf im kommenden, dritten Roman leisten muss.
Auch die Loup-Garous-Wölfe enttäuschen. Wobei dies eher daran liegt, dass sie großartig aufgebaut werden und dann kaum noch auftauchen. Hier wurde einiges an Potential verschenkt.
Fazit:
Celine Kiernans "Geisterpfade" ist ein sehr gutes Buch, wenn auch mit einigen Schattenseiten. Sehr gut ist die Charakterarbeit, sowohl bei den Merron - die wohltuend fremdartig bleiben - als auch bei den Hauptfiguren. Schade ist, dass kein einziger Plot aus dem Vorgänger wieder aufgegriffen wird und die Loups-Garous-Wölfe werden stark entwickelt, doch finden dann kaum Verwendung.
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