Fremdenverkehr mit Einheimischen
Story:
Die Welt passt in'n Stadion. Und, wer ist der Chef vom Stadion? ICH!
Also, er. Viele werden Fritz Eckenga von seinen wöchentlichen Auftritten bei WDR 2 kennen, wo er den von seiner Wichtigkeit sehr überzeugten Manager eines großen Fußballvereins mit eher monochromer Weltsicht gibt. Aber der Mann hat noch einiges mehr in petto. Seit mehr als zwei Jahrzehnten tourt er als Gründungsmitglied mit dem Musiktheater "N8chtschicht", schreibt für die taz und andere Medien, darunter auch "Häuptling eigener Herd", für die sich Starkoch Vincent Klink und Autor Wiglaf Droste zusammengetan haben.
Und er dichtet. Seinen neusten Band widmet Eckenga dem Thema "Fremdenverkehr mit Einheimischen". Darin berichtet er in gereimter Form von alten Ehepaaren, die schon so lange glücklich verheiratet sind, dass selbst Gott nur noch staunen kann. Von Nachbarn, die zuverlässig jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe mit lärmenden Reparatur- und Bauarbeiten beginnen. Von Rüttgers und Müntefering, vom Investementbanker in der Krise am Weihnachtsabend, vom Sommerfest der Supermarktkette. Herbstgedichte mag er nicht, F. W. Bernstein dafür um so mehr.
Meinung:
Wenn Fritz Eckenga dichtet, sollte man zuhören. Oder genau hinlesen, je nachdem. Denn die auf den ersten Blick einfachen Zeilen, Witzchen, Blödeleien und Wortspiele haben oft Hintersinn. In jedem Gedicht schildert der Autor eine Szene, eine Situation, ein Gefühl, das sich dem Leser sofort erschließt. Wie Eckenga selbst gleich zu Beginn schreibt, "Wenn der Dichter bläht und dehnt, riskiert er, dass die Kundschaft gähnt". Und so zeichnet er teils mit wenigen Worten Bilder vor das innere Auge seiner Leser, die sich anfühlen wie aus dem Leben gegriffen. Man sieht sich in der leeren Wohnung stehen, aus der die Umzugspacker gerade die letzten Kisten abtransportiert haben. Man spürt den Frust des Diabetikers angesichts des lockenden Apfelkuchens. Oder man ärgert sich über die Unpünktlichkeit der Bahn, die anstelle eines Zuges doch eher einen "Steh" am Start hat.
Dabei bekommen viele ihr Fett weg, Prominente wie Politiker, Karnevalisten wie Love Parade-Tänzer, Nachbarn wie Hauptsache-Flach-Flachbildschirm-Käufer. Aber Eckenga kritisiert nie so plump, dass man ihm tatsächlich böse sein könnte. Stattdessen wirkt er wie der wohl sympathischste Misanthrop, dem man je begegnet ist. In vielen Fällen möchte man ihm als Leser schlicht aus tiefstem Herzen zustimmen – aber eigentlich hat man, und hat er, die Kritisierten doch irgendwie gern.
Die "Rettungsreime" die Eckenga auch mit diesem Band wieder anbietet, können genau dazu dienen: Sich zwischen Fußball-WM und Bundespolitik, zwischen Doping quer durch die Sportarten und Fassnachts-Tätä, zwischen Bad Bank und Partnerschaftszank für einige Zeit zurückzuziehen. Sich für kurze Zeit in einem kleinem Gedichtband zu verlieren, die Seele und den Glauben an das prinzipiell Gute im Menschen zu regenieren. Das mag kitschig und überhöht klingen, aber es funktioniert. Man muss ja nicht gleich Eichhörnchen gießen. Und wer jetzt nicht weiß, was damit gemeint ist, hat einen weiteren Grund, Eckenga zu lesen.
Fazit:
Ein kleiner, aber feiner Gedichtband, der nicht nur Gedichte enthält, sondern auch selbst eines ist. Mit seinen "Rettungsreimen" hilft einem Fritz Eckenga, mit dem Wahn- und Unsinn seiner Mitmenschen fertig zu werden und trotzdem nicht den Glauben an die Menschheit zu verlieren.
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Fritz Eckenga
Fremdenverkehr mit Einheimischen
Erscheinungsjahr: 2010
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Verlag Antje Kunstmann
Preis: € 12,00
ISBN: 978-3888976551
127 Seiten
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