Altes Land
Story:
Vera Eckhoff lebt im Alten Land, nahe Hamburg. Sie ist ein Flüchtlingskind und nie wirklich in ihrer neuen Heimat angekommen. Doch eines Tages stehen zwei weitere Flüchtlinge vor ihrer Tür: Ihre Nichte Anne und deren Sohn Leon.
Meinung:
Aktuell ist die Flüchtlingsdebatte in Deutschland groß. Was dabei gerne vergessen wird ist die Tatsache, dass dies nicht die erste Flüchtlingswelle ist, mit der sich die Bundesrepublik konfrontiert sieht. Nur, dass es damals andere Menschen waren, die vor einer Bedrohung nach hierhin flohen. Die Autorin Dörte Hansen beschäftigt sich mit diesem und auch anderen Themen in ihrem Debütroman "Altes Land".
Die Autorin wurde 1964 in Husum geboren. Sie studierte Sprachen wie zum Beispiel Gälisch oder Baskisch und promovierte in Linguistik. Danach war sie Journalistin und arbeitete als Redakteurin beim NDR. Heute ist sie Autorin für Hörfunk und Print.
Das Alte Land ist eine Gegend südlich von Hamburg. Hier lebt die über sechzigjährige Vera Eckhoff. Sie ist ein Flüchtlingskind aus Ostpreußen gewesen und niemals wirklich angekommen. Ihre Mutter, eine einstige Adelige, ließ sie bei ihrem Vater, einem ehemaligen Soldaten, der von dem Krieg mentale Narbenerhielt, zurück, als sie nach Hamburg zog. Sie hatte kein wirklich glückliches Leben und bewohnt ein altes Haus, an dem sie seit Jahren nichts mehr getan hat, aus Angst, dass dadurch jeder, der ihr nahe steht zu Schaden kommt.
Eines Tages steht ihre Nichte Anne vor der Tür. Sie ist gemeinsam mit ihrem Sohn Leon aus Hamburg-Ottensen geflohen. Sie lässt ein Leben hinter sich, mit dem sie nicht so recht glücklich wurde. Der Vater ihres Kindes hat sie betrogen und ihr Job rührt ständig an alten Wunden. Jetzt versucht sie auf dem Land einen Neustart.
"Altes Land" ist ein Buch über Flüchtlinge. Und doch gleichzeitig auch mehr. Es ist ein Gesellschaftsbild, damals und heute. Und über die Veränderungen, die plötzlich über einen hineinbrechen. Die Autorin packt ihr Buch mit jeder Menge Themen zu, ohne dass es dabei zu viel wird.
Dörte Hansens Roman ist eine Mischung aus Drama aber auch Humor. Man wird schmunzeln, nur um dann kurze Zeit später schwer schlucken zu müssen. Denn die Autorin verschont einen nicht. Trocken beschreibt sie zum Beispiel, wie sich die Großmutter von Anne das Leben nahm, nachdem sie quasi von Veras Mutter aus ihrem eigenen Haus vertrieben worden ist. Es ist eine drastische Szene, die die Schriftstellerin quasi non chalant beschreibt.
Dabei setzt sie sehr viel auf Kontraste. Das zeigt sich schon bei den Haupthandlungsträgern: Dort die alte Dame, die nie so richtig in ihrer neuen Heimat angekommen ist und in ihrem Dorf fremd und doch verwurzelt zugleich ist. Und dort ihre junge Nichte, musikalisch und handwerklich begabt. Sie ist freiwillig geflohen, während ihre Tante unfreiwillig geflohen ist. Zu lesen, wie diese beiden Charaktere sich langsam gegenseitig annähern, macht einen Charme dieses großartig geschriebenen Buches aus.
Der andere Teil ist das Auge für die Gegenwart. Auch hier wird wieder ein Kontrast gesetzt, zwischen dem Stadtbewohner, der meint auf dem Land alles besser wissen zu könne, bzw. der vollständig falsche romantische Vorstellungen von dem Landleben hat. Und auf der anderen Seite die Landbewohner, die sich auf Plattdeutsch unterhalten und über die Vorstellungen der Städter insgeheim die Augen verdrehen.
Interessant ist, dass die Autorin sich mit den Dialogen sehr zurückhält. Sie verlegt sich mehr aus Beschreiben von Gefühlen und Reaktionen, als die Gespräche auszuschreiben. Wenn es Wortwechsel gibt, dann sind sie kurzgehalten, aufs allernotwendigste reduziert. Wobei auch hier wieder ein Kontrast auftaucht, nämlich der zwischen Platt Dietsch und Neuhochdeutsch. Der Dialekt ist ein Merkmal der Landbewohner, wodurch es umso befremdlicher wirkt, wenn ein Nichtlandbewohner versucht, diesen zu sprechen um zu zeigen, dass er mit dazu gehört. Denn im Prinzip zeigt er dadurch das genaue Gegenteil.
"Altes Land" ist ein hervorragendes Buch. Es ist ein "Klassiker" und hat den "Splashhit" verdient.
Fazit:
"Altes Land" ist ein fantastisches Buch aus der Feder von Dörte Hansen. Die Autorin setzt stark auf Kontraste, die sie vielfältig einbaut. Dabei ist der Roman sowohl Drama als auch mit deutlichem Humor versehen. Die Charaktere gefallen einem und man kann bei diesem sowohl lachen auch als weinen.
|